Galaxy-S21-Serie: großer Wurf oder Mogelpackung?
Samsung hat seine 2021er-Flaggschiffe bereits im Februar vom Stapel gelassen und fährt damit nicht nur einen Frühstarterbonus ein. Die Koreaner legen auch eine rundum gelungene Serie auf den Tisch.
Das Smartphone-Jahr fing in diesem Jahr richtig früh an. Samsung lud bereits Mitte Januar zu einem virtuellen Unpacked-Event ein, auf dem die neue S21-Serie zusammen mit den Galaxy Buds Pro und den SmartTags vorgestellt wurde. Seit Anfang Februar kann man die Geräte kaufen. Zum Vergleich: Die S20-Serie wurde am 12. Februar präsentiert und war erst Mitte März 2020 erhältlich. Auf die Frage hin, warum man in diesem Jahr so früh dran ist, antwortete ein Unternehmensvertreter sinngemäß, dass man in diesem Jahr eben so früh fertig geworden sei. Wahrscheinlich hat der Weltmarktführer aus Korea in der aktuellen Corona-Ausnahmesituation und dem damit verbundenen verspäteten Start der 12er-iPhones, gepaart mit der Schwäche des ehrgeizigen Wettbewerbers Huawei, eine Möglich
keit gesehen, an der Konkurrenz vorbeizuziehen. Eine Rolle dürfte auch der wachsende Druck von chinesischen Aufsteigern wie OnePlus und Oppo sein. Wie auch immer die Gründe genau gelagert sind, der Frühstarterbonus ist Samsung in diesem Jahr sicher, kein anderer Hersteller hat so früh seine Karten auf den Tisch gelegt. Auch beim Gehäuse gibt sich Korea überraschend mutig: Das neue Design mit der fließend in den Rahmen übergehenden Kameraeinheit ist sehr gelungen. Was auf den Produktfotos etwas aufgesetzt und wie angeklebt wirkt, bildet in natura eine organische Einheit mit fließenden ineinander übergehenden Formen. Dabei folgt Samsung dem aktuellen Trend und liefert alle S21-Varianten mit einer matten Rückseite. Keine Milchglasoptik, vielmehr erinnert die Oberfläche an Keramik. Das sieht edler aus
als jedes Hochglanzdesign, und Fingerabdrücke haben keine Chance. Während das S21 Ultra nur in Schwarz und Weiß angeboten wird, gibt es vom S21+ auch eine violette Variante. Die größte Auswahl bietet das S21 mit vier Farben: Violett, Grau, Weiß und Pink. Weitere Farbvarianten bietet Samsung exklusiv über seinen Online-Shop an.
Die feinen Unterschiede
Natürlich sind alle drei S21 wasserfest nach IP68. Ein Metallrahmen umschließt die Gehäuse und vermittelt eine hohe Stabilität. Die Verarbeitung ist überall Spitzenklasse, bei der Haptik gibt es dagegen einen großen Unterschied. Während beim S21+ und S21 Ultra Vorder- und Rückseite von Gorilla Glass 7 geschützt werden, kommt das günstigste Modell der Serie, das S21, mit einer Rückseite aus Polycarbonat. Samsung verweist auf die höhere Bruchresistenz, aber wir halten das für einen klaren Nachteil. Kunststoff ist kratzempfindlicher als Glas und haptisch nicht so hochwertig. Smartphones mit Kunststoffrückseite liegen nicht so kühl in der Hand wie Glas – das Material hat in der Premium-Klasse nichts verloren. Im Gegenzug ist das S21 das mit Abstand leichteste und kompakteste Modell der neuen Serie, das gut in der Hand liegt und auch in engen Hosentaschen nicht drückt. Das Galaxy S21 Ultra ist am anderen Ende der Fahnenstange angesiedelt. Mit 228 Gramm ist es noch einmal schwerer als der Vorgänger. Es bringt sogar zwei Gramm mehr auf die Waage als Apples Superschwergewichtler iPhone 12 Pro Max. Hinzu kommt,
