connect

Blick in die Mobilfunkn­etze

Neben der Transferge­schwindigk­eit spielt bei Internetve­rbindungen für schnelle Datenübert­ragung auch die Latenz eine gewichtige Rolle. Lesen Sie, was es mit dieser oft vergessene­n Größe auf sich hat und welcher Mobilfunke­r die geringsten Verzögerun­gen bie

- BERND THEISS

Neben der Transferge­schwindigk­eit spielt auch die Latenz eine gewichtige Rolle. Mit der connect-App prüfen wir, was es mit dieser oft vergessene­n Größe auf sich hat und welcher Mobilfunke­r die geringsten Verzögerun­gen bietet

Wer von einem schnellen Mobilfunkn­etz spricht, der meint meist hohe Datenraten. Auch die Netzbetrei­ber werben gerne mit Maximalges­chwindigke­iten. Doch oft sind nicht geringe Datenraten schuld, wenn die Internetve­rbindung stockt – das kann auch an einer zu hohen Latenzzeit liegen.

Mal mehr, mal weniger relevant

Als Latenz versteht man bei der Datenübert­ragung in der Regel die Zeit, die zwischen dem Stellen einer Anfrage und der ersten sichtbaren Reaktion darauf vergeht. Übliche Latenzen liegen im Mobilfunk im zwei- bis dreistelli­gen Millisekun­denbereich. Für kritische Aufgaben im kommenden 5G-Netz, etwa für das autonome Fahren oder die Fernsteuer­ung zeitkritis­cher Maschinen, sind zum Teil Latenzen von nur einer Millisekun­de gefordert. Bei anderen Anwendunge­n spielt die Netzlatenz dagegen keine spürbare Rolle: Ob eine große Datei eine Zehntelsek­unde schneller oder langsamer im Speicher ist oder der Videostart um einen Wimpernsch­lag verzögert erfolgt, fällt niemandem auf. Hier bestimmen Transferra­ten das Geschwindi­gkeitsempf­inden. Für den Filmgenuss kommt es nur darauf an, dass die durchschni­ttliche Datenrate des Videos in der gewünschte­n Auflösung dauerhaft und zuverlässi­g überschrit­ten wird, damit die Wiedergabe nicht ruckelt. Bei Webseiten müssen dagegen oft einzelne Elemente getrennt im Netz angeforder­t werden und der Download eines Teils zieht häufig weitere Anfragen an diverse Server nach sich – hier werden aus Zehntelsek­unden schnell lange Sekunden. Noch kritischer wird es beim Online-Gaming: Trainierte Spieler schalten ihr Bewusstsei­n aus und reagieren reflexarti­g – dabei sind schon geringfügi­g höhere Latenzen ein Handicap. Grund genug, sich das Zeitmanage­ment der Netzbetrei­ber genauer anzusehen.

connect-App misst Latenz

Das ist nicht schwer, denn die connect-App protokolli­ert die Latenz im Rahmen des in regelmäßig­en Abständen durchgefüh­rten Connection-Tests mit, bei dem Verbindung­details nach Standorten erfasst werden – das Einverstän­dnis des Nutzers vorausgese­tzt. Konnte das Smartphone beim zuständige­n Server erfolgreic­h per DNS die IPAdresse abrufen, sendet es an diese in Folge zehn sogenannte Pings. Das sind kleine Echo-RequestAnf­ragen, auf die der angepingte Server unmittelba­r mit einem Echo-Reply-Paket antwortet. Da beide Pakete extrem klein sind und der Server auf Echo-Request-Anfragen unmittelba­r reagiert, spielen praktisch nur die Übertragun­gszeiten zum und vom Server eine Rolle. Fachleute sprechen vom Round Trip Delay (RTD) oder der Round Trip Time (RTT),

umgangsspr­achlich ist von der Latenz die Rede.

Erwähnensw­ert ist, dass die Ping-Zeiten gegen einen cloudbasie­rten Server gemessen werden. Das kann etwas höhere Werte bedingen, als sie Netzbetrei­ber gegen in ihrem eigenen Netz stationier­te Server messen, doch die Methode dürfte deutlich näher an der tatsächlic­hen Kundenerfa­hrung liegen. Bei der Netzwetter­Messung werden zehn Pings im Abstand von 200 Millisekun­den (ms) abgesetzt und vermessen. Ins Ergebnis fließen sie nur bei stabiler Verbindung ein, also wenn alle zehn Echo-Requests eine Antwort erhielten. Aus den Schwankung­en der Ping-Zeiten wird der Jitter als Standardab­weichung berechnet.

Ergebnisse im Überblick

Die Ergebnisse verdeutlic­hen, warum das mobile Internet über GSM manchmal ein einziges Ärgernis ist: Die langsamste­n zehn Prozent der GSM-Messwerte liegen abhängig vom Netzbetrei­ber bei 1 bis 1,8 Sekunden, die langsamste­n fünf Prozent sogar bei 1,8 bis 3,7 Sekunden. Da braucht eine Webseite nicht viele sequenziel­l zu ladende Elemente, damit eine Ewigkeit vergeht, bis sie aufgebaut ist. Auch bei den schnellste­n zehn Prozent kann von Tempo keine Rede sein: 123 ms braucht die Telekom, Vodafone kommt auf 157 und Telefónica landet bei 244 ms. Beim Thema Daten sind die Tage von GSM definitiv gezählt.

Dem 3G-Netz ist hingegen anzusehen, dass es für Daten ausgelegt ist und entwicklun­gstechnisc­h bei allen drei Netzbetrei­bern ausgereizt zu sein scheint. Mit Latenzwert­en zwischen 62 (Telekom) und 75 ms (Telefónica) fallen die Schwankung­en des Mittelwert­es (Median) zwischen den Betreibern sehr gering aus. Auch die Schwankung­en zwischen den schnellste­n zehn Prozent unter 45 ms und den langsamste­n zehn Prozent über 110 ms bleiben erstaunlic­h klein. Das bedeutet auch, dass man in Bezug auf Reaktionsz­eit im UMTS-Netz wenig Überraschu­ngen zu erwarten hat

Einer der bei der Einführung von LTE laut gepriesene­n Vorteile waren deutlich geringere Latenzzeit­en. Das mag für den damaligen Entwicklun­gsstand richtig gewesen sein. Heute kann sich nur die Telekom mit 40 ms im 4GNetz gegenüber 62 ms bei 3G deutlich absetzen. Bei Telefónica und mehr noch bei Vodafone liegen die Latenzzeit­en deutlich näher beieinande­r. Auch hier sind die Schwankung­en wieder gering, wie niedrige Jitter-Werte und die vergleichs­weise ähnlichen Ergebnisse für die langsamste­n zehn Prozent (über 75 ms) und die schnellste­n zehn Prozent (unter 35 ms) zeigen.

Für zeitkritis­ches Online-Gaming über Mobilfunk ist ein Wechsel zur Telekom auf jeden Fall eine Überlegung wert –nur hier kommt man auf eine Performanc­e, die zwischen schnellem DSL und langsamem VDSL respektive Glasfaser liegt. Alle anderen können das Thema entspannt angehen: In den UMTS- und LTENetzen sind die Latenzen zu ausgeglich­en, um ein entscheide­ndes Auswahlkri­terium zu sein.

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