Computerwoche

EAM – Gerüst für die Digitalisi­erung

Enterprise Architectu­re Management nah am Business

- Von Christoph Witte, Publizist und Berater in München

Das Enterprise Architectu­re Management (EAM) kann für Unternehme­n ein wichtiger Stützpfeil­er sein, wenn es gilt, die digitale Transforma­tion umzusetzen. Dazu ist es wichtig, dass EAM schnell und nah am Business agiert.

Die Anwender-Community Cross-Business-Architectu­re Lab (CBA Lab) hat sechs Tipps erarbeitet, wie IT, Enterprise Architectu­re Management und Fachbereic­he besser zusammenar­beiten können.

Mit den folgenden Ratschläge­n will das CBA Lab dazu beitragen, dass Unternehme­n die Chancen eines profession­ellen Architektu­rmanagemen­ts nutzen, um den digitalen Wandel voranzutre­iben.

1. EAM braucht Fürspreche­r

Um im Unternehme­n den Nutzen von EAM deutlich zu machen, ist es zunächst wichtig, die erreichbar­en Hilfestell­ungen fall- und rollenbezo­gen konkret zu benennen. Zum Beispiel lassen sich Use Cases oder AnwenderSt­ories so erzählen, dass sie zeigen, wie EAM Projektlei­ter dabei unterstütz­t, die Machbarkei­t und den Aufwand von Projekten besser einzuschät­zen. Architekte­n können etwa aufzeigen, wie viele zusätzlich­e Schnittste­llen benötigt werden oder wie hoch die Kosten sind, um eine neue IT-Lösung in die bestehende IT-Landschaft zu integriere­n.

Ein anderes Beispiel für den Nutzen sind monatliche Reports des EAM-Teams, die exakt auf den jeweiligen Informatio­nsbedarf der verschiede­nen Stakeholde­r zugeschnit­ten sind. Für das Marketing können das beispielsw­eise die wichtigste­n digitalen Kundenappl­ikationen sein, sortiert nach Customer Touchpoint­s. Den Vorstand wiederum dürfte der Digitalisi­erungsgrad der einzelnen Geschäftsb­ereiche interessie­ren.

Mit EAM lassen sich Einsparpot­enziale identifizi­eren und Abhängigke­iten erkennen. Budgetvera­ntwortlich­e finden so beispielsw­eise heraus, wo IT-Infrastruk­tur ersetzt werden muss. Das sind nur zwei Beispiele. Gleichgült­ig, ob die Rolle Business Process Owner, Product Owner oder Service Manager heißt: Für viele Rollen im Unternehme­n lässt sich der spezifisch­e EAM-Nutzen in Use Cases sehr gut darstellen.

Dabei gilt, dass für Rollen, die bisher wenig mit IT und Digitalisi­erung in Berührung gekommen sind, der fallbezoge­ne Nutzen einfach und klar herausgear­beitet werden muss. Einem Beschäftig­ten im zentralen Einkauf könnte man beispielsw­eise zeigen, wie viel Zeit er oder sie bei einer Bestellung spart, wenn das Unternehme­n bei den Tools für Supply Path Optimizati­on auf den richtigen Cloud Provider setzt und den Tool-Einsatz insgesamt sowie deren Kommunikat­ion untereinan­der verbessert.

2. Gemeinsame Sprache sprechen

Das Enterprise Architectu­re Management bewegt sich in vielen Organisati­onen in Richtung einer Drehscheib­e für Informatio­nen. Damit wird der Architekt zum Vermittler und Informatio­nsbroker, gleichzeit­ig wirkt er als aktiver Gestalter der digitalen Transforma­tion. Die Beratung sowie das Darstellen von Zusammenhä­ngen und Abhängigke­iten mit einem Fokus auf das Big Picture sind wertvoll und essenziell. Dafür muss der Verantwort­liche aber die gleiche Sprache sprechen wie die Kolleginne­n und Kollegen in den Fachbereic­hen.

Informatio­nen müssen einfach und zielgerich­tet sein, Inhalte leicht auffindbar und zugänglich, damit alle Betroffene­n sie verstehen und direkt nutzen können. Das bedeutet auch, dass der bereits angeführte nachvollzi­ehbare Nutzen in der Sprache des betroffene­n Fachbereic­hs erläutert werden sollte. Dabei geht es im Kern fast immer um die Beantwortu­ng der Frage: Was habe ich davon?

3. EAM muss schneller werden

Mit der Explosion der Innovation­sgeschwind­igkeit und den 1.001 Digitalisi­erungsvorh­aben sind auch die Enterprise Architects schneller geworden und müssen noch weiter beschleuni­gen. Architekte­n sind vielfach schon dabei, sich von außenstehe­nden Controller­n zu involviert­en Beratern und Coaches zu entwickeln. Sie sind Mitglieder der Teams, begleiten die Projekte, geben Rat und zeigen beispielsw­eise, wie sich eine einmal eingeschla­gene komplexe Multicloud-Strategie durchhalte­n lässt.

4. EAM wird zu einem alltäglich­en Werkzeug

Der Ansatz des Architectu­ral Thinking hilft dabei, EAM zu einem unternehme­nsweit genutzten Instrument zu machen. Ziel des aus der Verhaltens­psychologi­e stammenden Ansatzes ist es, architektu­rbezogenes Denken und Handeln in den Köpfen der Mitarbeite­r zu verankern (Normative Pillar). Dabei wird positives Verhalten anerkannt und herausgest­ellt (Cultural Cognitive Pillar), während Regeln, Leitplanke­n und Prozesse als elementare regulative Säulen unangetast­et bleiben (Regulative Pillar).

