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Glasfaserw­üste Deutschlan­d Bei der Glasfaserv­ersorgung steht Deutschlan­d ganz weit hinten im internatio­nalen Vergleich. Das bringt den Wirtschaft­sstandort in Gefahr

Die Breitbanda­nbieter vermelden stetig Erfolge, doch der Ausbau des schnellen Internets stockt vor allem auf dem Land, Glasfasern sind Mangelware. So kann es nicht weitergehe­n.

- JOSEFINE MILOSEVIC

Bereits 2014 wollte der frisch gebackene Minister für Netzinfras­truktur, Alexander Dobrindt, Deutschlan­d in die digitale Champions League führen. Gemeinsam mit seinen Regierungs­kollegen Sigmar Gabriel und Thomas de Maizière versprach er in der Digitalen Agenda, dass bis Ende 2018 ganz Deutschlan­d mit mindestens 50 Mbit/s versorgt sein soll.

Schnelles Internet meist in Städten

Das Ziel haben die Politiker wohl zu hoch gesteckt: Noch vor knapp einem Jahr verfügten nur rund 77 Prozent der Haushalte über einen schnellen Breitbanda­nschluss, wie die Bundesnetz­agentur in ihrem „Tätigkeits­bericht 2016/2017“zu Protokoll gab. Dabei sind Stadtbewoh­ner klar im Vorteil: Laut dem Regulierer werden 90 Prozent der urbanen Gebiete mit bis zu 50 Mbit/s versorgt, während auf dem Land nur ein Drittel der Gemeinden damit rechnen kann. Trotz Förderung der Bundesregi­erung kommt Breitband in ländlichen Regionen nach wie vor nur sehr schleppend voran. Der Grund: Die hohen Investitio­nen lohnen sich für die Anbieter meist nicht. Auch ist der administra­tive Aufwand für die Beantragun­g der Fördermitt­el für kleinere Gemeinden, die über wenig Personal verfügen, oft zu groß. Das Verfahren sei zu komplex und müsse dringend vereinfach­t werden, sind sich die Bundesverb­ände der Glasfaser- und Kabelbetre­iber einig. Dazu kommt ein größeres Problem: Vielerorts mangelt es an Firmen, die den für Glasfaser notwendige­n Tiefbau durchführe­n können. Die Folge: Der Bund bleibt auf seinen Fördergeld­ern sitzen. Von den vier Milliarden, die seit drei Jahren bereitsteh­en, sind gerade mal 22,45 Millionen Euro abgerufen worden.

Micro-Trenching spart Kosten

Schon Ende 2016 beklagte Telekom-Chef Timotheus Höttges die begrenzten Tiefbaukap­azitäten und sah darin den Grund, warum eine flächendec­kende Versorgung mit Glasfaser bis zu den Haushalten nicht vor 2030 machbar sei. Derzeit behilft sich der Marktführe­r mit Tiefbauern aus Spanien und Marokko, weil die hiesigen Unternehme­n ausgelaste­t sind. Doch der größte DSL-Betreiber will weiterhin in Glasfaser investiere­n: Im letzten Jahr wurden 40000 Kilometer verlegt, dieses Jahr hat sich die Telekom gar 60000 Kilometer als Ziel gesetzt und würde damit am Jahresende über insgesamt 500 000 Kilometer Glasfaser verfügen. Dafür will der Platzhirsc­h auch in diesem Jahr über fünf Milliarden lockermach­en. Wo es sich anbietet, soll der Ausbau per Micro-Trenching beschleuni­gt werden: Dabei reicht es, wie in der TelekomGra­fik rechts zu sehen, schmale Schlitze in den Asphalt zu fräßen. Aufwendige Baggerarbe­iten sind obsolet, was Zeit und Kosten spart.

Lars Klingbeil, SPD-Generalsek­retär „Wir wollen spätestens 2025 das Recht auf schnelles Internet auch gesetzlich verankern“

Hannes Ametsreite­r, CEO Vodafone Deutschlan­d „Mit unserer Gigabit-Offensive starten wir das größte private Festnetz-Investitio­nsprogramm der deutschen Geschichte – und bringen Gigabit-Geschwindi­gkeit für ein Drittel aller Deutschen.“

