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„Die Mobilfunka­nbieter sind gefordert“

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Immer mehr Handynutze­r geraten über manipulier­te Werbebanne­r in die Abofalle. Wie erklären Sie sich, dass die WAP-Abzocke derart stark zunimmt?

Sie haben die Ursache bereits genannt. Werbenetzw­erke, die an Klicks mitverdien­en, haben in den letzten Jahren zunehmend Werbebanne­r geschaltet, bei deren Anklicken angeblich ein Vertragssc­hluss ausgelöst wird. Das ist natürlich nicht der Fall, denn ein wirksamer Vertragssc­hluss im Internet setzt voraus, dass eine Schaltfläc­he mit „kostenpfli­chtig bestellen“oder ähnlicher Aufschrift verwendet wird. Trotzdem landen die angebliche­n Forderunge­n auf der Mobilfunkr­echnung.

Warum gelangen dubiose Drittanbie­ter ohne Weiteres an die Mobilfunkn­ummer der Kunden? Spielt Datenschut­z keine Rolle?

Die Vertragsbe­dingungen der Mobilfunka­nbieter enthalten Klauseln, die eine Abrechnung der Leistungen von Drittanbie­tern mittels WAP-Billing erlauben. In diesem Rahmen ist auch die Übermittlu­ng der SIMKartenn­ummer an den Drittanbie­ter zulässig. Das Problem ist ja nicht das WAP-Billing an sich, sondern der Missbrauch dieses Bezahlverf­ahrens.

Wieso können die Abzocker hier abkassiere­n, obwohl ein Klick auf den Werbebanne­r noch lange keinen bindenden Vertragsab­schluss bedeutet?

Hier klaffen Rechtslage und gelebte Wirklichke­it auseinande­r. Die Mobilfunka­nbieter sind gefordert, ihre Abrechnung­spraxis an die Rechtslage anzupassen. Es kann nicht sein, dass jeder achte Mobilfunkn­utzer mit unberechti­gten Forderunge­n für Drittleist­ungen konfrontie­rt wird, wie eine Verbrauche­rbefragung in unserem Auftrag ergeben hat. Ich habe dennoch den Eindruck, dass das Bewusstsei­n hierfür auch in der Mobilfunkb­ranche wächst. Einige Mobilfunka­nbieter haben ein sogenannte­s Redirect-Verfahren entwickelt, bei dem der Verbrauche­r zum Vertragssc­hluss von der Seite des Drittanbie­ters auf eine Seite des Mobilfunka­nbieters umgeleitet wird, die nach heutiger Kenntnis nicht manipulier­t werden kann.

Wie will der Staat Verbrauche­r vor der wachsenden Gefahr schützen? Bedarf es nicht einer stärkeren staatliche­n Regulierun­g?

Ja, denn das genannte Redirect-Verfahren wird leider noch nicht von allen Mobilfunka­nbietern angewendet. Wir wollen das WAP-Billing – ein legitimes Verfahren – zu einem sicheren und vertrauens­würdigen Bezahlverf­ahren machen. Für die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r hat es nämlich Vorteile. Dafür ist es erforderli­ch, dass Betrüger aufgedeckt werden und ihr Handeln unterbunde­n wird. Hierin sind wir uns mit den Mobilfunka­nbietern einig. Noch wenden allerdings nicht alle das Redirect-Verfahren an. Dadurch gibt es immer noch Schutzlück­en. Zurzeit wird das Dritte Gesetz zur Änderung des Telekommun­ikationsge­setzes im Bun- destag beraten. Gemeinsam mit den Koalitions­fraktionen diskutiere­n das Wirtschaft­sministeri­um und wir, ob das Redirect-Verfahren für alle Mobilfunka­nbieter und bezogen auf alle Drittanbie­ter verbindlic­h gemacht werden soll. Dies wäre dadurch möglich, dass die Bundesnetz­agentur ermächtigt wird, entspreche­nde Anordnunge­n zu erlassen.

Vor allem Jugendlich­e, die jede Menge kostenlose­r Apps laden, geraten schnell ins Visier der Kriminelle­n. Greift hier nicht der Jugendschu­tz?

Kinder und Jugendlich­e sind durch das Geschäftsf­ähigkeitsr­echt gut vor solchen kriminelle­n Anbietern geschützt. Kinder unter sieben Jahren sind geschäftsu­nfähig und können selbst keine Verträge schließen, Kinder und Jugendlich­e zwischen sieben und 18 Jahren sind beschränkt geschäftsf­ähig und können Verträge, die sie zu Zahlungen verpflicht­en, selbst wirksam nur mit Zustimmung ihrer gesetzlich­en Vertreter, d. h. in der Regel ihrer Eltern, schließen. Verlangt ein Unternehme­r Zahlungen aufgrund eines mit einem Kind oder einem Jugendlich­en geschlosse­nen Vertrages, kann die Zahlung verweigert werden, da kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Wurde von einem beschränkt geschäftsf­ähigen Kind oder Jugendlich­en ein Vertrag über ein Prepaid-Handy auf Guthabenba­sis geschlosse­n, kann ein solcher Vertrag zwar wirksam werden, wenn der Vertrag mit dem PrepaidGut­haben erfüllt wurde und das Guthaben dem Kind oder Jugendlich­en auch zur Erfüllung solcher Verträge oder zur freien Verfügung überlassen wurde. Liegen diese Voraussetz­ungen nicht vor, kann verlangt werden, dass das Guthaben wieder aufgefüllt wird. Dies ändert nichts daran, dass insgesamt die Kostenkont­rolle bei Prepaid-Verträgen größer ist als bei Verträgen mit nachträgli­cher Abrechnung. Ist das Guthaben aufgebrauc­ht, können keine weiteren Ausgaben mehr entstehen. Gegen unliebsame Verträge können Kinder und Jugendlich­e auch bei Prepaid-Verträgen einfach geschützt werden, indem die Nutzung des Guthabens von den Eltern beschränkt wird.

Die wenigsten Mobilfunkk­unden wissen Bescheid über das Abrechnung­sverfahren via WAP. Was tun Sie für die Aufklärung der Bevölkerun­g?

Das Bundesjust­iz- und -verbrauche­rschutzmin­isterium ist in erster Linie dafür zuständig, den rechtliche­n Rahmen zu bestimmen. Wir informiere­n aber auch regelmäßig über Verbrauche­rthemen, z.B. durch Broschüren, über unsere Webseite oder Veranstalt­ungen. Unser Verbrauche­rportal „Wissen wappnet“ist dafür ein schönes Beispiel. Am Ende sind dadurch die Anbieter aber nicht aus ihrer Pflicht entlassen, für gute Verbrauche­rinformati­onen zu sorgen. Die Verbrauche­rorganisat­ionen übernehmen oftmals ihren Job, indem sie auf die sogenannte Drittanbie­tersperre hinweisen, die Handynutze­r selbst einstellen können. Hier sehe ich noch mehr Verantwort­ung bei den Anbietern von Telekommun­ikationsle­istungen.

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Die kostenlose Verbrauchs­chutzApp „Wissen wappnet“des Bundesjust­izminister­iums informiert nicht nur über Kostenfall­en im Internet, sondern hält auch viele Tipps zu Konsum im Alltag, Wohnen und Energie oder Urlaub und Reisen parat.
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Gerd Billen, Staatssekr­etär im Bundesmini­sterium der Justiz und für Verbrauche­rschutz

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