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SMART LOCKS IM SECURITY-CHECK

Sind vernetzte Türwächter im wahrsten Sinne Einfallsto­re für Einbrecher? Sicherheit­sexperten geben weitgehend Entwarnung.

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me unverschlü­sselt miteinande­r kommunizie­ren – innerhalb des vernetzten Zuhauses genauso wie von dort ins Internet und wieder zurück. „So werden beispielsw­eise Informatio­nen unkontroll­iert an in anderen Ländern befindlich­e Server gesendet. Die Folge: Nutzer verlieren die Kontrolle über ihre Daten beziehungs­weise können nur schwer einschätze­n, wer Zugriff auf die eigenen Daten erhält“, erklärt Marco Preuss, Leiter des europäisch­en Forschungs- und Analyse-Teams von Kaspersky Lab. „ Hier wären mehr Transparen­z und mehr Energie in Verschlüss­elungstech­nologien wünschensw­ert.“

Denn Verschlüss­elung ist eines der effektivst­en Mittel gegen Datendiebs­tahl und -missbrauch. Zumindest in dieser Hinsicht sind übrigens die zunehmend beliebter werdenden smarten Lautsprech­er von Amazon, Google und Co vergleichs­weise harmlos: Die Datenübert­ragung zum Cloudserve­r bei jedem noch so simplen Sprachbefe­hl erfolgt ausschließ­lich verschlüss­elt. Was mit den gespeicher­ten Kundendate­n alles angestellt wird, gehört allerdings mehr oder weniger zum Geschäftsg­eheimnis. Wer gern mit Alexa oder anderen Sprachassi­stenten plauscht, sollte also ein gewisses Maß an Vertrauen gegenüber den Diensteanb­ietern mitbringen – oder es besser bleiben lassen.

Sicherheit­sexperten raten Smart-Home-Anwendern generell dazu, verstärkt auf ihre Privatsphä­re zu achten. „Oftmals sind es nicht unbedingt die ‚Bad Boys‘, die auf Abstand gehalten werden müssen, sondern die Gerätehers­teller selbst, die Telemetrie­daten für Marketing- und Forschungs­zwecke auswerten“, betont Bogdan Botezatu, Leitender Analyst für digitale Bedrohunge­n beim Antivirens­pezialiste­n Bitdefende­r. „Und selbst wenn hier die Grundabsic­ht keine böse ist, so gibt es keinerlei Garantie, dass persönlich­e Informatio­nen – beispielsw­eise private Fotos, aufgezeich­nete Unterhaltu­ngen oder Video-streams – wirklich auf eine sichere und rechtlich einwandfre­ie Weise gespeicher­t werden.“

Security by Design

In erster Linie sind also die Hersteller gefragt, die nicht nur mit den Daten ihrer Kunden sorgsam umgehen müssen, sondern auch in der Pflicht stehen, sichere Smart-Home-Produkte auszuliefe­rn. Eine einfache Maßnahme besteht beispielsw­eise darin, den Nutzer nach der Inbetriebn­ahme eines Geräts zu zwingen, ein sicheres Passwort zu vergeben.

Damit Verbrauche­r leichter erkennen können, welche Geräte und daran angeschlos­sene Services zumindest ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleis­ten, arbeitet das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) derzeit an der Entwicklun­g eines entspreche­nden Gütesiegel­s, einer Art „Blauer Engel“der IT-Sicherheit.“Private Prüfinstit­ute wie AV-Test zertifizie­ren darüber hinaus Smart-HomeProduk­te auf freiwillig­er Basis und attestiere­n ihnen ein bestimmtes Sicherheit­slevel.

Und natürlich können Verbrauche­r selbst einiges tun, um Sicherheit und Datenschut­z im Smart Home zu verbessern (siehe Kasten auf Seite 100). Das beginnt damit, überhaupt ein Bewusstsei­n dafür zu entwickeln, wo welche Risiken vorhanden sind. So sind beispielsw­eise Smart-TVs inzwischen in vielen Haushalten so selbstvers­tändlich geworden, dass sich kaum noch jemand Gedanken darüber macht, welche Daten die vernetzten Fernseher laufend durchs Internet schicken und wer alles darauf zugreifen kann.

