Blick in die Mobilfunknetze
Ist die Mobilfunkversorgung in Deutschland einer führenden Industrienation würdig? Eine Analyse der Netze nach neuesten Methoden und der Vergleich mit dem Musterschüler Schweiz zeigt akuten Aufholbedarf.
Mit der connect-App Funklöchern und mangelnder Versorgung auf der Spur.
as Jammern über schlechte Mobilfunkversorgung zu Hause, am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dazwischen ist in Deutschland genauso an der Tagesordnung wie die Beteuerungen von Politikern, diese Probleme in der kommenden Legislaturperiode durch Erhöhung der Förderung und Abbau der Bürokratie zu lösen.
Wir wollten genau wissen, wie weit Deutschland beim Mobilfunkausbau fortgeschritten ist und haben die Crowd-SourcingSpezialisten von P3 communications gebeten, einen Vergleich mit der in dieser Hinsicht vorbildlichen Schweiz anzustellen. Warum Crowd-Sourcing für solch eine Analyse hervorragende Möglichkeiten bietet, erklärt Hakan Ekmen, CEO von P3 communications, im Interview auf Seite 72. Die Grundlage für diese Auswertungen liefern Smartphone-Besitzer, die bei Nutzung der connect-App oder einer von mittlerweile rund 800 anderen Apps gestatten, dass P3 communications ihre anonymisierten Daten zur Netzmessung heranzieht.
Die Methodik
Um Aussagen über die Netzabdeckung treffen zu können, wird zunächst ein Raster von 2 x 2 Kilometern über das Land gezogen. Die so entstandenen Quadrate – Evaluation Areas (EAs) genannt – werden noch einmal in 16 kleinere Quadrate unterteilt, die sogenannten Tiles oder Kacheln. Um eine abgesicherte Aussage zur Versorgungslage treffen zu können, setzt P3 sowohl für die Kacheln als auch für die EAs eine bestimmte Nutzerzahl und eine feste Anzahl an Messwerten für jeden Netzbetreiber voraus. Wird diese bei einem Anbieter unterschritten, bleibt der entsprechende Ausschnitt der Landkarte der Fairness halber bei allen dreien leer und damit grau.
Um die Ergebnisse noch realistischer zu machen, haben wir nicht auf die reine Netzabdeckung geschaut, sondern die Qualität derselben betrachtet (QoC: Quality of Coverage). Sie gibt an, ob Telefonie oder Datendienste in der entsprechenden Evaluation Area auch funktionieren. Denn nicht überall, wo man Empfang hat, ist auch die Mobilfunknutzung möglich. Doch nach so viel grauer Messmethodik nun in medias res.
Nicht immer gut verbunden
Der Telefonievergleich zwischen Deutschland und der Schweiz (Abbildungen links) zeigt auf den ersten Blick, dass Deutschland sehr dicht besiedelt ist, während in der bergigen Schweiz weiträumige Areale unbewohnt bleiben. Doch wo die Kunden
sind, ist in der Schweiz auch guter Empfang vorhanden (blaue Punkte), nur ganz vereinzelt lassen sich rote Punkte als Zeichen gestörter Telefonie identifizieren. In Deutschland sieht das leider anders aus. Selbst die Telekom hat Schwierigkeit, überall da, wo die Kunden telefonieren möchten, gute Netzqualität in 2G, 3G oder 4G bereitzustellen. Vodafone und Telefónica zeigen größere Lücken bei der Versorgung.
Noch problematischer ist die Abdeckung bei Datendiensten, wo 2G von vorneherein außen vor bleibt. Hier findet sich bereits bei der führenden Telekom ein beträchtlicher Anteil schlecht versorgter, aber von Menschen frequentierter Gebiete. Vodafone versorgt nur etwas über die Hälfte der relevanten Flächen gut, Telefónica lediglich knapp über 40 Prozent.
Ganz anders in der Schweiz: Hier haben die Netzbetreiber zwischen 83 (Salt) und knapp 94
Prozent (Swisscom) ihrer abgedeckten Fläche gut im Griff – und ihre Netze zudem dort, wo die Kunden sind, auch besser ausgebaut.
Wer jetzt fragt, woran die auffällige Diskrepanz zwischen versorgter Fläche und Quality of Coverage liegt, wird häufig auf den Begriff „Interferenzen“stoßen. Durch falsche Anschlüsse und fehljustierte Antennen (Crossed Feeder und Antenna Overshot, siehe Kasten vorige Seite) sind zwei Antennensignale gleichzeitig zu empfangen, was im Smartphone zu hohen Bitfehlerraten führt. Telefonie und Datenübertragung brechen zusammen. Durch korrigierte Anschlüsse und nachjustierte Antennen ließen sich die meisten dieser Probleme lösen. Doch die Arbeit müsste an den Sende-
stationen erfolgen, was pro Standort nach Insiderinformationen mit einem vierstelligen Betrag zu Buche schlägt.
Das ist natürlich teuer, zumal die Investitionen in Deutschland auch durch die geringe Konzentration der Bevölkerung in die Höhe getrieben werden. Die Schweizer müssen bei vergleichbarer Bevölkerungsdichte nur einen Bruchteil ihres Landes versorgen und erreichen dank hoher Konzentration trotzdem fast jeden. Da die Eidgenossen zudem höhere Tarife für beste Netzversorgung akzeptieren, verdienen die Mobilfunker dort auch deutlich besser. Ihre deutschen Kollegen werden hingegen immer wieder durch Lizenzversteigerungen unter besonders harten Bedingungen vom Staat zur Kasse gebeten.
Rennen ohne Chance
So bietet sich leider ein wenig erfreuliches Bild: Für die Test Area Coverage und Quality of Coverage operiert der beste Netzbetreiber Deutschlands etwa auf dem gleichen Niveau wie der Drittplatzierte der Schweiz. Beim Speed kann die Alpenrepublik Deutschland mit 8,8 bis 9,5 Mbit/s im Schnitt gegenüber 4 bis 5 Mbit/s klar distanzieren. In den Spitzenraten sieht es mit rund 14 Mbit/s für Deutschland gegenüber rund 27 Mbit/s in der Schweiz ähnlich aus.
Aus den von P3 weltweit per Crowd-Sourcing ermittelten Parametern lässt sich eine Einordnung vornehmen: In diesem Ranking landet die Schweiz unter anderem hinter Südkorea und Taiwan auf dem fünften Platz, Deutschland muss sich hinter den Malediven, Irland und Südafrika mit Platz 79 zufriedengeben. Der Bundesminister für digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, fordert gerne Karten, die die Funklöcher in Deutschland ausweisen. P3 liefert diese Karten – und die zeigen deutlich, dass es Zeit wird, den Worten Taten folgen zu lassen. Die Politik muss den Mobilfunk als eine Kernkomponente zukünftigen Erfolgs endlich konsequent fördern.