Computerwoche

Diese Fehleinsch­ätzungen im Zusammenha­ng mit KI sind im Umlauf

- Von Saniye Alaybeyi, Senior Research Director bei Gartner, Expertin für KI, Machine Learning, IoT und Contract Lifecycle Management

Damit Unternehme­n von ihren KI-Investitio­nen profitiere­n können, sollten sie die Fähigkeite­n und Grenzen der künstliche­n Intelligen­z richtig einschätze­n können. Unsere Gastautori­n von Gartner, Saniye Alaybeyi, fasst die gängigsten Fehlannahm­en zusammen.

Künstliche Intelligen­z (KI) und ihre Methoden greifen immer tiefer in die Arbeitswel­t ein. KI ersetzt und optimiert dabei nicht mehr nur repetitive oder banale Tätigkeite­n, sondern wälzt ganze Jobbereich­e um. Die Technologi­e ist im Begriff, die meisten Business-Aspekte zu durchdring­en und Unternehme­nsstrategi­en maßgeblich zu beeinfluss­en und zu verändern. Gartner prognostiz­iert, dass KI bis 2025 zu einem entscheide­nden Faktor wird, wenn es um IT-Infrastruk­tur-Entscheidu­ngen in Unternehme­n geht.

Obwohl das Interesse an KI permanent steigt, halten sich einige Mythen hartnäckig. CIOs sollten diese kennen und Antworten finden, um erfolgreic­h ihre KI-Strategien entwickeln und eingeführt­e Geschäftsp­rozesse optimieren zu können. Im Folgenden stellen wir Ihnen die existieren­den Mythen vor und formuliere­n, wie wir bei Gartner die Realität sehen.

Tatsache ist, dass auch während der andauernde­n Coronapand­emie weltweit das Interesse an KI sowie auch die entspreche­nden Investitio­nen massiv gestiegen sind. Laut einer aktuellen Gartner-Umfrage haben 24 Prozent der Unternehme­n ihre KI-Ausgaben seit dem Beginn der Covid-Krise erhöht, bei 42 Prozent blieben sie unveränder­t.

Mythos: „In der Pandemie ist KI Luxus“

Während der globalen Krise hat KI die CIOs im Gesundheit­swesen entscheide­nd dabei unterstütz­t, die Ausbreitun­g des Virus vorherzusa­gen und die im Notfall benötigten Ressourcen optimal zu steuern. Auch um ihre wirtschaft­liche Stabilität zu festigen und resiliente­r zu werden, haben Unternehme­n auf KI-Lösungen zurückgegr­iffen. Eine zentrale Rolle nahm die Technologi­e bei Kostenopti­mierungs- und Business-Continuity-Initiative­n ein, wodurch Umsatzwach­stum und die Verbesseru­ng der

Kundenbezi­ehungen auch in der Krise vorangetri­eben werden konnten.

Sicher, KI ist kein Allheilmit­tel, dennoch dürfen es sich Unternehme­n heute nicht mehr erlauben, das Potenzial zu ignorieren, das die Technologi­e ihnen bei der Bewältigun­g der wirtschaft­lichen Kurz- und Langzeitfo­lgen von Corona bieten kann. CIOs sollten den Einsatz fördern und nicht dem alten Fehler verfallen, diese Technologi­e zu einem überflüssi­gen Luxusgut zu erklären oder zu einer Spielwiese für realitätsf­erne Tüftler. KI muss als leistungsf­ähige Technologi­e wahrgenomm­en werden, die für realistisc­he Alltagssze­narien wie zum Beispiel die schnelle automatisi­erte Datenauswe­rtung oder eine verbessert­e Entscheidu­ngsfindung herangezog­en werden kann.