dass das Gewicht nicht gleichmäßig verteilt ist. Der Schwerpunkt liegt auf der Kameraeinheit, was besonders im Vergleich mit den anderen S21ern auffällt. Das Gehäuse hat Schlagseite nach oben links, und wenn man das Ultra länger in der Hand hält, macht sich das bemerkbar. Dass man einen 6,8-Zöller auch kompakter bauen kann, zeigt OnePlus mit dem 8 Pro, das nur 200 Gramm wiegt und etwas schmaler gebaut ist. Auch die Größe ist ein Problem. Die Kameraeinheit ist zwar organischer im Gehäuse integriert als bei den Vorgängern, sie steht aber immer noch weit heraus: 1,9 Millimeter (statt 2,3 Millimeter beim S20 Ultra und 2,7 Millimeter beim Note 20 Ultra) sind mächtig, zumal das Phone mit 9 Millimetern sowieso keinen Schlankheitspreis gewinnt. Das S21 Ultra gehört zu den größten und schwersten Smartphones
auf dem Markt. Den goldenen Mittelweg markiert das S21+ mit moderaten 200 Gramm und einer nicht so dominanten Kameraeinheit. Der Vergleich mit anderen TopModellen wie dem Xiaomi Mi 10 Pro, dem Huawei Mate 40 Pro und dem Oppo Find X2 Pro zeigt: In der 6,7-Zoll-Liga gehört Samsungs Plus-Modell zu den besonders schlanken Phones.
Der auffälligste Unterschied betrifft das Display: Beim Galaxy S21 Ultra sind die langen Seiten etwas gebogen, bei den anderen beiden Modellen liegt das Displayglas dagegen plan auf. Die Frage, was besser ist, wird immer wieder heiß diskutiert. Die einen sagen, gebogene Ränder führen zu vermehrten Fehleingaben, die anderen sagen, gebogene Ränder bieten mehr Fläche und sehen moderner aus. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Ultra-exklusiv ist zudem die hohe Auflösung von 3200 x 1440 Pixeln. Beim Galaxy S20 und S20+ müssen 2400 x 1080 Pixel reichen, aber dieser Unterschied ist für das Auge nicht sichtbar. Messtechnisch sind alle drei Anzeigen sehr gut, vor allem der Boost-Modus, der in einer besonders hellen Umgebung kurzzeitig aktiviert wird, beeindruckt mit >1000 Candela. Mit dieser Leuchtkraft kann man auch an einem Sommertag im Freien noch gut Inhalte erkennen. Das Niveau von Apples 12er iPhones erreicht Samsung aber nicht, die Panels sind bei Apple noch blickwinkelstabiler und (ohne Boost) heller. Den iPhones fehlt aber die hohe Bildwiederholrate von 120 Hertz, die bewegte Inhalte geschmeidig über den Bildschirm gleiten lässt. Erstmals bei Samsung kann man die höchste Auflösung mit der höchsten Bildwiederholrate kombinieren.
Der dritte große Unterschied heißt S Pen. Das S21 Ultra ist das erste und bisher einzige Smartphone außerhalb der Note-Serie, das den Stift unterstützt. Er ist einzeln oder in
Kombination mit einem Cover erhältlich, das auch den Stift beherbergt. Weil der S Pen nicht im Gehäuse untergebracht werden muss, kann Samsung ihn mehr wie einen Stift konzipieren, also etwas größer und griffiger. Ein weiterer wichtiger Unterschied: Bluetooth wird nicht unterstützt. Der Stift muss also nicht geladen werden, aber die vom Note 20 bekannten Extras wie das Fernauslösen der Kamera per Stift sind eben auch nicht möglich. Der S Pen kostet einzeln 40 Euro. Mit Clear View Cover und S Pen steigt der Preis auf 95 Euro, mit Silikoncover und S Pen bezahlt man 70 Euro.
