Wo steht Deutschland beim 5G-Ausbau? Wenn Politik und Industrie nicht aufs Gas drücken, werden wir beim neuen Mobilfunkstandard abgehängt
Die große Koalition will Deutschland in eine Spitzenposition beim Netzausbau bringen. Doch andere Staaten legen bereits gewaltig vor. Werden wir abgehängt?
REPORT
AT&T will Ende 2018 als erster US-Betreiber 5GMobilfunkdienste auf einem Dutzend Märkten anbieten. China Mobile wird in der zweiten Hälfte 2018 eine großflächige 5G-Erprobung starten. SKT in Südkorea führt die 5G-New-Radio-Erprobung 2018 weiter und plant die Vermarktung von 5G-Diensten 2019. Die Liste der Schlagzeilen ließe sich endlos fortführen. Wer einschlägige News studiert, muss zu dem Schluss kommen, dass in vielen Ländern die 5G-Zukunft bereits begonnen hat, nur die Industrienation Deutschland hinkt dieser Entwicklung hinterher.
Innovationsmotor 5G
Das ist kritisch. Zwar ist 5G in Teilbereichen wie den höheren Datenraten, der größeren spektralen Effizienz und der steigenden Datendichte nur evolutionär. Doch mit der stark reduzierten Latenz, der unterstützten, extrem hohen Teilnehmerdichte, der Energieeffizienz und der um eine Größenordnung höheren Zuverlässigkeit ist es auch revolutionär. Denn diese Eigenschaften ermöglichen neue Dienste im Bereich E-Health, Vital Data
Monitoring, Industrie 4.0, Smart Industry, autonomes Fahren und in vielen anderen Bereichen. Wer hier der Industrie die Möglichkeit nimmt, neue Ideen zeitnah zu erproben, nimmt ihr die Chance auf zukünftigen Erfolg. Gelingt die digitale Transformation aber, so hat Deutschland nach Analyse der Unternehmensberatung Roland Berger die Chance, 2025 eine zusätzliche Wertschöpfung von etwa 85 Milliarden Euro zu realisieren.
Unsere Regierung veröffentlicht dazu Strategiepapiere wie „5 Schritte zu 5G“aus dem Jahr 2016 oder die „5G Strategy for Germany“des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2017, doch die zeichnen sich eher durch hochtrabende Erwartungen an eine führende Rolle von Deutschland in der 5G-Technologie aus als durch konkrete Maßnahmen und Pläne, wie diese zu erreichen ist. Wird Deutschland also ein weiteres Mal – wie zuvor in der Internetwirtschaft – den Anschluss verpassen? Der Koalitionsvertrag gibt gedämpften Anlass zur Hoffnung, dass das nicht passiert. Knapp 100 von gut 8000 Zeilen setzen sich mit der Gigabit-Gesellschaft und 5G auseinander, und sie enthalten auch konkrete Handlungsvorgaben. Die muss die Regierung nun umsetzen. 5G jedenfalls wird in seiner ersten Version (Release 16) Ende 2019 vollständig durch den zuständigen Verbund von den Standardisierungsgremien der 3GPP (3rd Generation Partnership Project) normiert sein.
Frequenzvergabe
Die Festlegung, über welche Frequenzen 5G übertragen wird, erfolgt auf der Weltfunkkonferenz 2019, die EU-Kommission sieht jedoch eine provisorische Festlegung vorab vor. Da 5G hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Bandbreite sehr flexibel ist (in Bezug auf die absolute Frequenz sind das Funkstandards sowieso) und da die Nutzungsrechte in neuerer Zeit technologieneutral sind (sie dürfen mit jedem gewünschten Mobilfunkstandard genutzt werden), könnte 5G auf vielen bereits verteilten Bändern zum Einsatz kommen. Wirtschaftlich sinnvoll
ist aber eine weitgehende Harmonisierung zumindest innerhalb der EU. Frei werden in den kommenden Jahren durch die Abschaltung von DVB-T knapp 100 MHz Bandbreite im Bereich um 700 MHz. Hinzu kommen die ursprünglichen UMTS-Bänder, deren Lizenzen teils 2020, teils 2026 auslaufen. Diese in den nächsten Jahren zu versteigernden Frequenzbänder haben den Vorteil, dass Netzbetreiber und Infrastrukturhersteller mit den Funkeigenschaften dort viel Erfahrung haben.
