Xiaomi Mi Mix 3
Weil die High-Ender von Apple, Huawei und Samsung jedes Jahr teurer werden, wird der Raum für günstige Alternativen größer. Und die werden immer besser, wie das Xiaomi Mi Mix 3 zeigt.
Beste technische Ausstattung zum moderaten Preis: Die Chinesen wissen, wie man Kunden glücklich macht.
Xiaomi ist seit der Gründung 2010 zu einem der größten Smartphone-Hersteller der Welt aufgestiegen und gilt neben Huawei als eines der Vorzeigeunternehmen, wenn es um die chinesische Aufholjagd im Technologiesektor geht. Die Smartphones mit dem X sind überall Verkaufsschlager, weil kaum ein anderer Hersteller so tief mit den Preisen runtergeht. Das beste Beispiel ist das von uns in Ausgabe 1/19 getestete Pocophone F1, das eine gehobene Ausstattung für 350 Euro bietet, ohne bei der Produktqualität einzubrechen. Der neueste Streich der Chinesen ist das Mi Mix 3, das wie das Pocophone neuerdings bei Mediamarkt und Saturn in den Regalen zu finden ist. Die beiden Elektronikketten haben Xiaomi im Dezember 2018 in ihr Sortiment aufgenommen. Das dynamische Unternehmen ist bereits seit Längerem in europäischen Ländern wie Österreich oder Spanien aktiv und dürfte seine Präsenz 2019 in Deutschland noch weiter ausbauen.
Kratzfester Keramikrücken
Für den Kunden sind das gute Nachrichten. Denn während Apple, Samsung und Huawei die Preisschraube immer stärker anziehen,
gibt’s bei Xiaomi Alternativen, die ein paar Hundert Euro günstiger sind, aber trotzdem technische Innovationen bieten. Das Mi Mix 3 ist das beste Beispiel. Es ist das einzige aktuelle Smartphone in Deutschland, bei dem die Frontkamera hinter einem Slider-Mechanismus sitzt: Will man ein Selfie schießen, nimmt man das Phone in die Hand und schiebt das Display mit dem Daumen etwa einen Zentimeter nach unten. Dieser Trick erspart dann auch die ungeliebte Notch auf dem Display. Anfängliche Befürchtungen, dass die beweglich gelagerte Oberseite wackelt, bestätigten sich nicht.
Trotz Slider sitzt beim Mi Mix 3 al les bombenfest. Ob die Mechanik auch nach einem Jahr noch zuverläs sig funktioniert, muss sich zeigen.
Haptik und Verarbeitung sind generell exzellent. Die glänzende Rückseite mit der herausstehenden Doppeloptik und der Metallrahmen, der an den langen Seiten schmaler wird, erinnern an das Huawei P20. Das Mi Mix 3 setzt aber nicht auf Glas, sondern auf Keramik. Auf den ersten Blick lässt sich die Ober fläche von Glas nicht unterscheiden, auch, weil sie genauso fingerab druckanfällig ist. Sie ist aber außer ordentlich kratzfest. Leider fehlt dem Gehäuse eine IPZertifizierung, was ein klarer Kritikpunkt ist.
Das naheliegendere Problem ist jedoch das hohe Gewicht von knapp 220 Gramm, das in dieser Größen klasse weit über Durchschnitt ist und sich schnell in der Hand bemerkbar macht. Dass das Phone mit neun Millimetern Bauhöhe außerdem et was dicker ist, hat uns dagegen nicht gestört. Wir waren vielmehr über rascht, dass es den Ingenieuren ge lungen ist, trotz Schieber unter zehn Millimeter zu bleiben.
Display randlos, Kamera top
Entschädigt wird man mit einem 6,4ZollDisplay im gestreckten 19,5:9Format, das überall bis an den Rand reicht und wie gesagt nir gendwo von einer Einkerbung un terbrochen wird. Die Qualität der Anzeige bewegt sich im Mittelfeld und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck, wohl aber die Symmetrie der Darstellung. Daran gewöhnt man sich sofort und möchte nie wie der zur „Notch“zurück.
