VodafoneCEO Hannes Ametsreiter im Interview
Sie haben letztes Jahr zu einem Pressetermin in Ihrem 5G Mobility Lab in Aldenhoven geladen. Das Gespräch führten Sie allerdings nicht vor Ort, sondern als Holo gramm aus der Firmenzentrale in Düsseldorf. Ist Vodafone Vorreiter der digitalen Revolution?
Unsere Vision ist eine Welt ohne Staus, ohne Unfälle und ohne Verkehrstote. Eine Welt, in der EBikes, Autos und Maschinen Informationen austauschen. Eine Welt, in der wir Freunde und Verwandte jederzeit besuchen können – ganz egal, wo sie sich befinden. Zum Beispiel als Hologramm. Diese Vision treibt uns an. Wir wollen diese Welt mitgestalten. Als Digitalpartner der deutschen Wirtschaft. Und als Vorreiter für Innovationen. Es ist wichtig aufzuzeigen, welche Möglichkeiten neue Technologien bieten. Zu zeigen, wie 5G unseren Alltag verbessert. Bei einem Hologramm etwa denken viele an Science Fiction. Doch was noch vor Kurzem als Science Fiction galt, wird immer mehr zur Realität. Wir schaffen die Voraussetzung dafür. Unsere Technik ist bereit. Und sie kann helfen, geografische Grenzen zu überwinden. Uns mit unseren Liebsten zusammenzubringen.
Sie verdienen das meiste Geld mit Handyverträgen. Wie wird sich das Geschäftsmodell bei 5G ändern?
Das Internet der Dinge bringt ganz neue Möglichkeiten. Längst tauschen wir nicht mehr nur mit unseren Smartphones per Mobilfunk Informationen aus. Straßenlaternen, Mülleimer oder sogar Schiffe lernen sprechen. Aus Autos werden Büros und Entertainment-Center. Aus Städten werden Smart Cities. Aus Industriehallen werden Smart Factories. Aus Unternehmenszentralen werden smarte Arbeitsplätze. Sogar auf Bauernhöfen hält das Internet der Dinge Einzug und unterstützt unsere Landwirte bei der Arbeit. Weltweit funken bereits 81 Millionen Gegenstände in unserem Mobilfunknetz. 5G wird diesen Trend weiter befeuern. Vor allem in der Industrie ergeben sich neue Geschäftsmodelle. Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir intelligente Rundum-Lösungen – für das Auto, für smarte Städte, für den Mittelstand. Es geht dabei um die Datenübertragung in Echtzeit. Und es geht um die Datenanalyse. Wir wollen Daten mit künstlicher Intelligenz so verknüpfen, dass sie automatisch bestimmte Aktionen auslösen und so den Alltag für uns Menschen verbessern.
Wir haben im Mobilfunk alle zehn Jahre einen Technologiesprung. Doch bei 5G unterscheiden sich die Anforderungen an die Netz infrastruktur gewaltig. Welche Herausforderungen müssen die Netzbetreiber meistern?
Wir machen unser Mobilfunknetz schon heute bereit für 5G. Mit der intelligenten Antennentechnik „Beamforming“und unserem Maschinennetz „Narrowband IoT“bringen wir erste 5G-Technologien in unser bestehendes LTE-Netz. Wir erhöhen die verfügbaren Kapazitäten im Mobilfunknetz und schaffen die Voraussetzung, um Milliarden Gegenstände zeitgleich und kostengünstig zu vernetzen. Gerade zu Beginn müssen sich 5G und LTE optimal ergänzen. Die fünfte Mobilfunkgeneration erfordert den Bau von neuen Mobilfunkmasten ebenso wie die aufwendige Modernisierung bestehender Mobilfunkstandorte. Daten müssen zukünftig in direkter Nähe der Mobilfunkstandorte verarbeitet werden. Dafür werden winzige „EchtzeitRechenzentren“benötigt, die sogenannte Edge Cloud. Bei 5G gibt es nicht die eine Erfolgsformel. Jede Branche, jeder Kunde und jede Anwendung hat individuelle Anforderungen an die Technologie. Und mit 5G können wir das Netz für jeden Kunden maßschneidern. Wichtig ist es daher, jetzt die richtigen Weichen für einen schnellen 5GAusbau zu stellen. Nur mit einer investitionsfreundlichen Politik können wir in Deutschland eine erstklassige 5G-Infrastruktur bau-
„National Roaming schließt keine Funk löcher – das tun nur Funkmasten.“
en, die unsere Wirtschaft auch in Zukunft an der Spitze hält.
5G wird die Gesellschaft gravierend verändern. Viele befürchten, dass durch die Vernetzung von Milliarden Geräten untereinander und die Automatisierung von Arbeitsprozessen etliche Jobs wegfallen. Wie sehen Sie das Ganze?
