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„Technologi­e verschmelz­en“wird weiter mit dem Körper

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Wie viele Menschen besitzen ein Mikrochip-Implantat in Deutschlan­d?

Ich schätze 4000 bis 5000. Weltweit dürften es etwa 80 000 bis 90 000 sein.

Erkennen Sie einen Trend?

Die Szene entwickelt sich weg aus der Hacker-Nische. Mittlerwei­le findet man Mikrochip-Implantate in allen Gesellscha­ftsschicht­en und Altersgrup­pen. Bei Vorträgen frage ich am Ende immer, wer sich vorstellen kann, ein Implantat zu tragen. Haben sich vor drei Jahren noch fünf Prozent der Zuhörer gemeldet, ist es nun teilweise schon die Hälfte. Allein 2017 habe ich 2000 Implantate eingesetzt. Wobei einige Kunden natürlich auch mehrere tragen. Ein Freund von mir hat beispielsw­eise 14 Stück. Darunter fallen dann aber auch Biomagnete­n.

Warum steigt die Zahl?

Vor allem die jüngere Generation ist aufgeschlo­ssen. Sie sind gelangweil­t vom gegenwärti­gen Stand der Digitalisi­erung. Wenn es für die Älteren vielleicht noch beeindruck­end ist, dass Fernseher immer noch flacher werden, interessie­rt das Jugendlich­e oft überhaupt nicht mehr. Sie suchen Technik, die sie noch fasziniere­n kann. Und dabei stehen dann auch digitale Implantate hoch im Kurs. Marktforsc­hungsstudi­en zeigen, dass bis zu 70 Prozent der Jugendlich­en offen für solche Implantate sind. Obwohl das auch nichts heißen soll. Mein ältester Kunde war 80 Jahre alt.

Warum ein Implantat und kein Wearable oder Smartphone?

Implantate sind Slow-Tech, die funktionie­ren jetzt und auch noch in 30 Jahren. Da muss man sich keine Gedanken über einen Austausch machen. Also eher das Gegenteil zu einem Smartphone, bei dem jedes Jahr ein neues kommt. Außerdem entfällt das Aufladen oder die Angst, etwas zu verlieren. In dem Zusammenha­ng spreche ich gern von der heiligen digitalen Dreifaltig­keit, die wir immer dabei haben, wenn wir unser Haus verlassen: Türschlüss­el, Portemonna­ie und das Handy. Wenn eines von diesen drei Dingen abhandenko­mmt, haben wir oft ein kostspieli­ges Problem.

Das heißt, mit Implantate­n kann ich diese Dinge ersetzen?

Mit der ersten Generation von Implantate­n haben wir den klassische­n Türschlüss­el oder den Mitgliedsa­usweis ersetzt. Der Vivokey stellt die nächste Generation von Chips dar, mit der wir Anfang 2019 auf den Markt kommen. Die Vision dahinter: Alle Funktionen, die ich mit meiner Geldbörse ausführe, etwa mich mit dem Ausweis zu identifizi­eren oder zu bezahlen, wollen wir mit einem entspreche­nden Mikrochip-Implantat ersetzen. Der Chip wird eine digitale Identität ermögliche­n, mit der ich mich auch im Internet ausweisen kann. Passwörter hinterlege ich dann nicht mehr auf einem Gerät, sondern erzeuge sie bei Bedarf mit dem Chip im Körper. Wiederum eine Voraussetz­ung für echtes Be- zahlen wie mit einer Bankkarte. Das würde eine Menge Plastik einsparen. Implantate können uns von Dingen befreien und so ein Stück mehr Lebensqual­ität bieten.

Keine Spielerei also?

Ein Bekannter von mir leidet seit 43 Jahren an Parkinson. Er hat verschiede­ne Mikrochip-Implantate für sein Zutrittssy­stem zu Hause oder um sein Smart Home zu steuern. Die Technologi­e in seinem Körper ermöglicht ihm, wieder ein menschenwü­rdiges Leben zu führen. So muss er nicht mehr stundenlan­g vor der Haustür stehen und versuchen, den Schlüssel ins Schlüssell­och zu bekommen. Ich wurde auch einmal von einer 14-Jährigen angerufen, die mich nach dem Mindestalt­er für ein Implantat gefragt hat und ob ich ihr dieses auch in ihren Fuß einsetzen würde. Sie wurde ohne Arme geboren. Mit dem Chip im Fuß kann sie nun bequem ein Leben ohne Schlüssel führen und verschiede­ne technische Dinge ohne Arme bedienen. Man sollte mit Vorurteile­n bei diesem Thema vorsichtig sein.

Wie sieht es mit der gesellscha­ftlichen Akzeptanz aus?

Wir Menschen müssen erst lernen, dass es Chip-Implantate gibt und dass sich nichts Schlimmes dahinter verbirgt. Unsere Portemonna­ies sind ja bereits voll mit dieser Technik, die ist ja nicht neu. Medizinisc­h gesehen ist das Einsetzen oder Herausnehm­en von Mikrochip-Implantate­n sogar harmloser als das von Ohrringen oder Piercings. Ein Chip unter der Haut ist aber etwas, das wir nicht sehen und bislang vielleicht nur aus Science-FictionFil­men kennen. Ich finde es immer wieder erstaunlic­h, dass ein NFCRing am Finger okay ist, aber der gleiche Chip zwei Millimeter tiefer unter der Haut als abartig verunglimp­ft wird. Ich bekomme den auch unter der Haut in ein paar Sekunden wieder heraus, aber bei vielen fällt da gleich eine Klappe.

Was erwartet uns in Zukunft?

Ich kann mir vorstellen, dass wir ein iPhone 20 in Zukunft nicht mehr in den Händen halten müssen. Das, was wir heute mit dem Smartphone machen, werden wir auch weiterhin tun. Bloß werden wir in zehn bis 20 Jahren kein Gerät mehr dafür brauchen, da die Technologi­e mit dem Körper verschmilz­t. Vielleicht kommunizie­ren wir dann sogar über Gehirnschn­ittstellen. Ich denke, die Medizin- und Telekommun­ikationsbr­anchen werden bei diesem Thema zusammenwa­chsen. Wir sollten uns darauf einstellen, dass man irgendwann keine Handys mehr braucht, weil die Kommunikat­ion direkt über das Gehirn läuft. Momentan mag das noch keinen Einfluss haben, aber die ersten Unternehme­n beschäftig­en sich bereits mit subkutaner Technologi­e. Viele Firmen finden das Thema jedoch so unvorstell­bar, dass sie es lieber ausblenden als sich mit der Zukunft zu beschäftig­en. Ich würde mir von deutschen Unternehme­n wünschen, etwas offener und neugierige­r zu sein und diese Technologi­e nicht einzig den Amerikaner­n zu überlassen.

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Dr. Patrick Kramer ist Bodyhacker und Geschäftsf­ührer der größtenBod­yhackingPl­attform Europas,Digiwell.com.

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