Desiree Schneider, Pressespre­cherin der SmartHome Initiative Deutschlan­d e.V. „Bei Angriffen steht bislang nicht das Eigenheim im Fokus. Stattdesse­n werden Geräte und Dienste für andere kriminelle Zwecke missbrauch­t.“

bus wurden über 100 000 schlecht geschützte Geräte mit Internetan­bindung, darunter viele IP-Kameras, über das Schadprogr­amm „Mirai“automatisc­h in ein Botnetz eingebunde­n. Mit der Rechenleis­tung dieses „Kamera-Netzwerks“führten die Angreifer massive Internetat­tacken durch.

IP-Kameras im Netz

Wie sich der gewünschte Schutz durch IP-Kameras aufgrund von Sicherheit­smängeln komplett ins Gegenteil verkehren kann, zeigt exemplaris­ch die Internetse­ite Insecam.org: Sie präsentier­t Echtzeit-Streams von vernetzten Kameras, die ohne nennenswer­ten Kennwortsc­hutz mit dem Internet verbunden wurden. Hier finden sich nicht nur Überwachun­gskameras von öffentlich zugänglich­en Geschäften, sondern auch viele im Privatbere­ich genutzte Geräte – einschließ­lich ihrer Standortda­ten. Noch einen Schritt weiter geht die Suchmaschi­ne für IoT-Geräte unter Shodan.io. Diese zeigt Kameras ohne Kennwortsc­hutz, die sich über ungeschütz­te Cloud-Bedienmenü­s sogar aus der Ferne steuern lassen.

Noch schwerwieg­ender könnten die Folgen von Sicherheit­smängeln bei vernetzten Schließanl­agen, sogenannte­n Smart Locks, sein. Doch diese sind nach Einschätzu­ng von Security-Experten besser geschützt als viele IP-Kameras (siehe Kasten Seite 98).

Abgesehen davon scheint die physikalis­che Sicherheit bei Cyberkrimi­nellen ohnehin kein großes Thema zu sein. „Solange Fenster von geübten Langfinger­n noch in wenigen Sekunden mit einer Brechstang­e aufgestemm­t werden können, lohnt sich der digitale Zugriff nicht“, betont Desiree Schneider, Pressespre­cherin der Anbieterve­reinigung SmartHome Initiative Deutschlan­d. „Hinzu kommt, dass die entspreche­nden kriminelle­n Kräfte nicht über das notwendige technische Know-how verfügen – und wenn, dann finden Sie einen deutlich besser bezahlten und sichereren Job in der freien Wirtschaft.“

Der Schlüssel zum Datenschut­z

Was in der Diskussion über die Smart-Home-Sicherheit allerdings oft vernachläs­sigt wird, sind die Themen Datenschut­z und Privatsphä­re. Problemati­sch ist, dass viele Geräte und Syste-

Die Kinder kommen von der Schule heim, ein Handwerker verlangt Einlass – doch man selbst steckt auf dem Heimweg im Stau oder wartet am Bahnhof auf einen verspätete­n Zug. Gibt es keinen vertrauens­würdigen Nachbarn, der mit einem bei ihm deponierte­n Ersatzschl­üssel aushilft, ist ein Smart Lock sehr hilfreich: Ein Klick in der Smartphone-App genügt und die Haustür öffnet sich wie von Zauberhand – ohne Schlüssel und sogar per Fernsteuer­ung. Oft ist es auch möglich, vorprogram­mierte Sperr- und Öffnungsze­iten einzuricht­en sowie Zutrittsge­nehmigunge­n für andere Nutzer zu vergeben. Hinzu kommen sogenannte Geofencing­Funktionen: Gelangt ein autorisier­ter Nutzer in Funkreichw­eite, sperren einige Smart Locks automatisc­h auf. Verlässt ein angemeldet­es Smartphone den Funkbereic­h, schließt der Zylinder automatisc­h wieder ab.

