ZEITENWENDE
Klar, ich sitze als Mitglied der connect quasi im Auge des Telekommunikationsorkans und dürfte eigentlich nicht von der Kraft überrascht sein, mit der sich das Smartphone auch abseits des Büroalltags in mein Leben einmischt: So gibt’s fast keinen Restaurantbesuch mehr, der vorher nicht von Tripadvisor abgesegnet wurde, den regelmäßig unter Erwartung liegenden Kontostand nennt mir meine S-Finanz-App, uninteressante E-Mails wische ich schon beim Frühstück beiseite, bei der Wahl meiner Kleidung richte ich mich nach Weather Pro, Musik streame ich statt sie zu besitzen, Orientierung in der Stadt verschafft mir Google Maps und statt auf meine antiquierte Werksnavi vertraue ich auf Tomtom, um den Weg zu finden. Womit ich fotografiere, per Klick einkaufe oder die Spielstände zum Saisonfinale der Bundesliga abrufe, muss da wohl nicht erwähnt werden.
Bin ich jetzt Sklave meines Smartphones, habe ich die derzeit gern zitierten Gefahren nicht erkannt? Vielleicht, aber es stört mich nicht. Schließlich schenkt mir mein Smartphone Zeit: Ich muss nicht mehr im veralteten und unvollständigen Restaurantführer suchen, keine Kontoauszüge abholen, unvorbereitet ohne Regenjacke dastehen oder nach CDs suchen, die vergriffen oder nicht vorrätig sind. Und ehrlich, als Orientierungslegastheniker empfinde ich keinerlei Schmerz dabei, wenn ich mich nicht mehr mit dem guten alten Falk-Stadtplan wie ein Derwisch im Kreis drehen muss, um eine Adresse zu finden.
Und was mache ich mit der Zeit, die mir mein Smartphone schenkt? Neulich stand beispielsweise mountainbiken auf der Liste – allerdings ohne Mountain, um ehrlich zu sein. Und was bemerkte ich da? Die Tour habe ich auf Basis meiner Zeitvorgabe von Komoot planen und mich wieder mal von der Präzision und Detailtiefe der Navigationsdaten begeistern lassen. Ganz nebenbei hat mein Smartphone dann noch den Radcomputer verdrängt, der lust-, batterie- und informationslos am Lenker klemmte und nach der Tour von mir demontiert wurde. Früher, ja früher, da war das Ding state of the art. Es konnte barometrisch kompensiert – und vor jedem Fahrtantritt neu kalibriert – ungefähr die bewältigten Höhenmeter und die ungefähre Geschwindigkeit sowie Distanz bestimmen. Das kann mein Smartphone heute auch, nur nicht ungefähr, sondern genau.
Wer sagt da, dass früher alles besser war? Ich würde mich über Ihre Kommentare an redaktion@connect.de sehr freuen.