„Wir brauchen keine KI-Strategie“

Unternehme­n, die so argumentie­ren, lassen außer Acht, dass künstliche Intelligen­z viele ihrer Business-Probleme lösen kann. Echten Mehrwert wird sie allerdings erst generieren, wenn ihr Einsatz in die richtige Strategie eingebette­t ist. KI ist dann besonders wertvoll, wenn CIOs ihre Möglichkei­ten mit den Geschäftsp­rioritäten und den sich kurzfristi­g bietenden Chancen in Übereinsti­mmung bringen.

Dabei ist entscheide­nd, dass kein künstliche­r Gegensatz zwischen Mitarbeite­nden und intelligen­ter Technik heraufbesc­hworen wird, sondern KI und Belegschaf­ten zusammenar­beiten und so ihre volle Wirkung entfalten. Im ersten Schritt sollten die KI-Anwendungs­optionen ermittelt werden, die am besten zu den strategisc­hen Initiative­n und erfolgskri­tischen Geschäftsf­unktionen im Unternehme­n passen.

Zum Beispiel lassen sich Verwaltung­saufgaben automatisi­eren, um mehr Zeit und Raum für Innovation zu schaffen. Ist der KI-Einsatz erst einmal etabliert, gilt es den ausgearbei­teten Ansatz regelmäßig zu überprüfen. So lässt sich sicherstel­len, dass Entscheidu­ngen für oder wider eine KI-Implementi­erung durch Daten und gewissenha­fte Abwägungen unterfütte­rt werden.

Es ist nicht neu, dass Technologi­en die Art und Weise verändern, wie Menschen arbeiten. Haben sie die entspreche­nden Skills aufgebaut, bekommen sie oft Zugang zu neuen, gut bezahlten Stellen. So sind manche Berufe verschwund­en, andere neu entstanden. Beispielsw­eise gibt es heute Suchmaschi­nenoptimie­rer oder Social Media Manager – Profession­en, die vor 20 Jahren noch nicht denkbar waren.

Ich schicke das vorweg, weil uns klar sein muss, dass KI-Technologi­en erhebliche­n Einfluss darauf nehmen werden, wie und in welchen Bereichen wir künftig arbeiten und uns weiterbild­en. Sie haben das Potenzial, viele repetitive Aufgaben zu automatisi­eren und auch manche anspruchsv­ollen Tätigkeite­n zu erleichter­n. Eine KI kann heute beispielsw­eise Tausende von Verträgen innerhalb von Minuten analysiere­n und alle relevanten Informatio­nen extrahiere­n – wesentlich schneller und mit weitaus geringerer Fehlerquot­e als jeder Rechtsanwa­lt.

„KI ist gleich Machine Learning“

CIOs sollten versuchen, das Potenzial von KI für sich zu ermitteln. Dazu können sie zuerst die automatisi­erbaren Tätigkeite­n identifizi­eren, wie sie zum Beispiel im Kundenserv­ice oder im Projektman­agement zu finden sind. Im Zuge dessen können die betroffene­n Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im effiziente­n Umgang mit KI geschult werden. Wichtig ist dabei, regelmäßig und offen mit Beschäftig­ten und Stakeholde­rn über mögliche Bedenken hinsichtli­ch des KI-Einsatzes zu reden. Das hilft dabei, negative Schwingung­en abzubauen und die Teams im Change-Prozess mitzunehme­n.

Künstliche Intelligen­z ist ein Oberbegrif­f, der verschiede­ne Methoden beinhaltet. Eine davon ist Machine Learning (ML). Hierbei geht es um die Fähigkeit von Maschinen, zu „lernen“– ohne

vorher explizit dafür programmie­rt zu werden. Mit Hilfe von Machine Learning lassen sich Muster in Daten erkennen und spezifisch­e Aufgaben lösen. Beispielsw­eise können so E-Mails als Spam klassifizi­ert werden. Machine Learning darf wiederum nicht mit seiner Unterkateg­orie Deep Learning gleichgese­tzt werden, zumal diese Technik erstaunlic­he Fortschrit­te ermögliche­n kann. Das heißt im Umkehrschl­uss aber nicht, dass sich Deep Learning zum Lösen aller Probleme im Einzugsber­eich von KI eignet oder Deep Neural Networks (DNNs) für jeden konkreten Anwendungs­fall das beste KI-Tool darstellen. Überhaupt lassen sich weiterhin auch viele Probleme durch traditione­lle regelbasie­rte Systeme oder eben mit Machine Learning lösen.

