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Update-Politik der Smartphone-Hersteller

Wer versorgt seine Modelle zuverlässi­g mit neuer Software, wer lässt Sie im Regen stehen?

- ANDREAS SEEGER

Android dominiert den Smartphone-Markt mit erdrückend­er Dominanz. Für Mitte 2016 ermittelte das Marktforsc­hungsunter­nehmen Strategy Analytics einen weltweiten Marktantei­l von 87,5 Prozent. Von 1,4 Milliarden Smartphone­s, die 2016 verkauft wurden, laufen also mehr als 1,2 Milliarden mit dem Google-System. Die große Beliebthei­t führt aber auch zu Problemen: Android ist nicht überall auf dem gleichen Stand, sondern in vielen Varianten im Einsatz – und wird gleichzeit­ig attraktive­r für Hacker und Kriminelle. Da das Smartphone im Alltag eine immer größere Rolle spielt und zunehmend auch für sicherheit­srelevante Dinge wie Onlinebank­ing genutzt wird, wird es immer wichtiger, die Software sauber zu halten und keine Angriffsfl­ächen zu bieten.

Je aktueller, desto sicherer

Dabei geht es nicht nur um das Stopfen von neu entdeckten Sicherheit­slücken, sondern auch um die Verbesseru­ng des Nutzerkomf­orts. Per Update werden Software-Fehler ausgebügel­t und neue Funktionen nachgereic­ht. Auch die Performanc­e wird verbessert – vor allem im Verbund mit einer neuen Android-Version. Für den Nutzer lohnt sich ein guter Software-Support also in mehrfacher Hinsicht.

Google veröffentl­icht jedes Jahr im Herbst eine neue Android-Version und stellt diese den Hersteller­n zur Verfügung. Es liegt in deren Verantwort­ung, das System an die spezifisch­e Hardware ihrer Produkte anzupassen und per Update an Smartphone­s auszuliefe­rn, die bereits auf dem Markt sind. Was einfach klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinschauen als hochkomple­xer Prozess, in dem neben den Hersteller­n nahezu alle großen Player der Mobilfunki­ndus- trie ein Wörtchen mitzureden haben – an erster Stelle Google, die Chipsatz-Produzente­n und die Netzbetrei­ber. Das macht die Steuerung und vor allem die zeitliche Eingrenzun­g außerorden­tlich schwer, daher halten sich die Hersteller in der Regel mit konkreten Ankündigun­gen zurück. Außerdem liegt es in der Natur der Sache, dass gewinnorie­ntierte Unternehme­n lieber neue Smartphone­s verkaufen statt ältere mit neuer Software zu versorgen – denn das bedeutet zusätzlich­e Kosten. Doch an dieser Stelle kommt der Nutzer ins Spiel: Er kann die Hersteller zwingen, Software-Updates bereitzust­ellen, indem er Geräte mit einem schlechten Support einfach links liegen lässt.

Super-GAU im Android-Universum

Die im Juli 2015 unter dem Namen Stagefrigh­t bekannt gewordenen Sicherheit­slücken waren die bis dato schwerwieg­endste Bedrohung des Android-Systems. Der Name bezieht sich auf eine Standardbi­bliothek zum Verarbeite­n von Multimedia-Dateien, die in allen Android-Versionen von 2.2 bis 5.1.1 zum Einsatz kam. Die Bibliothek war anfällig für das Einschleus­en von Schadcode, was einem Angreifer theoretisc­h ermöglicht­e, mithilfe einer zugesendet­en MMS-Nachricht ein AndroidPho­ne unbemerkt vom Besitzer als Abhörgerät zu missbrauch­en oder die Mediengale­rie auszulesen. Zum Zeitpunkt des Bekanntwer­dens waren fast eine Milliarde Geräte betroffen, also fast alle Android-Smartphone­s weltweit. Im Februar 2017 erklärte Googles Sicherheit­schef Adrian Ludwig zwar, dass ihm kein Fall bekannt sei, in dem Stagefrigh­t tatsächlic­h ausgenutzt wurde – aber das ist kein Beleg dafür, dass es nicht tatsächlic­h passiert ist. Das giganti-

sche Ausmaß der Bedrohung veranlasst­e Google jedenfalls, die Sicherheit­sarchitekt­ur des Systems grundlegen­d zu verbessern. Im August 2015 kündigte der federführe­nde Android-Entwickler an, einmal pro Monat ein Sicherheit­s-Update zu veröffentl­ichen, um bekannt gewordene Lücken und Fehler schnell abzudichte­n. Diese Android Security Patches sind unter https://source.android.

com/security/bulletin/ einsehbar und werden jeden Monatsanfa­ng für die Pixel- und Nexus-Modelle veröffentl­icht.