Den Antrieb übernimmt Qual comms 2018er Spitzenmodell Snap dragon 845, flankiert von üppigen
6 GB RAM. Die Kombi liefert in jeder Situation eine souveräne Performance und ist auch 2019 eine gute Wahl für ein Phone auf dem Preisniveau eines Mi Mix 3. Der Speicher fasst 128 GB, was angemessen ist. Vermisst haben wir allerdings eine Speichererweiterung per Micro-SD. Zwei SIM-Karten kann man nutzen.
Die Kamera-Ausstattung kann problemlos mit den ganz Großen mithalten, die hochauflösende 24Megapixel-Frontkamera gehört sogar zum Besten, was derzeit zu haben ist. Weil Xiaomi einen zweiten Tiefensensor einbaut, gelingen exzellente Fotos im Porträtmodus. Die Hauptkamera kombiniert eine Standard-Weitwinkel-Brennweite mit einer Zoom-Optik. Die Fotoqualität ist bei allen Lichtverhältnissen exzellent, allerdings gefällt uns das Mate 20 Pro im Nachtmodus besser, auch beim Zoomen hat Huawei die Nase knapp vorn – in beiden Fällen sind die Unterschiede nicht groß. Die Kamera-Oberfläche gefällt mit Übersicht und modernem Look, bietet aber keine besondere Einstellungsvielfalt, so fehlt zum Beispiel eine RAW-Option. Praktisch: Die KI-Automatik lässt sich mit einem Fingertipp deaktivieren.
Guter Software-Support
Als Systembasis dient Android 9, über das Xiaomi seine Benutzeroberfläche MIUI gelegt hat. Die ist genauso stark modifiziert wie Huaweis EMUI und Samsungs Experience UI. Wer von diesen Herstellern zu Xiaomi wechselt, wird sich schnell zurechtfinden, denn die Oberflächen sind allesamt ähnlich komfortabel aufgebaut und zeichnen sich durch eine enorme Einstellungstiefe aus. Stellvertretend dafür steht die Möglichkeit, das Öffnen des Sliders mit einer Aktion zu verknüpfen – ab Werk startet die KameraApp im Selfie-Modus, man kann aber auch den Browser oder den Rechner anwerfen. Ebenfalls eine Erwähnung verdient das „Zweit-
profil“, eine per PIN oder Finger abdruck geschützte zweite Benut zeroberfläche, mit der sich Privates und Geschäftliches trennen lassen. Auch bei SystemUpdates fällt der Befund positiv aus: Xiaomi ver öffentlicht regelmäßig frische Software bis hinunter in den Ein steigerbereich.
Genauso üppig wie die Software präsentiert sich übrigens der Liefer umfang. Die Chinesen legen ein Qi Ladepad mit in den Karton, außer dem ein Schnellladenetzteil und ei ne Schutzhülle. Mit Blick auf den Preis sind das bemerkenswerte Bei gaben, die man bei den teuren Her stellern oft vergeblich sucht.
Tolles Gesamtpaket
Aus dem Testlabor kommen über wiegend gute Nachrichten. Zuerst die schlechten: Die niedrige Aus gangsspannung über den Klinken adapter verhindert, dass hochwerti ge Kopfhörer ihr volles Potenzial entfalten können. Dieses Problem lässt sich per Bluetooth umgehen.
Den mäßigen Klang über den nach unten abstrahlenden Mono-Lautsprecher muss man dagegen akzeptieren – für audiophile Nutzer ist das Mi Mix 3 also nicht erste Wahl. Die Funkeigenschaften gehen dagegen in Ordnung, nur bei GSM schwächelt das Phone. Vom Akku kann man das nicht behaupten: Trotz einer mit 3200 mAh nur mäßigen Kapazität hielt er 9:55 Stunden durch – das ist spitze. Mit diesem Smartphone machen Käufer nichts verkehrt.