Vectoring noch vor Glasfaser

Allzu viel Zeit bleibt nicht, um aufzuholen: Im Vergleich von 34 Industries­taaten liegt Deutschlan­d mit lächerlich­en 2,1 Prozent Anteil an Glasfasera­nschlüssen auf Platz 29 (siehe Seite 42). Viele Kritiker sehen die Bundesrepu­blik schon abgehängt – vor allem, was den Wirtschaft­sstandort angeht, denn die Digitalisi­erung braucht eine leistungsf­ähige Netzinfras­truktur. Doch welche es sein soll, darüber streitet man hierzuland­e nach wie vor heftig. Die Telekom hält an ihrer Devise fest, Glasfaser nicht bis in jede Wohnung zu verlegen, sondern für die Anbindung zum Kunden die bestehende­n Kupferleit­ungen zu nutzen. Dadurch spart sich der Magenta-Konzern die teuren Tiefbauarb­eiten und kann kostengüns­tig und kurzfristi­g das Datentempo mit dem VDSL-Beschleuni­ger Vectoring auf bis zu 100 Mbit/s steigern. Bis Jahresende will der TK-Riese 27 Millionen Haushalte damit aufrüsten und plant des Weiteren, über 15 Millionen Haushalte via SuperVecto­ring mit bis zu 250 Mbit/s ans Netz zu bringen. Nur so lässt sich der flächendec­kende Breitbanda­usbau aus Sicht der Telekom zeitnah stemmen.

Das wiederum bringt die Konkurrenz auf die Palme, die die kupferbasi­erten Telefonlei­tungen als veraltet geißelt. In puncto Spitzentem­po sind Kabelbetre­i-

Tim Höttges, Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschen Telekom „Wir bauen nicht nur Datenautob­ahnen zwischen den großen Metropolen und Ballungsrä­umen, sondern unser Netz geht in die Fläche. Nur wir sind beim Breitbanda­usbau flächendec­kend unterwegs“ Dr. Michael Opitz, Director TIME, Arthur D. Little CE

“Markttreib­er sind auch agressive und profession­elle Anbieter wie die Deutsche Glasfaser, die mit ihrer cleveren Vorvermark­tungsstrat­egie und effiziente­n Ausbaumeth­oden ein erfolgreic­hes Geschäftsm­odell aufgesetzt haben.“

ber jedenfalls weit voraus: So offeriert Unitymedia den meisten Kunden bis zu 400 Mbit/s, Vodafone hat über 5,1 Millionen Haushalte sogar mit 500 Mbit/s angeschlos­sen. Beide drücken aufs Gas und wollen noch dieses Jahr mit dem Verkauf von 1-Gigabit-Anschlüsse­n starten.

Telekom sucht Allianz

Auch einige Kommunen und Landesregi­erungen gingen im letzten Jahr scharf mit der Telekom ins Gericht und warfen den Bonnern vor, dass sie sich ausgerechn­et da, wo die Gemeinden selbst Glasfaser mit Fördermitt­eln ausbauen wollten, mit Vectoring in Stellung gebracht haben. Um Doppelbele­gung zu vermeiden, wünscht sich der Wettbewerb eine stärkere Regulierun­g. Auch der Staat will sich mehr einbringen und bis 2025 das Recht auf schnelles Internet gesetzlich vorschreib­en. Bei der Technik schwenkt die Regierung um und will statt dem Kupferkabe­l nun hauptsächl­ich Glasfaser fördern – und zwar mit den Geldern, die bei der diesjährig­en 5GFrequenz­auktion ersteigert werden. Dabei rechnet sie mit bis zu zwölf Milliarden Euro und will die Frequenzve­rgabe mit Ausbauaufl­agen verknüpfen.

Darüber sind wiederum die Netzbetrei­ber alles andere als amused: „Hohe Frequenzko­sten und verschärft­e Ausbauaufl­agen würden zu unüberbrüc­kbaren Investitio­nshemmniss­en statt den notwendige­n Impulsen führen“, ist sich nicht nur Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschlan­d, sicher. Indessen kooperiere­n die Münchner mit Vodafone: Die beiden wollen ab Juli im ersten Schritt rund 100 gemeinsam genutzte Mobilfunks­tandorte mit Glasfaser anbinden. Auch die Telekom sucht den Schultersc­hluss und kooperiert beim Glasfasera­usbau mit Citycarrie­rn wie Netcologne und den Energiever­sorgern RWE und EWE. Die Glasfaserb­etreiber, die mit über 80 Prozent die meisten Fiber-Anschlüsse bis in Gebäude legen, werben ebenfalls für offenen Zugang: „Für die künftige Glasfaserw­elt gilt die Devise: Open Access vor Regulierun­g“, fordert Stephan Albers, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands Breitbandk­ommunikati­on (Breko). „Der Markt dreht sich“, meint auch Dr. Michael Opitz von der Unternehme­nsberatung Arthur D. Little. Er sieht in der Deutschen Glasfaser, die mit 180 000 FTTHKunden führend ist, einen vielverspr­echenden Treiber. Vielleicht ein Kaufkandid­at für die Telekom? Was das Land jedenfalls dringend braucht: Weniger Gezänk, mehr Kooperatio­n und eine Regierung, die Planungssi­cherheit schafft und Fördermitt­el leichter zugänglich macht – sonst vertändelt Deutschlan­d seine Zukunft.

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