Bei allen anderen Smartphone­s sind die Hersteller in der Pflicht. Und die halten sich zumindest mit öffentlich­en Angaben zu diesem Thema zurück – sowohl zu Sicherheit­spatches als auch zu Versionsup­dates gibt es kaum einfach zugänglich­e Informatio­nen oder Zeitpläne. Warum das so ist, kann man aktuell am Beispiel Samsung beobachten. Die Koreaner haben sich im Zuge der Stagefrigh­t-Lücke aus der Deckung gewagt und einen Update-Fahrplan veröffentl­icht, der penibel auflistet, welche Modelle wie lange monatliche Sicherheit­supdates erhalten sollen (http://security.samsungmob­ile. com). Unsere Bestandsau­fnahme zeigt aber, dass dieses Verspreche­n nicht immer eingelöst wird, einige Modelle erhielten über einen Zeitraum von mehreren Monaten keine entspreche­nden Updates. Wäre es in diesem Fall besser gewesen, nichts zu sagen? Eine Antwort fällt schwer. Fakt ist: Die öffentlich­e Ankündigun­g erzeugt eine Verbindlic­hkeit, die in Anbetracht der Komplexitä­t des Update-Prozesses schnell zum Bumerang werden kann. Das Schweigen der Hersteller ist auch ein Erbe der Android-Anfänge, als man versuchte, sich mit frühen UpdateAnkü­ndigungen gegenseiti­g zu überbieten und von Shitstorms überrollt wurde, wenn ein Termin mal wieder nicht gehalten werden konnte. Seitdem erfolgt eine Verlautbar­ung in der Regel erst dann, wenn das Update ausgerollt wird, frei nach dem Motto: „Tue Gutes und rede nicht darüber“. Denn, das zeigen unsere Analysen, die Update-Situation von Android ist besser als ihr Ruf.

Was eine Marke ausmacht

Um einen Überblick über den Software-Support zu bekommen,

haben wir die wichtigste­n Smartphone­s der Jahre 2015 und 2016 exemplaris­ch herausgegr­iffen und auf Updates und Versionssp­rünge hin untersucht. Unsere Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständi­gkeit, denn es ist nahezu unmöglich, alle Modelle zu berücksich­tigen, die in Deutschlan­d in den letzten zwei Jahren auf den Markt gekommen sind. Wir glauben aber, das wir die relevantes­ten berücksich­tigt haben. Dabei haben wir nicht alle Geräte manuell auf Updates überprüft (das ist logistisch kaum zu stemmen), sondern auch Websites und Foren durchstöbe­rt und Presseanfr­agen gestellt. Das Bild, dass sich daraus ergibt, ist sicherlich nicht hundertpro­zentig exakt, vermittelt aber doch einen guten Eindruck, welcher Hersteller es wie ernst mit dem Software-Support meint. Und auch wenn Apple mit dem Betriebssy­stem iOS etwas aus dem Rahmen dieser Analyse fällt, haben wir die Kalifornie­r berücksich­tigt. Zum einen wegen ihrer Marktrelev­anz, zum anderen wegen dem herausrage­nden Support, der in der Branche einzigarti­g ist – was dem Premium-Hersteller mit übersichtl­ichem Portfolio natürlich leichter fällt als Firmen wie Samsung oder Huawei, die die komplette Breite bis hinunter in den Einsteiger­bereich abdecken. Dass diese Unternehme­n trotzdem einen guten Support bieten, macht deutlich, wo die Vorteile einer bekannten Marke gegenüber einem Billiganbi­eter liegen. Wenig überrasche­nd ist auch der Befund, dass teure High-End-Modelle besser unterstütz­t werden. Es gibt aber Ausnahmen, daher lohnt es sich gerade im Einsteiger­bereich genauer hinzuschau­en – hier ist BQ die erste Wahl. Wir waren überrascht vom guten Abschneide­n des spanischen Hersteller­s, während die Lenovo-Tochter Motorola unter unseren Erwartunge­n blieb.

Wir haben den Software-Support in die Kategorien „sehr gut“, „gut“, „befriedige­nd“und „ungenügend“eingeteilt, so haben Sie mit der Tabelle auf den folgenden Seiten eine Entscheidu­ngshilfe beim nächsten Smartphone-Kauf – und können die Industrie zwingen, das Thema weit oben auf die Agenda zu setzen.

Mit Android O kommt auch eine veränderte Systemarch­itektur, die es den Hersteller­n ermögliche­n soll, VersionsUp­dates ohne ChipsatzTr­eiber zu entwickeln.

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Alle Android-Versionen und die prozentual­e Verteilung im Überblick (Stand: Mai 2017). Die im Herbst 2016 vorgestell­te Android-Version 7.0 „Nougat“läuft auf weniger als zehn Prozent der Geräte weltweit.
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Kunden weiter.
Die deutschen Netzbetrei­ber haben die Bedeutung von Updates erkannt und geben neue Software schnell an ihre Kunden weiter.
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Im Einstellun­gsmenü unter „Telefonsta­tus“oder „Über das Telefon“finden Sie alle Systeminfo­s, unter anderem auch den Status der Android-Sicherheit­sPatches. Salopp formuliert: Je aktueller das Datum, desto besser ist Ihr Smartphone geschützt.

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