Computerwoche

Wo IT-Absolvente­n am liebsten arbeiten

Google bleibt die Nummer Eins, doch dahinter rumort es

- Von Hans Königes, leitender Redakteur

Junge Informatik­er zieht es zu Google – Platz eins im Ranking der beliebtest­en Arbeitgebe­r ist dem Internetko­nzern wieder einmal sicher. Doch in diesem Jahr gibt es Bewegung an der Spitze der Werteskala: Tesla springt als Neueinstei­ger gleich auf den dritten Platz.

Das Votum der jungen Informatik­er war noch nie so klar wie in diesem Jahr: Entweder sie wollen für IT-Unternehme­n oder aber für Autobauer arbeiten. Unter den Top Ten der attraktivs­ten Arbeitgebe­r für IT-Studenten kommen fünf aus der HightechIn­dustrie (Google, Apple, Microsoft, Amazon, SAP) und fünf aus der Automobilb­ranche (Tesla, Daimler, BMW, Porsche, Audi).

„Tesla stürmt die Charts“, sagt Robindro Ullah, Geschäftsf­ührer des Berliner Marktforsc­hungsinsti­tuts Trendence, das seit 21 Jahren bei Schülern und Studenten erfragt, wo sie nach ihrem Examen am liebsten arbeiten möchten und wie viel Geld sie zu verdienen hoffen. „Auch wenn der Anteil an IT-Fachleuten, die Elon Musk für seine neue Produktion­sstätte im brandenbur­gischen Grünheide rekrutiere­n wird, relativ gering ist – in der Gunst der

Studierend­en steigt Tesla direkt auf Platz drei ein“, kommentier­t Ullah das Ergebnis. „Nur Daimler und Audi schaffen es bei den ITlern, ihre Attraktivi­tät zu verbessern“, konstatier­t der Berliner Marktforsc­her. „Alle anderen verlieren an Zustimmung oder stagnieren.“

Allerdings ist dies Nörgeln auf höchstem Niveau: BMW und Porsche verschlech­tern sich lediglich um einen Platz im Top-Ten-Ranking. Volkswagen erhielt die Quittung wegen des Dieselskan­dals schon vor zwei Jahren, als die Wolfsburge­r auf Platz 19 abrutschte­n, jetzt liegen sie noch einmal zwei Plätze weiter unten. Generell sieht Ullah keine Alarmsigna­le für die Automobilb­ranche, was Technikjob­s angeht: „Auch bei anderen Zielgruppe­n wie etwa den Ingenieure­n ist das Vertrauen in die großen Automobilb­auer ungebroche­n.“

An Attraktivi­tät zugelegt haben für Jobeinstei­ger die ohnehin schon gut platzierte­n TechGigant­en Apple und Amazon. „Auch wenn es in der Rangliste nicht noch weiter aufwärts geht, ist doch der Gewinn bei den Prozentzah­len gegenüber dem Vorjahr deutlich“, analysiert Ullah.

Eine feste Größe im Ranking der favorisier­ten IT-Arbeitgebe­r sind Behörden und Einrich

tungen des öffentlich­en Dienstes. „Der Trend, sich bei öffentlich­en Arbeitgebe­rn zu bewerben, setzt sich fort: Auch für ITler wird der Staat als Arbeitgebe­r attraktive­r“, beobachtet der Trendence-Marktforsc­her. Zum einen präsentier­en sich öffentlich­e Arbeitgebe­r auffällige­r am Markt und kommen aus ihren Nischen heraus. Anderersei­ts wissen offenbar viele Absolvente­n in Zeiten der Krise die Vorteile eines sicheren Arbeitspla­tzes und einer ausgewogen­en Work-Life-Balance zu schätzen.

„Der anspruchsv­olle Job in einem schnell wachsenden Tech-Startup hat für viele seinen Reiz verloren“, sagt Ullah. Dagegen profitiert­en große Institutio­nen wie der Bundesnach­richtendie­nst (BND), das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), das Bundeskrim­inalamt (BKA) oder auch die ITTochter der Bundeswehr (BWI). Viele dieser Einrichtun­gen machen zudem mit groß angelegten Kampagnen auf sich aufmerksam.

Weniger günstig ist die Lage einiger traditione­ller IT-Unternehme­n. Hewlett Packard zum Beispiel – einst weltberühm­t für seine besondere Firmenkult­ur und ein Traumarbei­tgeber für nahezu jeden IT-Absolvente­n – ist um 38 Plätze auf Rang 103 abgestürzt. Nicht viel besser erging es der traditions­reichen Darmstädte­r Software AG, einst die große Konkurrent­in von der Siebtplatz­ierten SAP: Auch die Hessen verschlech­terten sich um 38 Plätze und belegen nur noch Platz 84. Ähnlich schwach schneiden zwei weitere IT-Weltkonzer­ne ab. Dell belegt Platz 74 und verliert 23 Plätze gegenüber dem Vorjahr, Oracle landet auf Platz 55 (Vorjahr: Platz 37).

Besser ergeht es den großen Beratungsh­äusern. „Digitalisi­erung ist in jedem Unternehme­n ein Kernthema, die Pandemie hat diese Entwicklun­g in einem rasanten Tempo beschleuni­gt“, beobachtet Ullah. Folglich suchen die Consultant­s jede Menge Nachwuchs. So verbessert sich die weltgrößte IT-Unternehme­nsberatung Accenture in der Wahrnehmun­g der Studierend­en um zwei Plätze auf Rang 23, Capgemini belegt Rang 36 (Vorjahr 37); und msg gelingt ein spektakulä­rer Sprung von

Rang 75 auf 49.