Technische Innovationen bringen Veränderungen. Das ist schon immer so gewesen. Die industrielle Revolution hat unsere Wirtschaft verändert. Auch die digitale Revolution wird das tun. Arbeitsmodelle werden sich wandeln. Es wird Orte geben, an denen Roboter und Maschinen uns unterstützen werden – beispielsweise dort, wo es für uns Menschen gefährlich oder gesundheitsschädlich ist. Die Digitalisierung bringt aber auch ganz neue Berufe. Zum Beispiel in der ITBranche. Deshalb stehen wir in der Pflicht, unsere Kinder schon heute auf die digitale Zukunft vorzubereiten und die Kompetenzen von morgen zu vermitteln. In der Schule, im Kindergarten und im Alltag. Je früher diese Ausbildung startet, desto besser. Wir müssen unsere Kinder mit dem Rüstzeug für die digitale Zukunft ausstatten.
Die deutschen Netzbetreiber wollen bei 5G Vorreiter sein, doch selbst bei der LTE-Abdeckung gibt’s noch jede Menge Lücken. Warum hinkt Deutschland hier nicht nur den europäischen Nachbarn hinterher?
Die Netze in Deutschland sind gut – aber sie sind noch lange nicht gut genug. Auch ich ärgere mich, wenn das Gespräch abbricht oder ich im Schneckentempo surfe. Wir müssen noch besser werden. Unsere Techniker bauen deshalb in diesem Jahr doppelt so schnell und schließen mit 4000 Bauprojekten 22 000 Quadratkilometer LTE-Funklöcher. Ich wünsche mir, dass sich endlich auch die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern, um Mobilfunk schneller auszubauen. Einen neuen LTE-Masten zu errichten, dauert in Deutschland etwa zwei Jahre – von der Anmeldung über die behördlichen Genehmigungen bis zum Bauverfahren. In anderen Ländern braucht es oft nicht einmal sechs Monate. Es kommt sogar vor, dass wir neue Mobilfunkmasten wieder abbauen müssen, weil Genehmigungen nachträglich zurückgezogen werden. Das verzögert den Ausbau in Deutschland extrem. Was zudem wirklich hilft, sind MobilfunkFörderprogramme für die weißen Flecken, wie sie etwa Bayern aufgelegt hat. Mobilfunkförderung ist ein echter Weiße-Flecken-Killer. Eine Mobilfunkförderung schließt die weißen Flecken schneller als es irgendein Roaming auch nur im Ansatz kann, denn das wird Jahre dauern. Mit einer Mobilfunkförderung wandern alle Investitionen direkt in Funkmasten und nicht in teure Technologie, um Netze notdürftig zusammenzuflicken. Denn eines ist klar: „National/Regional Roaming“schließt keine Funklöcher – das tun nur Funkmasten.
Die Netzbetreiber haben unisono gegen die Vergaberegeln der anstehenden Frequenzauktion geklagt. Was bemängeln Sie?
Wir, Politik und Wirtschaft, haben den Füller in der Hand, um in diesem Jahr die deutsche Digital-Geschichte zu schreiben. Ich wünsche mir, dass uns Weisheit und Weitblick die Feder führen. Mit den vorgeschlagenen Vergaberegeln betreiben wir in Deutschland jedoch Klientelpolitik für einzelne Spieler, die die Infrastruktur gar nicht selbst bauen, sondern sich über „National Roaming“ins gemachte Netz anderer Betreiber setzen wollen. In ländlichen Regionen unterstützen wir den Gedanken, die vorhandene Infrastruktur mit denen, die wirklich in Deutschlands Infrastruktur investieren wollen, zu teilen. Aber das dann doch besser über gemeinsam genutzte Funkmasten.
Auch beim Breitbandausbau herrscht keine Einigkeit: Vodafone setzt auf Kabel und Glasfaser, die Telekom vertreibt zumindest mittelfristig noch Kupferkabel. Warum gibt’s keinen gemeinsamen Plan? Sehen Sie mit diesen Differenzen den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet?
Deutschland wird nur mit GigabitGeschwindigkeiten einen weltweiten Spitzenplatz einnehmen. Und wenn wir von Gigabit-Geschwindigkeiten reden, dann reden wir von Kabel und Glasfaser. Wir setzen auf den Mix dieser beiden Gigabit-Technologien. Schon heute haben wir so 6,6 Millionen Haushalte zu Gigabit-Haushalten gemacht. Wenn die geplante Übernahme von Unitymedia gelingt, werden wir bis 2022 GigabitAnschlüsse für 25 Millionen Haushalte verfügbar machen. Es ist aus meiner Sicht der falsche Weg, Deutschlands digitale Zukunft mit veralteter Technologie zu bauen. Langsames Kupfer wird dem Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig schaden.