All-IP-Umstellung
Die nächste Stufe der All-IP-Umstellung heißt „BNG“. Zunehmend werden TelekomKunden darauf hingewiesen, dass für ihre Anschlüsse abermals ein Technikwechsel ansteht. Was steckt dahinter und welche praktischen Auswirkungen hat BNG?
Die nächste Technologiestufe im TelekomFestnetz heißt BNG. Wir erklären, was Kunden über die Umstellung wissen müssen und was sie davon haben
Die Umstellung von Telekom-Festnetzanschlüssen auf die neue All-IP-Technik läuft auf Hochtouren. Dennoch könnten Klienten der Bonner den Eindruck gewinnen, als ob unter dem Stichwort „BNG“schon wieder der nächste Technikwechsel vor der Tür stünde. Kunden, die die IP-Umstellung gerade hinter sich haben, werden in letzter Zeit zunehmend per Brief darauf hingewiesen, dass für ihren Anschluss eine abermalige Neuerung ansteht. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Thema jedoch eher um einen zweiten Schritt in der All-IP-Migration – mit derzeit noch deutlich weniger sichtbaren Folgen.
IP-Umstellung liegt laut Telekom im Zeitplan
Zur Erinnerung: Bis Ende 2018 will die Telekom alle bestehenden ISDN-Anschlüsse (und im Übrigen auch konventionelle Analogleitungen) auf All-IP umgeschaltet haben. Im April 2017 meldete der Konzern, dass schon rund 45 Prozent der betroffenen Anschlüsse migriert seien. Pro Woche würden derzeit rund 80 000 Anschlüsse umgestellt, bereits 14 Millionen Kunden verfügten laut Telekom im April über einen IP-basierten Anschluss. Hochgerechnet von diesen Angaben dürfte die Deutsche Telekom in diesen Wochen das Bergfest ihrer All-IP-Migration feiern. Die Absicht, die verbliebene zweite Hälfte in den nächsten 18 Monaten zu schaffen, scheint vor diesem Hintergrund zwar nach wie vor ambitioniert – die Telekom gibt aber an, voll in ihrem Zeitplan zu liegen.
Dabei ist der Bonner Konzern nicht der einzige Festnetzbetreiber, der auf All-IP umstellt. Allerdings haben die Mitbewerber der Telekom bislang keine konkreten Zahlen veröffentlicht. Doch weil viele von ihnen TelekomLeitungen oder -Vorleistungsprodukte vermarkten, dürfte der Trend auch für sie gelten: Die Umstellung schreitet schnell voran, ein guter Teil der Betroffenen wurde bereits auf die neue Technik-Plattform migriert. Erfreulich ist dabei, dass diese Umstellung zunehmend rund zu laufen scheint. Zumindest melden sich – anders als zu Beginn der Kampagne – nur noch wenige connect-Leser mit Problemberichten bei der Redaktion. Technik und Prozesse der IP-Umstellung scheinen nun also weitgehend problemlos funktionieren.
Austausch älterer Geräte unvermeidlich
Besitzer älterer Router müssen auf ein moderneres Gerät umsteigen, das auch an dem neuen Anschlusstyp funktioniert. Wird aus diesem Grund eine Neuanschaffung erforderlich, unterstützt sie die Telekom mit einer Zuzahlung. Sollen vorhandene ISDN-Telefone weiter genutzt werden, braucht man einen Router mit interner ISDN-Buchse oder einen separaten ISDN-Adapter. Beide Lösungsvarianten übersetzen zwischen dem alten ISDN- und dem neuen Internet-Protokoll (IP). Wer in neue Schnurlostelefone investiert, die den Funkstandard CAT-iq 2.0 unterstützen, kann am All-IP-Anschluss von der höheren Sprachqualität durch „HD-Telefonie“profitieren. Voraussetzung ist, dass auch der Angerufene ebenfalls über einen IP-Anschluss und ein HD-taugliches Endgerät verfügt. Mit zunehmendem Voranschreiten des IP-Ausbaus steigt die Wahrscheinlichkeit dafür.
Nächste Ausbaustufe im All-IP-Festnetz: BNG
An diesen Voraussetzungen beziehungsweise Konsequenzen der All-IP-Umstellung ändert sich durch „BNG“nichts. Was also steckt überhaupt hinter dieser abermaligen Adaptierung der betroffenen Anschlüsse?
