Find X3 mal drei: Oppo legt nach
Nach Samsung hat nun auch Oppo alle Karten auf den Tisch gelegt und mit der Find-X3-Serie seine Top-Smartphones für die erste Jahreshälfte vorgestellt. Wie stehen die Chancen gegen den Marktführer?
Für Oppo läuft es gerade richtig gut. Der chinesische Aufsteiger hat im Heimatmarkt Huawei von Platz 1 verdrängt und geht auch im Ausland verstärkt in die Smartphone-Offensive. Mittlerweile ist man in mehr als 40 Ländern aktiv, beschäftigt mehr als 40 000 Mitarbeiter und pflegt beste Beziehungen zu vielen namhaften Netzbetreibern weltweit. Ein wichtiger Baustein der Expansionsstrategie ist Europa und hier vor allem Deutschland. Die Europazentrale hat im letzten Jahr nicht ohne Grund in Düsseldorf eröffnet.
Nachdem man 2020 trotz Corona erfolgreich in Deutschland gestartet ist und ein breites Portfolio von Einsteigerbis Mittelklasse ausgerollt hat, soll es in diesem Jahr weiter steil bergauf gehen. Das kann aber nur gelingen, wenn die Find-X-Serie, die anders als die Reno- (Mittelklasse) und A-Serie (Einsteigerklasse) gehobene Ansprüche bedient, ein Erfolg wird. Wie stehen die Chancen? Können die ambitionierten Chinesen einen Treffer gegen den Marktführer Samsung landen, der in diesem Jahr mit seiner S21-Serie besonders früh gestartet ist, ?
Auffällig ist zunächst, dass Oppo seine Serie anders als Samsung positioniert. Die S21er sind allesamt in der Oberklasse angesiedelt, der Preis für das günstigste Modell startet bei 849 Euro. Oppo dagegen deckt vom Lite (449 Euro) bis zum Pro (1149 Euro) eine viel größere Preisspanne ab, und entsprechend größer sind auch die Unterschiede zwischen den Modellen.
Das Design ist eine Weltneuheit
Am oberen Ende der Fahnenstange steht das Find X3 Pro mit herausragendem Design, das zum besten gehört, das uns bisher begegnet ist. Genau wie Samsung versucht Oppo, die abstehende Kameraeinheit organischer in den Korpus zu integrieren, geht dabei aber noch einen Schritt weiter als die Koreaner. Es gibt keine Stufe mehr, stattdessen eine sanft ansteigende Kurve, sodass Linsen und Rückseite regelrecht ineinander verschmelzen. Diese besteht aus einem Stück Glas.
In der uns vorliegenden mattblauen Variante (daneben gibt es eine schwarz glänzende Variante) sieht das umwerfend aus, und vor allem ist es eine echte Neuerung in einem Markt, in dem seit Jahren die immer gleichen Designs den Ton angeben.
Da stellt sich natürlich die Frage, warum vorher niemand auf diese Idee gekommen ist. Die Antwort eines Vertreters von Oppo ahnt man schon, wenn man sich die sanfte Kurve genau anschaut: Der Fertigungsprozess des gebogenen Glasrückens ist extrem aufwendig. Erst jetzt gibt es Technologien, die es ermöglichen, so etwas in tausendfacher Stückzahl mit einem vertretbaren Ausschussanteil zu produzieren.
Das Find X3 Pro liegt aber nicht nur wegen des stufenlosen Designs so gut in der Hand. Oppo gelingt es auch – im Gegensatz zu Samsung–, ein kompaktes und leichtes Flaggschiff zu bauen. Trotz technischer Vollaustattung ist das Find X3 Pro nur 8,3 Millimeter dünn und wiegt luftige 193 Gramm. Der Vergleich mit dem Galaxy S21 Ultra zeigt, was für ein Meisterstück den Oppo-In
genieuren damit gelungen ist: Der 6,8-Zöller (Oppo: 6,7 Zoll) ist 9 Millimeter dünn und wiegt 227 Gramm. Vor allem der Gewichtsunterschied macht sich schon nach kurzer Zeit in der Hand bemerkbar. Bei der Verarbeitung gibt man sich keine Blöße, ein glänzend polierter Aluminiumrahmen vermittelt hohe Stabilität, auch eine IP68-Zertifizierung ist dabei. Besser geht es kaum.
Am unteren Ende der Fahnenstange steht das X3 Lite, das im konventionellen und für diese Preisklasse typischen Design mit planem Display kommt und haptisch in einer ganz anderen Liga spielt. Der Rahmen besteht nur aus Kunststoff in Metalloptik und bei der schwarzen und blauen Variante auch die Rückseite. Für unseren Geschmack ist das zu viel Plastikmaterial. Beim Find X3 Neo macht Oppo es besser, hier dominieren Glas und Metall, dazu kommt ein an den langen Seiten gebogenes OLED, sodass ein fast randloser Eindruck ensteht. Der plane Anschliff der Ober- und Unterseite verleiht zusätzliche Eleganz. Auch diese beiden Modelle sind angesichts ihrer Displaydiagonale angenehm kompakt und leicht und zudem exzellent verarbeitet. IP68
Die Corona-Pandemie hat auch den europäischen Smartphonemarkt schwer getroffen, die Marktforscher von Counterpoint registrieren für 2020 einen Absatzeinbruch um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Aber dieser Einbruch trifft nicht alle Unternehmen gleich stark, im Gegenteil, einige konnten sogar gegen den Trend zulegen. Zu den Gewinnern gehören Xiaomi, Oppo und die Oppo-Schwestermarke Realme. Es war also die richtige Entscheidung von Oppo, im Jahr 2020, inmitten der ersten Pandemiewelle, in vier europäischen Ländern (Deutschland, Belgien, Irland und Portugal) den Marktstart zu wagen. Das Unternehmen ist nun in 12 westeuropäischen Ländern präsent, konnte Partnerschaften zu den führenden europäischen Netzbetreibern aufbauen – und seinen Absatz im Jahresvergleich fast verdoppeln. Von den Zahlen des Überfliegers Xiaomi ist man immer zwar noch weit entfernt, aber die Richtung stimmt. Und die selbst gesteckten Ziele sind genauso groß wie das Selbstbewusstsein.