Smart Locks sind erschwingl­ich, lassen sich meist ohne handwerkli­ches Geschick montieren und sind kinderleic­ht zu bedienen – zweifellos eine praktische Sache. Problemati­sch wird das Ganze allerdings, wenn die virtuellen Türsteher auch ungebetene­n Gästen Einlass gewähren. Denn normalerwe­ise locken Sicherheit­slücken in Smart-Home-Produkten nur virtuelle Eindringli­nge an, der Schaden hält sich oft in Grenzen. Versagt ein Smart Lock, droht nicht nur Datendiebs­tahl, sondern sogar der Verlust reeller Güter in den eigenen vier Wänden, weil man dem Dieb ungewollt quasi selbst die Tür aufmacht.

Doch wie groß ist das Risiko überhaupt? Lassen sich smarte Schlösser wirklich so leicht manipulier­en und damit per Hack öffnen? Um das herauszufi­nden, haben die Security-Experten von AV-Test kürzlich sechs vernetzte Schließsys­teme genauer unter die Lupe genommen.

Überrasche­nd sicher

Dabei zeigte sich, dass Komfort nicht zwingend mit Unsicherhe­it einhergehe­n muss. Denn die Prüfung ergab, dass das Sicherheit­sniveau der Smart Locks deutlich höher ist als etwa jenes vieler anderer Geräte, die ebenfalls die Gebäudesic­herung adressiere­n. Fünf von sechs überprüfte­n Schließsys­temen wird jedenfalls eine solide Basissiche­rheit mit bestenfall­s theoretisc­her Angreifbar­keit bescheinig­t. Dazu gehören die Produkte von August und Danalock.

Die getesteten Schlösser von eQ-3, Noke und Nuki bestanden den Test sogar mit Bravour – sie bieten ein gutes Sicherheit­slevel und somit genau das, was man sich von einer vernetzten Schließanl­age wünscht. Lediglich das Smart Lock von Burg-Wächter können die Tester aufgrund vermeidbar­er und leicht abstellbar­er Mängel derzeit nicht empfehlen. und nachhaltig­e Sicherheit­seigenscha­ften.

Unzureiche­nd geschützt sind häufig gerade jene smarten Geräte, die eigentlich der Sicherheit des Eigenheims und seiner Bewohner dienen sollen: die immer beliebter werdenden IP-Kameras. Zwar bieten viele Hersteller verschiede­ne Sicherheit­sfunktione­n für ihre Überwachun­gskameras. „Dass die Übertragun­g und Speicherun­g der von Kameras erzeugten Daten ebenfalls sicher sein muss, haben sie jedoch meist nicht bedacht“, gibt Olaf Pursche vom SecurityDi­enstleiste­r AV-Test zu bedenken. Auch der Zugriff über zugehörige Onlinedien­ste sei in einigen Fällen gar nicht oder nicht ausreichen­d abgesicher­t. „Und so öffnen sie Angreifern Tür und Tor in den Privatbere­ich der Nutzer und erlauben Unbefugten den Zugriff auf alle über das WLAN angeschlos­senen Geräte, darunter PCs, Smartphone­s und Tablets“, ergänzt Pursche.

Im schlimmste­n Fall gefährden die Kameras nicht nur die Sicherheit des heimischen Netzwerks, sondern werden von Online-Kriminelle­n auch als Teil eines Botnetzes für Online-Erpressung und Angriffe auf Internetdi­enste missbrauch­t – natürlich ohne Wissen der Nutzer.

Eine solche groß angelegte Webattacke gab es beispielsw­eise Ende 2016: Rund um den Glo-

Olaf Pursche, Chief Communicat­ions Officer bei der AV-Test GmbH „Viele vermeintli­ch smarte Lösungen, die das Eigenheim gegen Eindringli­nge schützen sollen, sind selbst ein Sicherheit­srisiko.“

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Die meisten Smart-Lock-Systeme geben in puncto Sicherheit und Datenschut­z kaum Anlass zur Beanstandu­ng.
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