Mit BNG (Broadband Network Gateway) stellt die Telekom die Anschlussknoten innerhalb ihres IP-Netzes auf eine modernere und leistungsfähigere Plattform um. Betroffen ist die „Gegenstelle“des Routers in der Vermittlungsstelle beziehungsweise hinter den für VDSL genutzten Outdoor-DSLAMs (DSL
Access Multiplexer, im Telekom-Slang auch „Multifunktionsgehäuse“genannt). Bei der bisherigen Netzstruktur werden die IP-Pakete von den einzelnen Anschlussknoten über mehrere Aggregationsknoten zum IP-Backbone des Telekom-Netzes und schließlich zu den providerübergreifenden Internetknoten geleitet. Die mit BNG eingeführte neue Netzstruktur ersetzt die zum Teil mehrfach hintereinander geschalteten Aggregationsknoten (siehe auch Abbildung auf Seite 83). Sie führt alle Signale der IP-basierten Sprach- und Internetverbindungen zusammen und leitet sie dann über Glasfaserleitungen mit hoher Kapazität direkt ins Kernnetz weiter.
Diese Vereinfachung soll das Telekom-Festnetz flexibler und gleichzeitig stabiler machen – durch die Reduktion der beteiligten Komponenten fallen mögliche Fehlerquellen weg, und die schlankere Netzstruktur beschleunigt den Transport der Datenpakete. Noch wichtiger sind aber die Verbesserungen, die sich die Telekom von BNG für ihre internen Abläufe verspricht: Werden Änderungen an einem Anschluss nötig – etwa durch Umzug oder Tarifwechsel – sollen die Telekom-Techniker diese dank der neuen Technik in kürzerer Zeit und mit weniger Aufwand realisieren können.
Dabei kommt eine wichtige Neuerung von BNG zum Tragen, die bei der Telekom „Easy Login“heißt: Mit BNG ist es nicht mehr nötig, dass sich der Kunde über eine Anschlusskennung und ein Passwort am Netz anmeldet. Über die Identifikation der Zugangsleitung („Line-ID“) erkennt das Netz den Teilnehmer vielmehr automatisch. Alle vom Kunden gebuchten Dienste wie Telefonieren per IP, Surfen oder auch das IP-TV-Angebot Entertain TV stehen dann nach dem erfolgreichen Aufbau der DSL-Verbindung sofort zur Verfügung. Voraussetzung ist, dass der Router dieses Verfahren unterstützt. Die Unterstützung für BNG haben die wichtigsten Routerhersteller wie AVM für die Fritzboxen, die Telekom selbst für ihre Speedport-Modelle sowie TP-Link, D-Link, Netgear und Zyxel über Software-Updates in der Regel schon vor einigen Monaten bereitgestellt.
Bis auf Weiteres unterstützen aber auch Anschlüsse, die bereits über die neue BNG-Infrastruktur angebunden sind, das bisher übliche Zugangsverfahren mit Anschlusskennung und Passwort. Ob der eigene Anschluss bereits auf BNG umgestellt wurde, können TelekomKunden leicht im Online-Kundencenter erkennen: Gibt es dort einen Eintrag „Easy Login“(siehe Screenshot unten), läuft der Anschluss bereits über BNG. >>
Hier lässt sich die Funktion auf Wunsch auch deaktivieren, weil die Kombination aus automatischer Erkennung und konventioneller Anmeldung eine weitere Sicherheitsstufe zum Schutz vor möglichem Missbrauch darstellt. Wer aber beispielsweise auf einen neuen Router umsteigt, erspart sich mit „Easy Login“bei dessen Inbetriebnahme die manuelle Eingabe seiner Anschlussdaten.
Interessante Möglichkeiten für die Zukunft
Noch wesentlich interessanter dürften die Möglichkeiten von BNG jedoch in Zukunft werden. Die Telekom spricht hier von „nomadischer Nutzung“der gebuchten InternetDienste. So könnten beispielsweise Mieter oder Besitzer von Ferienhäusern gebuchte Dienste wie Entertain TV während des dortigen Aufenthalts zu Hause abschalten und stattdesen an ihrem aktuellen Aufenthaltsort nutzen. Auch ein kurzfristiges Herauf- oder Herunterstufen der gebuchten Internet-Zugangsgeschwindigkeit wird durch BNG zumindest technisch möglich – nach dem Motto „Unter der Woche genügt uns VDSL50, am Wochenende buchen wir VDSL200“. Ob und wann die Telekom solche Angebote auch in ihren Tarifen realisiert, ist allerdings eine andere Frage. Worauf sich Telekom-Kunden mit BNG-Anbindung aber wohl auf jeden Fall freuen dürfen, ist eine schnellere Bereitstellung von zusätzlich gebuchten Diensten oder AnschlussUpgrades. In der Theorie sollten dank BNG zwischen einer Bestellung im Online-Kundencenter, deren Bestätigung und der tatsächlichen Bereitstellung des Dienstes am betroffenen Anschluss dann nur noch wenige Stunden vergehen.