5G ist Standard
Alle Smartphones der S21-Serie sind mit 5G ausgestattet, weshalb sich der Zusatz „5G“erübrigt. Es verfestigt sich damit ein Trend, der schon im Vorjahr absehbar war: 5G ist eine Normalität und keine Besonderheit mehr. Alle in Deutschland relevanten 5G-Frequenzen im Sub-6-Ghz-Band werden unterstützt. Zudem werden mehr LTE-Ankerband-Kombinationen als bei anderen Smartphones unterstützt, etwa B7+N1 und B7+N3. Im Gegensatz zu der in den USA verkauften Variante funkt das europäische S21 Ultra nicht im kurzwelligen Millimeterwellenbereich (mmWave), was allerdings kein Beinbruch ist, weil das dafür erforderliche Spektrum noch gar nicht von der Bundesnetzagentur vergeben ist und damit auf absehbare Zeit keine nennenswerte Rolle spielen wird.
Auch unterhalb von 5G geben sich die S21er sehr verbindungsfreudig, Samsung-typisch wird praktisch alles unterstützt, was technisch gerade möglich ist. Die Koreaner integrieren LTE Cat 20, WiFi 6 und natürlich Bluetooth und NFC. S21 Ultra und S21+ funken zudem auch den Nahfunkstandard Ultra Wide Band (UWB). Dieser ist mit Bluetooth vergleichbar, hat aber einige Vorteile: niedrigere Latenz, höhere Datenraten und eine bessere Sicherheits
architektur. Außerdem ist damit eine Positionsbestimmung im Raum möglich. Samsung nutzt Letzteres, um mittels SmartTags+ verlorene Gegenstände wiederzufinden. Weitere Szenarien sind denkbar, aber noch nicht serienreif, etwa das Öffnen von Tür- und Autoschlössern mittels UWB. Auch an einem anderen Punkt ist man mit Samsung ganz vorne dabei: Das S21 Ultra beherrscht WiFi 6E, eine Erweiterung von WiFi 6, für die es momentan noch gar keine Router gibt.
Alle Modelle der S21-Serie haben zwei Nano-SIM-Slots und eSIM. Sie lassen sich zwar nicht mit drei SIM-Karten betreiben – das geben die aktuellen Antennenkonstruktionen nicht her – geben dem Nutzer aber die maximale Wahlfreiheit bei seiner 2er-Kombination.
Enttäuscht sind wir von Samsungs Entscheidung, bei allen Modellen auf eine Klinkenbuchse und auf einen microSD-Einschub zu verzichten. Eine weitere Enttäuschung ist der Lieferumfang, denn weder Netzteile noch Kopfhörer liegen bei. Natürlich spielt der Umweltaspekt eine Rolle, aber bei einem Premium-Produkt sollte es zumindest möglich sein, das Zubehör bei Bedarf kostenlos nachzufordern.
Samsung hat 120 Hertz im Griff
Die Akkulaufzeit hat bei allen drei Modellen im Vergleich mit den Vorgängern zugelegt, was ein Beleg ist für die Energieeffizienz des Exynos 2100. Schauen wir uns das S21 Ultra genauer an: Mit 10:58 Stunden (60 Hertz) in unserem Ausdauertest wird eine sehr gute Laufzeit erreicht, die auch den härtesten Intensivnutzer locker durch den Tag bringt. Da wir immer auch mit der maximalen Bildwiederholrate messen, können wir an dieser Stelle Entwarnung geben: 120 Hertz haben zwar einen Einfluss auf die Akkulaufzeit, mit 10:10 Stunden versus 10:58 Stunden ist er aber überschaubar. Die anderen Modelle halten zwar nicht ganz so lange durch, bewegen sich aber allesamt im grünen Bereich. Ein großer Pluspunkt und mittlerweile typisch für Samsungs Topliga: Kabelloses Laden ist mit maximal 15 Watt möglich und wird in beide Richtungen unterstützt, man kann also sein Zubehör mit dem Smartphone laden. Bei den Funkeigenschaften sind alle Modelle in den von uns gemessenen Netzen (2G, 3G, 4G) in einem positiven Sinne unauffällig. Das S21 liefert aber die besten Ergebnisse. Bei der Akustik hat das S21+ die Nase vorn. Das Ultra kann sich innerhalb des Dreierverbundes nicht an die Spitze setzen und lässt ein paar Punkte liegen. Das führt am Ende zu einer Reihenfolge, die den einen oder anderen überraschen dürfte.