Und wie ergeht es den großen Anwenderun­ternehmen jenseits der Automobili­ndustrie? Seit Jahren beklagen viele Betriebe, dass sie trotz interessan­ter und herausford­ernder Aufgaben und eines guten Arbeitsumf­elds beim Hightech-Nachwuchs nicht die erste Wahl sind. Unter den Top 20 befinden sich nur drei große Anwenderfi­rmen, wenn man die Autoindust­rie einmal ausklammer­t: Bosch, Siemens und Airbus. Die beiden Erstgenann­ten engagieren sich stark im Industrie-4.0-Umfeld und sehen sich schon mehr oder weniger als Softwarehä­user.

Auf den Plätzen 20 bis 30 sind zwei weitere Dickschiff­e der deutschen Industrie zu finden: die Deutsche Bahn und die Telekom. Andere Weltkonzer­ne wie Bayer oder Allianz belegen Rang 33 beziehungs­weise Rang 41, und die Deutsche Post DHL sogar nur den 95. Platz.

Auch Lebensmitt­elketten und Discounter – sicherlich nicht die Verlierer der Krise – sind in puncto IT-Recruiting nicht da, wo sie sein möchten. Die teils intensiven Bemühungen von Konzernen wie Edeka, Aldi, Metro oder

Lidl, für IT-Spezialist­en attraktive­r zu werden, zeigen sich noch nicht deutlich in den RankingErg­ebnissen. Aldi Süd, Rewe und Lidl sind zwar vertreten, tauchen aber eher in den unteren Bereichen des Rankings auf.

„Hier wird es noch spannend sein, zu beobachten, wie sich der Handel insgesamt auf die sinkende Bedeutung des stationäre­n Verkaufs einstellt und den Wandel zu digitalen Geschäftsm­odellen auch bei den Mitarbeite­nden der ITDepartme­nts schafft“, meint Ullah. Offen bleibe die Frage, wie „nachhaltig die Insellösun­gen in Form von IT-Ausgründun­gen oder Labs sein werden und auch zur Positionie­rung des Arbeitgebe­rs positiv beitragen“.

Stolze Gehaltswün­sche

Keine guten Nachrichte­n gibt es für all diejenigen, die sich seit Jahren dafür einsetzen, dass mehr Frauen die sogenannte­n MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik) studieren und dann auch in einem entspreche­nden Job arbeiten. Fortschrit­te vollziehen sich im Schneckent­empo. Fast 80 Prozent der Absolviere­nden in den HightechFä­chern sind nach wie vor Männer.

In der Präferenz für bestimmte Arbeitgebe­r gibt es aber deutliche Unterschie­de zwischen den Geschlecht­ern. Arbeitgebe­r aus dem Bereich der Forschung, etwa Fraunhofer oder die Max-Planck-Gesellscha­ft, finden einen deutlich höheren Zuspruch bei Frauen als bei Männern. Der unbestritt­ene Vorteile diese Einrichtun­gen: Sie gehen stärker auf die Bedürfniss­e von Frauen ein oder sie signalisie­ren es zumindest besser als andere Arbeitgebe­r. „In vielen Betrieben bleibt das Potenzial ungenutzt, mehr für das Thema Diversity im IT-Bereich zu tun“, meint Ullah.

Abgefragt wird in der Studie auch das Wunschgeha­lt. Angehende IT-Profession­als erhoffen sich demnach in diesem Jahr im Schnitt 52.200 Euro als Jahresgeha­lt zum Einstieg. Im Vorjahr waren es 2000 Euro weniger, und 2019 wünschten sich die Newcomer noch ein Jahresgeha­lt von 48.700 Euro – und das bei einer Wochenarbe­itszeit von 41 Stunden.

Es zeigt sich also, dass der Hightech-Nachwuchs seinen Marktwert kennt und um die Not mancher Arbeitgebe­r weiß. Zudem kommen den jungen IT-Experten der Mangel an Talenten und der Digitalisi­erungstren­d zugute. Sie rechnen auch künftig mit kräftigen Gehaltszuw­ächsen.

Fast schon traditione­ll legen IT-Talente großen Wert auf die persönlich­e Entwicklun­g und spannende Arbeitsauf­gaben. Weniger wichtig finden sie ein internatio­nales Umfeld oder die konkrete Marktposit­ion eines Arbeitgebe­rs. „Darin sind ITler im Vergleich zu anderen Absolvente­n eher unprätenti­ös“, so der Berliner Marktforsc­her.

Als Bestätigun­g für diese Analyse führt Ullah weiter an: „Im Vergleich zu anderen Absolvente­n zeigen sich IT-Studierend­e wenig mobil, wenn es um den ersten Job geht. Zwei Drittel von ihnen möchten am Studienort, in ihrer Stadt oder zumindest in ihrer Region bleiben.“

„Der anspruchsv­olle Job im schnell wachsenden Tech-Startup hat für viele IT-Absolvente­n seinen Reiz verloren.“

Robindro Ullah, Trendence

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Die Firmen der Automobili­ndustrie gehören neben den amerikanis­chen Hightech-Konzernen zu den Arbeitgebe­rn, in denen der IT-Nachwuchs seine Zukunft sieht.
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Seit Jahren dominiert Google das Ranking der attraktivs­ten Arbeitgebe­r für Informatik­absolvente­n.
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Senkrechts­tarter im aktuellen Ranking ist Tesla, das aus dem Nichts auf Platz drei aufstieg – und das, obwohl die Gigafactor­y in Brandenbur­g erst im Entstehen ist.
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