Da auch das Mobilfunknetz intern bereits auf IP-Vermittlung umgestellt wurde, sind auch neue Möglichkeiten im Zusammenspiel von Festnetz und Mobilfunk denkbar. Schon heute können Telekom-Kunden über ihr Online-Kundencenter Rufumleitungen etwa zwischen ihrem Festnetzanschluss und ihrer Handynummer ein- und ausschalten. Künftig sollen diese Möglichkeiten erweitert werden, etwa auf parallele Signalisierung ankommender Anrufe oder die von virtuellen TK-Anlagen bekannte Rufnummernanzeige mobiler Anrufe mit der zugehörigen Festnetznummer.
Darüber hinaus soll die neue Technik auch Vorteile im Fall von Störungen bieten. Viele anschlussbezogene Probleme soll das Netz mit BNG künftig automatisch erkennen und teilweise auch selbst reparieren – so die Versprechungen der Telekom.
Etwa eine halbe Stunde offline
Die Umstellung von der bestehenden Netztechnik auf BNG muss allerdings immer für eine komplette Vermittlungsstelle auf einmal erfolgen. Deshalb ist der Umstellungszeitpunkt auch nicht variabel – vielmehr wird er von der Telekom für alle betroffenen Teilnehmer gemeinsam festgelegt. Das mit der Post zugestellte Ankündigungsschreiben (siehe Bild oben links) verweist deshalb nur auf die Webseite www.telekom.de/netzumschaltung. Dort können Betroffene dann nach Eingabe
ihrer Kundennummer (auf dem Benachrichtungsschreiben mit abgedruckt) und ihrer Rufnummer den Umschalttermin für ihren Anschluss nachschauen.
Wenn alles nach Plan läuft, soll der Anschluss an diesem Tag nicht länger als eine halbe Stunde unterbrochen sein. Sobald die Leitung wieder verfügbar ist, verbindet sich der Router automatisch – gegebenfalls dann schon per „Easy Login“. Aus diesem Grund sollten Telekom-Kunden, die über die anstehende Umstellung ihres Anschlusses informiert wurden, möglichst ein Firmware-Update ihres Routers durchführen, solange sie noch aufs Internet zugreifen können.
Anrufversuche während der Umstellungszeit leitet die Telekom automatisch auf die zum Anschluss gehörende netzinterne Sprachbox um. Wenn die Leitung wieder verfügbar ist, meldet der Netz-Anrufbeantworter, falls dort neue Nachrichten warten. Anschließend soll die vorherige Einstellung zur Sprachbox wieder gelten – wer die Netz-Box zugunsten eines eigenen Rufsammlers abgeschaltet hat, braucht sich also um nichts zu kümmern. Erwartet der Teilnehmer während der Umstellungsphase dringende Anrufe, sollte er vorher eine Rufumleitung programmieren – etwa aufs Handy. Die Telekom weist jedoch darauf hin, dass die für solche Umleitungen anfallenden Kosten auch tatsächlich berechnet werden.
Da die BNG-Umstellung in erster Linie die netzinterne Anbindung der betroffenen Anschlüsse betrifft, hat sie keine Auswirkungen auf Vertragslaufzeiten oder gebuchte Dienste. Zuerst an der Reihe sind Regionen, in denen bereits VDSL-Anschlüsse zur Verfügung stehen. Zug um Zug wird die Telekom aber auch Vermittlungsstellen umstellen, an denen nur langsamere Internet-Zugänge angeboten werden. Kunden anderer Netzbetreiber sind bislang noch nicht von der BNG-Umstellung betroffen. Falls auch ihr Anbieter irgendwann auf die neue Technik umsteigt, wird er eine entsprechende Vorankündigung schicken.
Vorteile für Kunden wie auch Netzbetreiber
Auch wenn die praktischen Auswirkungen der BNG-Umstellung derzeit noch überschaubar sind, verspricht die neue Technik auf mittlere Sicht viele Vorteile. So bleibt zu hoffen, dass dank BNG die Zeit zwischen Buchung und Bereitstellung von Netzdiensten wirklich deutlich schrumpfen wird – und dass Telekom und Co in Zukunft die flexiblen Möglichkeiten der neuen Netztechnik auch wirklich in ihren Tarifen und Angeboten widerspiegeln. Dann brächte BNG eine echte Win-Win-Situation für Kunden und Netzbetreiber.