Doch gerade an Hotspots und für Spezialanwendungen der Industrie werden Datenraten gebraucht, für die die Frequenzbänder unter 2,6 GHz nicht genug Bandbreite bieten. Für diese sollen größere Frequenzblöcke um 3,6 GHz teils 2021, teils 2022 zur Versteigerung kommen. Doch auch hier kann Bandbreite knapp werden, weshalb der Einsatz sogenannter Millimeterwellen zwischen 26 und 32 GHz für 5G vorgesehen ist. Diese werden bisher etwa für Richtfunkstrecken und Satellitenfunk genutzt. Solch hohe Frequenzen sind schwer zu beherrschen, auch deshalb ist im Millimeterwellenbereich viel Bandbreite verfügbar. Wer in der Erschließung der Millimeterwellen schnell ist und die nötige Technologie früh beherrscht, kann in Zukunft auf hohe Umsätze hoffen. USA und Asien haben, wie es scheint, einmal mehr die Nase vorn. Aber auch Spanien machte schon mit einem Trial von sich reden, in dem um die 15 Gigabit pro Sekunde über ein 800 MHz breites Frequenzband bei 28 Gigahertz übertragen wurden. Vonseiten der Bundesnetzagentur ist noch keine Auktion für frei werdende Frequenzbänder in diesem Bereich angedacht.
Neue Frequenzen soll es nach Willen der Regierung nur gegen flächendeckende Versorgung geben. Regulatorische Auflagen sollen hierbei den Hebel bieten, dass der Ausbau auch in ökonomisch unattraktiven Gebieten voranschreitet. Doch ein zu später Aufbau dort, wo andere Industrien lukrativ erfolgreiche, auf 5G beruhende Produkte entwickeln können, kann deren Marktchancen in der Welt verringern. Hier ist eine gute Balance zwischen dem Ausbau in der Fläche und der Unterstützung eines auf 5G basierenden Wirtschaftszweigs nötig.
Ausbau der Zugangsnetze
Klar ist aber schon, was aus dem Erlös der nun kommenden Frequenzversteigerungen werden soll. Die GroKo hat beschlossen, das Geld in den Glasfaserausbau zu stecken. 10 bis 12 Milliarden will sie hier unbürokratischer als bisher investieren. Dabei sollen bevorzugt unterversorgte Gebiete in ländlichen Regionen gefördert werden. Das soll es Netzbetreibern erleichtern, auch dort Kunden mit Festnetz und Mobilfunk zu versorgen, wo es wegen geringer Bevölkerungsdichte sonst wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Denn die Glasfaseranbindung von Mobilfunkzellen
ist gerade in dünn besiedelten Regionen ein entscheidender Kostenfaktor. Hinzu kommt eine geplante Änderung im Telekommunikationsund Kartellrecht, die es den Anbietern erlaubt, Absprachen zum National Roaming zu führen. So kann ein Gebiet nur von einem Betreiber ausgebaut werden, der dann die Versorgung der anderen mit übernimmt. 5G stellt hier mit dem sogenannten Network-Slicing eine ideale Technik zur Verfügung. Hiermit lassen sich etwa Basisstationen und Zugangsnetze von mehreren Betreibern nutzen, als wären es komplett unabhängige Ressourcen.
Bis Anfang 2025 soll es zudem einen rechtlich gesicherten Anspruch auf flächendeckenden Zugang zum Internet für die Einwohner Deutschlands geben. Das bezieht sich primär auf das Festnetz (siehe Seite 40), erleichtert in Folge aber auch den Mobilfunkausbau. Fraglich bei der Rechnung ist, ob die Lizenzeinnahmen die Ausbaukosten decken. Und ob das Geld mit den letzten Versteigerungen 2022 noch rechtzeitig kommt, um den Glasfaserausbau bis 2025 abzuschließen. Innerhalb dieser Zeitspanne sollen auch fünf Regionen prioritär mit 5G ausgebaut sein, um dort die Forschung zu intensivieren.
Zweifel an der Förderung
Ob die Förderungspläne der Bundesregierung reichen, der Mobilfunkbranche beim Stemmen des bisher komplexesten Funkstandards substanziell zu helfen, darf bezweifelt werden. Und auch, ob es reicht, bis 2025 die erste Ausbauetappe abgeschlossen zu haben, um einer auf 5G basierenden Industrie im internationalen Wettbewerb auf die Sprünge zu helfen. Am Ende könnten ambitioniertere Staaten einmal mehr die Nase vorn haben.