Kooperation im Festnetz
Obwohl die Netzbetreiber um jeden einzelnen Kunden kämpfen, arbeiten sie hinter den Kulissen zusammen. Denn flächendeckende Gigabit kann keiner alleine stemmen.
Um beim Ausbau schneller Internet verbindungen besser voranzukom men, arbeiten die Anbieter trotz aller Konkurrenz nicht nur gegeneinander.
Es ist noch nicht lange her, da stiegen die deutschen Fest netzbetreiber regelmäßig in den Ring und gingen verbis sen aufeinander los. Heute verfolgen die Schwergewichte gemeinsame Ziele und setzen auf langfristige Partnerschaften.
Politik fordert und fördert
Der Richtungswechsel kommt nicht von ungefähr: Schon seit Jahren sorgt die unzureichende Breitband versorgung hierzulande für Unmut, nicht nur in der Bevölkerung. Auch die Politik drängt auf einen zügigen Ausbau: Vor zwei Jahren versprach die Bundesregierung, bis 2025 alle Haushalte mit bis zu 1 Gbit/s aus zustatten. Dazu sind insgesamt 12 Milliarden an Fördergeldern vorgesehen. Auch hat man das Ver gabeverfahren für die Mittel verein facht, denn das wurde von der In dustrie als zu kompliziert geschol ten. Das ist ganz im Sinne der EUKommission, die bereits seit 2016 die Strategie verfolgt, allen EUBürgern bis 2025 Gigabit Internet zu ermöglichen.
Doch ob die Vorgabe der Regieren den in der gewünschten Zeit erfüllt wird, bleibt abzuwarten. Laut dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ver fügen 94,5 Prozent der Haushalte hierzulande über einen Breitband zugang mit bis zu 30 Mbit/s, die allermeisten davon sind via VDSL angeschlossen. Zur Erinnerung: Be reits 2018 wurden 50 Mbit/s, die damals als Mindestmaß vorgegeben waren, nicht erreicht. Und immer noch ist das StadtLandGefälle im mens: Während über 95 Prozent der Hamburger mit bis zu 1 Gbit/s un terwegs sind, müssen sich 79,6 Pro
zent der Bürger MecklenburgVor pommerns mit maximal 30Mbit/s begnügen. Damit sind auch hand feste Standortnachteile verbunden.
Die Zeit drängt: Die Pandemie hat noch einmal klar verdeutlicht, wie existenziell eine flächende ckende schnelle Breitbandversor gung ist. Wenn ein großer Teil der Bevölkerung im Homeoffice ar beitet und zugleich der Nachwuchs dem Schulunterricht digital folgen soll, ist eine funktionierende Infra struktur unverzichtbar. Dessen sind sich die Netzbetreiber nur allzu bewusst und wollen die Missstände gemeinsam angehen.
Vodafone setzt auf Kabel
So haben Ende letzten Jahres Tele kom und Vodafone ihre Festnetz kooperation um zehn Jahre verlän gert. Seit 2013 darf Vodafone auf das VDSLNetz der Bonner zu greifen und kann auf diese Weise Anschlüsse mit bis zu 250 Mbit/s an die Kunden verkaufen, die die Düsseldorfer nicht mit ihrem Kabel netz versorgen können. Dank des verlängerten Vertrags hat Vodafone nun auch Zugriff auf das Glasfaser netz der Telekom.
„Mein Ziel ist: Bis 2030 hat jeder Haushalt in Deutschland einen Anschluss mit Glasfaser.“
Tim Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG
Das Hauptgeschäft von Vodafone läuft freilich nach wie vor übers TVKabel: Mit der Übernahme von Unitymedia vor zwei Jahren hat sich der TKKonzern zum größten Kabel betreiber aufgeschwungen und ver treibt mittlerweile in allen 16 Bun desländern schnelle Breitbandan schlüsse via Kabel. Die Rheinländer haben sich schon länger zur Gigabit Company ausgerufen und setzen den Ausbau konsequent um: Von insgesamt 28 Millionen Gigabit Zugängen in Deutschland hat Voda fone 22 Millionen unter Vertrag.
Telekom priorisiert Glasfaser
Auch die Bonner schlafen nicht, im Gegenteil: CEO Tim Höttges will bis 2030 jedem deutschen Haushalt einen Glasfaseranschluss anbieten. Bislang hat der Branchenprimus rund zwei Millionen Haushalte an sein Glasfasernetz angeschlossen. Laut Plan sollen im Schnitt rund zwei Millionen weitere FTTHAn schlüsse jährlich folgen. Doch selbst Europas größter TKKonzern sucht nicht mehr den Alleingang, sondern von sich aus die Nähe zum Wettbewerb: „Die Digitalisierung Deutschlands ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft“, so Srini Gopalan, DeutschlandVorstand der Telekom. „Deshalb müssen wir unsere Kräfte in allen Bereichen bündeln. Wir nutzen alle Formen von
Kooperationen und arbeiten bereits erfolgreich mit Partnern zusammen: vom lokalen Stadtnetzbetreiber bis zum Wettbewerber.“
Im Zuge dessen hat der Komplett anbieter seine Kooperationen mit Telefónica Deutschland und neuer dings auch 1&1 um weitere zehn Jahre verlängert. Wie bei Vodafone stellt die Telekom auch hier neben den Kupferanschlüssen erstmals Glasfasernetze von bis zu 1 Gbit/s zur Verfügung. Kontingentverträge sichern der Telekom eine Abnahme, die die hohen Investitionen in die Netze zum Teil refinanzieren. Dass die Bundesregierung das Nebenkos tenprivileg kippen will, das Mieter zu Zahlung von TVKabelanschlüs sen verpflichtet, ist den Bonnern natürlich recht. Der Bundesrat stellt sich jedoch gegen diesen Plan.
Telefónica setzt auf Allianzen
Telefónica verstärkt sein Festnetz geschäft ebenfalls: Seit Ende Januar vertreiben die Münchner dank der Zusammenarbeit mit Vodafone flächendeckend Kabelanschlüsse, wenn auch mit gebremstem Tempo von bis zu 300 Mbit/s. Somit kann O2 seine Internetpakete an 24 Milli onen Kabelhaushalte verkaufen. Für Überraschung sorgt der Schulter schluss mit der Allianz: In den nächsten sechs Jahren will das junge Joint Venture 2,2 Millionen Haus
halte in vorwiegend ländlichen und bisher unterversorgten Gebieten mit Glasfaser beglücken.
Was Vodafone in Sachen Glas faser plant, erläutert Deutschland Chef Hannes Ametsreiter im Inter view auf der folgenden Seite.
„Der flächendeckende Kabelvertrieb ist für O2 ein entscheidender Hebel für ein beschleunigtes Wachstum im Festnetzgeschäft.“
Wolfgang Metze, Privatkundenvorstand von Telefónica Deutschland / O2