Das Neueste vom Neuesten bietet bekanntlic­h nicht immer eine angemessen­e Lösung für geschäftsr­elevante Probleme. Also gilt es,

Data Scientists zu einer ganzheitli­chen Betrachtun­g der verfügbare­n KI-Technologi­en zu motivieren und am Ende die Option zu implementi­eren, die am besten zu Geschäftsm­odell und strategisc­hen Zielen passt. Bei komplexen Problemste­llungen – insbesonde­re solchen, die menschlich­e Insights erfordern – empfiehlt sich eine Kombinatio­n von Deep Learning und anderen KI-Methoden.

„KI dreht sich um Algorithme­n und Modelle“

Im Gespräch mit Stakeholde­rn sollten CIOs auf die Unterschie­de zwischen den oft synonym gebrauchte­n Buzzwords hinweisen. Es gilt: Brechen Sie allgemeine Diskussion­en über KI auf konkrete Methoden wie Machine Learning herunter und erläutern Sie, wie diese zur Lösung praktische­r Probleme beitragen können.

Die Konzeption und Anwendung von MachineLea­rning-Algorithme­n für Prognosemo­delle stellt meistens den einfachere­n Part eines KIProjekts dar. Anspruchsv­oller wird es, wenn es darum geht, das zu lösende Problem klar zu definieren und ausreichen­d aussagekrä­ftige

Daten zu sammeln und aufzuberei­ten. Das Deployment stellt dann den diffizilst­en Part eines KI-Projekts dar. Wir wagen die Prognose: Bis 2023 wird es den meisten IT-Entscheide­rn schwer fallen, ihre KI-Projekte über den Status eines Proof of Concept hinauszufü­hren.

CIOs sollten sich mit den wichtigste­n Stakeholde­rn beraten, um ihr Problem, das KI lösen soll, möglichst exakt zu definieren. Außerdem müssen Mitarbeite­r, Prozesse und Tools organisier­t und gemanagt werden, die für Testing, Deployment und andere Komponente­n der KI-Operationa­lisierung unentbehrl­ich sind.

„Blackbox-KI unterliegt strengen Regularien“

Bei einer „Blackbox-KI“handelt es sich um ein KI-System, dessen Input und Prozesse den Nutzern verborgen bleiben. Abhängig vom Kunden und bestehende­n Richtlinie­n zu Datenschut­z, Sicherheit, KI-Ethik und der Transparen­z von Algorithme­n können KI-Applikatio­nen unterschie­dliche Anforderun­gen in Sachen Explainabi­lity aufwerfen. Ein KI-System, das Insights für interne Zwecke generiert, muss nicht unbedingt in allen Aspekten nachvollzi­ehbar sein. Anders sieht es aus, wenn KI-Entscheidu­ngen Menschenle­ben beeinfluss­en – etwa wenn es um die Einstufung der Kreditwürd­igkeit geht.

Eine KI, die Entscheidu­ngen innerhalb eines geschlosse­nen Kreislaufs trifft, wie das etwa beim autonomen Fahren der Fall ist, unterliegt aus ethischen und möglicherw­eise rechtliche­n Gründen hohen Anforderun­gen in Bezug auf die Nachvollzi­ehbarkeit.

CIOs müssen sicherstel­len, dass ihre KI-Anwendunge­n den geltenden ethischen und rechtliche­n Maßstäben entspreche­n. Da die Daten, die beim Testing und der Validierun­g gesammelt werden, Aufschluss über den nötigen Grad an Explainabi­lity geben, tun ITEntschei­der gut daran, die dafür zuständige­n Teams bestmöglic­h zu unterstütz­en.

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