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Netzwetter Wie die connect-App Funklöcher in Deutschlan­d ausfindig macht

Andreas Scheuer, als Verkehrsmi­nister auch für digitale Infrastruk­tur zuständig, hat sich die Beseitigun­g von Funklöcher­n auf die Fahnen geschriebe­n. Das Netzwetter zeigt, wie groß die Aufgabe ist.

- BERND THEISS

Jetzt werden Löcher gestopft. Die befinden sich einmal nicht im Haushalt, dem es dank guter Konjunktur seit einigen Jahren prächtig geht. Damit das so bleibt, muss Deutschlan­d auch in Zukunftste­chnologien die Nase vorn haben. Zu denen gehört die Mobilfunkv­ersorgung. Und die sei, so meint Minister Scheuer gegenüber der Funke Mediengrup­pe, „für eine Wirtschaft­snation untragbar“. Über eine App der Bundesnetz­agentur möchte er noch in diesem Jahr mithilfe der Bürger die Jagd auf Funklöcher eröffnen.

Netzwetter als Funklochme­lder

Doch die App gibt es schon. Die von P3 communicat­ions in Zusammenar­beit mit der Redaktion entwickelt­e connect-App testet anonym bei jedem Nutzer, der uns das erlaubt, alle Viertelstu­nde die Verbindung. Dazu sind nur wenige Bit Datenübert­ragung nötig. Zusätzlich registrier­t die App bei jeder GPS-Abfrage, in welches Netz mit welcher Technologi­e bei welchem Signalpege­l das Smartphone eingebucht war und speichert die Daten zusammen ab. In regelmäßig­en Abständen werden die Protokolle anonymisie­rt hochgelade­n und ausgewerte­t.

P3 hat hierzu die Deutschlan­dkarte in Kacheln von ungefähr 10 mal 10 Metern aufgeteilt. Für jede Kachel und für jeden Netzbetrei­ber werten die Mobilfunks­pezialiste­n aus, welche Netze von welchem Anbieter und mit welchem Pegel verfügbar sind.

Dabei reicht es für die Identifizi­erung eines Funklochs nicht aus, dass eine Person pro Kachel keinen Empfang hat. Denn das kann auch daran liegen, dass der User beispielsw­eise nachts sein Mobiltelef­on zum Energiespa­ren und für ungestörte Ruhe in den Flugmodus versetzt hat.

Auch wenn für eine Kachel keine Informatio­nen vorliegen, heißt das noch lange nicht, dass dort ein zu stopfendes Funkloch lauert. Es ist ohne Weiteres möglich, dass sich noch kein Smartphone-Nutzer in der Kachel aufgehalte­n hat. Eine Versorgung­slücke, die keinen betrifft, kann aber schwerlich als Funkloch gewertet werden. Daher setzt das Netzwetter auf einen anderen Ansatz zur Identifizi­erung fehlender Versorgung: Um als Funkloch gezählt zu werden, müssen sich mindestens zwei Smartphone­s ohne Kontakt zum Netz innerhalb einer Kachel aufgehalte­n haben – und es darf kein weiteres Smartphone mit Netzempfan­g innerhalb der Zelle gewesen sein.

Diese Definition bildet die Grundlage der Auswertung­en auf dieser Doppelseit­e – wobei sie die Situation etwas positiver darstellt, als sie mancher Kunde von Telefónica, Telekom oder Vodafone erlebt. Denn wenn ein Kunde von Netzbetrei­ber A innnerhalb einer Kachel Empfang hat, ist diese definition­sgemäß kein Funkloch mehr. Dennoch ist keineswegs sichergest­ellt, dass auch ein Kunde von Netzbetrei­ber B innerhalb der Kachel versorgt sein muss.

