„Entlastung schadet dem Hirn“
Der Psychologe Peter Sturm ist Mitbegründer der Gesellschaft für Gehirntraining e.V. (GfG)
Hat das Smartphone Ihrer Meinung nach einen negativen Einfluss auf unsere Gehirnleistung und unser Gedächtnis?
Das Smartphone hat generell keinen negativen Einfluss auf unsere Hirnleistung. Problematisch wird es, wenn wir es als ausgelagertes Gedächtnis betrachten und z.B als Merkzettel einsetzen. Wenn wir alles dem Smartphone überantworten und nicht mehr versuchen, uns etwas zu merken, leidet die Hirnleistung darunter. Entlastung schadet dem Gehirn. So wie es dem Körper schadet, wenn man ihn nicht fordert.
Was ist Ihrer Meinung nach die Ursache von Vergesslichkeit im Alltag?
Vergesslichkeit ist eine Folge nachlassender Hirnleistung. Durch die Zunahme an Routine und geistiger Passivität lässt die Hirnleistung bei den meisten schon ab 30 langsam nach. Im Alter kann das dann zu ernsthaften Problemen mit dem Gedächtnis führen.
Was bedeutet mentale Fitness für Sie?
Mentale Fitness ist ein Zusammenwirken von verschiedenen Fähigkeiten. Gedächtnis ist ein Aspekt dabei. Ebenso wichtig sind aber auch Konzentrationsfähigkeit, rasche Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, sowie mentale Ausdauer und Belastbarkeit.
Wie kann man seine Gehirnleistung im Alltag steigern? Können Sie konkrete Übungsbeispiele nennen?
Im Alltag lässt sich die mentale Leistungsfähigkeit durch Aktivierung des Gehirns steigern. Eine solche Aktivierung erfolgt immer dann, wenn wir Aufgaben lösen, die in unserer Alltagsroutine nicht vorkommen. Also möglichst einfache, aber ungewohnte Aufgaben. Beispielsweise: Zählen Sie in diesem Artikel die Wörter, die aus fünf Buchsta- ben bestehen. Oder: Versuchen Sie aus den Buchstaben von Autokennzeichen Wörter zu bilden. Alle Buchstaben müssen in der gegebenen Reihenfolge verwendet werden, aber es können beliebig neue ein- und hinzugefügt werden.
Kann eine Person mit 60 Jahren die gleiche Steigerung bzw. Verbesserung der Hirnleistung erreichen wie ein 25-Jähriger?
Das richtige Gehirntraining fördert die Hirnleistung bei Jung und Alt. Bei einem 60-Jährigen können die ungenutzten Leistungsreserven größer sein als bei einem 25-Jährigen. Dementsprechend kann die Wirkung des Trainings bei dem Älteren sogar höher ausfallen.
Kann man mit ständigem Hirntraining im Alter länger fit bleiben und Erkrankungen wie Alzheimer vermeiden?
Ja, bei regelmäßigem Training bleibt das Gehirn im Alter länger fit. Ein guter Richtwert sind zehn Minuten täglich. Erkrankungen wie Alzheimer lassen sich damit nicht verhindern. Die Folgen der Erkrankung, unter denen die Betroffenen und ihre Angehörigen so leiden, treten bei trainierten Personen aber erst mit einer Verzögerung von etwa fünf Jahren auf. Geistige Fitness und die damit verbundene Lebensqualität bleiben fünf Jahre länger erhalten.
Was halten Sie davon, das Gehirn mit z.B. Sudoku-Apps zu trainieren?
Grundsätzlich könnten Apps sehr gut für Gehirntraining genutzt werden. Schwierig ist dabei die Anpassung an das jeweilige Leistungsniveau des Nutzers. Die Einteilung in Leistungslevels ist meist untauglich, weil kurzfristige Schwankungen wie Erschöpfung oder Stress unberücksichtigt bleiben. Ein Training sollte adaptiv sein und sich dem gerade verfügbaren Leistungspotenzial anpassen.