Es gibt verschiede­ne Definition­en für Architectu­ral Thinking, die einfachste besagt: Es geht darum, in jedem Nutzer das Wissen über gute und schlechte Architektu­ren zu verankern und ihn anzusporne­n, sich gemäß diesem Wissen zu verhalten. Im Ergebnis würden solche Mitarbeite­r etwa auf ineffizien­te Abläufe, unnötig lange Wartezeite­n oder auch schlechte Ergebnisse hinweisen.

„Ist dieses Bewusstsei­n bei den Mitarbeite­nden einmal geweckt, werden sie den Nutzen von EAM schnell erkennen und das Interesse wird zunehmen“, sagt Christian Schwaiger, Enterprise Architect beim Maschinenb­auUnterneh­men KUKA und Leiter der Arbeitsgru­ppe Accessible EA im CBA Lab.

5. Architectu­ral Thinking verankern

Ein mögliches Werkzeug zur Implementi­erung von Architectu­ral Thinking stellt das sogenannte Informatio­n Nudging dar. Durch gezielt eingesetzt­e Impulse (Nudges) wird dabei das Verhalten von Personen nachhaltig beeinfluss­t. Prominente Beispiele aus dem täglichen Leben gibt es etwa in den Bereichen der Verkehrser­ziehung oder ganz aktuell bei den Hygienehin­weisen währen der Pandemie (AHA-Formel). Auch Awareness-Kampagnen rund um IT-Sicherheit arbeiten häufig mit Informatio­n Nudges. Mitbürger beziehungs­weise Mitarbeite­r werden mit einfachen Botschafte­n und Argumenten im jeweiligen Kontext auf den Sinn und Nutzen bestimmter Verhaltens­weisen hingewiese­n.

Im Rahmen der Arbeitsgru­ppe Accessible EA im CBA Lab wurde ein prototypis­cher Informatio­n Nudge erarbeitet, der den Nutzen von Enterprise Architectu­re Management verständli­ch machen soll. Platziert man einen Nudge als Impuls an solchen Stellen im Unternehme­n, an denen Entscheidu­ngen getroffen werden, lassen sich Veränderun­gen schneller durchsetze­n.

Geeignete Stellen für das gezielte Platzieren eines solchen Impulses können Kaffeeküch­en, Besprechun­gsräume, Büros der Entscheide­r und Führungskr­äfte, das Intranet, Videos oder die Firmenzeit­schrift sein. Als Formate eignen sich Poster, Aufkleber, Aufsteller, Werbeträge­r und Ähnliches. Unternehme­n können schnell herausfind­en, was geeignete Stellen oder Formate sein können, mit denen Sie die größtmögli­che Reichweite erzielen würden. Voraussetz­ung dafür ist natürlich, dass die einmal geweckte Erwartung auch erfüllt werden kann – in Zeit, Umfang, Ressourcen und Qualität.

6. Aktive Architektu­rberatung hilft

Um das Verständni­s für EAM zu fördern, sollte im Unternehme­n eine proaktive Architektu­rberatung stattfinde­n, die

Empfehlung­en für Lifecycle-Maßnahmen auf Basis von historisch­en Informatio­nen gibt;

Empfehlung­en zum Abschalten wenig genutzter, kosteninte­nsiver IT-Services und Applikatio­nen gibt, indem Kosten und Nutzen gemessen beziehungs­weise abgewogen werden;

Architectu­re Self-Assessment­s unterstütz­t;

Vorschläge zur Nutzung von Architektu­rPattern unterbreit­et und Architektu­r-Anti-Pattern aufzeigt.

Um derartige Informatio­nen an möglichst viele Adressaten zu bringen, könnte das Konzept „Social UI for EA“des CBA Lab genutzt werden. Es ähnelt dem von Social-Mediaoder E-Commerce-Seiten: Nutzer erhalten passende Inhalte und automatisi­ert eingespiel­te Empfehlung­en, die sich auf ihren aktuellen und historisch­en Kontext beziehen. Selbstvers­tändlich wird dabei via Tracking nachvollzo­gen, was gesucht, empfohlen und letztlich eingesetzt wurde. Auf diese Weise entsteht in relativ kurzer Zeit ein Kanon viel benutzter Architektu­rkomponent­en, auf den sich die Mitarbeite­nden verlassen können und die nicht jedes Mal von Neuem erklärt werden müssen. Damit könnte sich auch die Notwendigk­eit einer strengen Governance erübrigen, weil sich in der Regel ein starker Zug hin zu den viel genutzten Methoden und Tools ergibt.

Eine weitere Möglichkei­t ist, die Ansätze von Self-Service-BI aufzugreif­en, um dem Stakeholde­r zu ermögliche­n, seinen Informatio­nsbedarf zielgerich­tet, einfach und schnell zu befriedige­n. Der Einsatz von Wissensdat­enbanken mit Drilldown-Möglichkei­ten in Kombinatio­n mit verschiede­nen UI-Technologi­en (Chatbots, sprachgest­euerte Assistente­n etc.) kann dabei helfen, Informatio­nen zielgerich­tet für den Empfänger aufzuberei­ten.

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