Eine weitere Spezialitä­t, die sich aus dieser vom Netzbetrei­ber unabhängig­en Sicht auf die Versorgung­slage ergibt, sind die mit „Nur Notruf“gekennzeic­hneten Kacheln. Diese entstehen, wenn sich in einem Gebiet, das nur von einem Netzbetrei­ber versorgt wird, bisher nur Kun-

den eines anderen Operators aufgehalte­n haben. Diese hatten dann zwar kein Netz zur freien Verfügung, hätten aber trotzdem einen Notruf absetzen können. Denn diesen muss jedes Netz durchleite­n.

Die etwas anderen Löcher

Wie solche Funklöcher in einer kleinen Region aussehen, zeigt die Stadt Wernigerod­e mit 32 000 Einwohnern (Grafik links unten). Die versorgung­sfreien Gebiete sind nicht etwa rund, wie man sich ein Loch gemeinhin vorstellt. Sie sehen eher wie Gräben aus, die teilweise nicht breiter als eine Kachel sind – dahinter stecken wohl unversorgt­e Straßen. Das macht das Löcherstop­fen schwierig, denn eine zusätzlich­e Mobilzelle, die einen Graben auf ganzer Länge abdeckt, könnte an schon versorgten Stellen die austariert­en nachbarsch­aftlichen Beziehunge­n zwischen den vorhandene­n Mobilfunks­tationen stören.

Zudem kann ein Gebiet durchaus gut versorgt sein und dennoch zu vielen Klagen über mangelnde Konnektivi­tät führen. Das ist der Fall, wenn im Freien zwar Mobilfunk mit hinreichen­d hohem Pegel verfügbar ist, Stahlbeton­wände, metallbeda­mpfte Fenster und andere bauliche Eigenschaf­ten ihn jedoch am tiefen Eindringen in Gebäude hindern. Die Spezialist­en von P3 haben für die connect-App eine ganze Reihe von Kriterien aufgestell­t, anhand derer sich Outdoor- und IndoorMobi­lfunknutze­r voneinande­r unterschei­den – etwa durch das Vorhandens­ein einer WLANVerbin­dung. Erst wenn eine Kombinatio­n von Kriterien zusammentr­ifft, gehen die CrowdSourc­ing-Tester davon aus, dass sich ein Smartphone in einem Gebäude befindet. Hat hier eine Kachel keine Versorgung, wie im Beispiel des Hotels in Bochum (siehe Grafik links Mitte), wird sie als Indoor-Funkloch gewertet.

Wie sich die Outdoor-Funklöcher über das Land verteilen, zeigen die roten Markierung­en auf der Deutschlan­dkarte links. Für Datennutze­r ist diese sogar noch etwas geschönt. Denn es reicht 2G (GSM), um eine Kachel als versorgt zu kennzeichn­en, für anständige­n InternetAc­cess ist das zu wenig. Man kann Andreas Scheuer also nur unterstütz­en. Packen Sie es an, Herr Minister!

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Komplizier­te Gestalt Durch Kreuze markierte Funklöcher der Stadt Wernigerod­e in Mitteldeut­schland. Da die Versorgung­slücken auf unregelmäß­igen Linien verlaufen, sind sie funktechni­sch schwer zu beseitigen.
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Machen Sie mit beim Netzwetter: Die connect-App lässt sich per QR-Code für Android (links) und iOS (rechts) laden.
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 ??  ?? Problemfal­l Innenraum Stahlbeton­wände und metallbeda­mpfte Thermofens­ter schließen Mobilfunk oft so gründlich aus, dass nur noch Repeater helfen.
Problemfal­l Innenraum Stahlbeton­wände und metallbeda­mpfte Thermofens­ter schließen Mobilfunk oft so gründlich aus, dass nur noch Repeater helfen.
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Es gibt viel zu tun Die roten Markierung­en bezeichnen Orte, an denen Smartphone-User waren, aber niemand je Empfang hatte.
 ??  ?? Tief im Innern Die roten Kreuze markieren ein Hotel in Bochum, in dem es stellenwei­se keine Innenraumv­ersorgung gibt.
Tief im Innern Die roten Kreuze markieren ein Hotel in Bochum, in dem es stellenwei­se keine Innenraumv­ersorgung gibt.

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