Maggie Xue, Präsidentin von Oppo Westeuropa, sagt: „Wir haben uns für die nächsten Jahre das ehrgeizige Ziel gesetzt, einer der Tophersteller in Europa zu werden – und wir sind vom Erfolg unserer Pläne überzeugt.“Entscheidend für den weiteren Aufstieg wird der Erfolg der Find-X3-Serie sein. bleibt allerdings dem Pro vorbehalten. Während das Neo immerhin nach IPX4 zertifiziert ist, also einen leichten Regenschauer noch wegstecken kann, bedeutet die IP52Zertifzierung des Lite praktisch nur, dass ein paar Wassertropfen auf das Gehäuse tröpfeln dürfen.
Alle drei neuen Oppos haben eine Gemeinsamkeit: Das Gehäuse mit Rückseite und Rahmen hat durchgehend den selben Farbton, was für einen besonders geschlossenen Eindruck sorgt. Die Farben sind vor allem bei den matten Varianten hervorragend gelungen, explizit erwähnen möchten wir hier die in allen Farben des Regenbogens schimmernde und und dabei fast schon raue Oberfläche des Neo in der Variante „Galactic Silver“. Fingerabdrücke haben darauf keine Chance, und die Anfassqualität ist einzigartig.
Schnelle OLEDs und SoCs
Bei der Kamera setzt Oppo andere Schwerpunkte als Samsung. Während die Koreaner vor allem die Telebrennweiten optimieren, konzentrieren sich die Chinesen beim Find X3 Pro auf die Ultraweitwinkelkamera und auf das Farbmanagement, denn Oppo realisiert eine Farbtiefe von 10 Bit pro Farbkanal, vom Sensor über die Signalverarbeitung bis hin zur Darstellung auf dem Display. Der Standard sind 8 Bit, und das bedeutet, dass jede der Primärfarben Rot, Grün und Blau in 256 Abstufungen dargestellt werden kann. 256×256×256 Farben stellen eine Mischpalette von 16,7 Millionen darstellbaren Farben bereit. Bei 10 Bit pro Farbkanal erhöht sich das Farbspektrum sogar auf 1024×1024×1024 Farben und damit insgesamt auf mehr als 1,07 Milliarden Farben.
Was sich auf dem Papier beeindruckend anhört, liefert in der Praxis aber kaum Mehrwert. Denn einen Unterschied zwischen 8-Bit- und 10-Bit-Fotos sieht man, wenn über
haupt, nur in Ausnahmesituationen mit besonders feinen Farbverläufen, etwa bei einem Sonnenuntergang. Interessanter ist das sicher für Profifotografen. Die können Bilder als HEIC oder RAW+ abspeichern und voll in ihren 30-Bit Workflow integrieren.
Auch bei Videos kommen Profis auf ihre Kosten: Der „Cinematic Mode“lässt ihnen während des Drehs mit bis zu 4K-Auflösung volle Kontrolle über ISO, Weißabgleich, Verschlusszeit und Fokus. Außerdem speichert der Modus die Aufnahmen als Rohdaten mit LOG-Profil. Dadurch bleiben mehr Farb- und Helligkeitsinformationen als bei stärker verlustbehafteten Dateiformaten erhalten, was zum Beispiel das Color Grading in der Postproduktion vereinfacht.
Das Display des Spitzenmodells bietet auf 6,7 Zoll eine knackscharfe Auflösung von 3126×1440 Pixeln und eine überzeugende Darstellungsqualität. Eine dynamische Bildwiederholrate von 5 bis 120 Hertz rundet den sehr guten Eindruck ab. Eine Besonderheit ist der bereits erwähnte erweiterte 10-Bit-Farbraum, aber wie für die Fotos gilt auch hier, dass diese Vielfalt für das Auge kaum auf dem Smartphone sichtbar ist.
Die Displays der günstigeren Schwestermodelle können da nicht mithalten, sowohl Bildwiederholrate als auch Auflösung sinken – aber auf ein für die jeweilige Preisklasse sehr hohes Niveau. Vor allem das X3 Neo räumt hier mit einer besonders kontrastreichen Darstellung richtig ab. Auch für den Prozessor findet Oppo eine gute Balance. Während das X3 Pro von Qualcomms 2021er-Topmodell Snapdragon 888 beschleunigt wird, der eine mit der S21-Serie (Exynos 2100) vergleichbare Architektur und Performance bietet, müssen dem Lite und dem Neo Modelle aus dem letzten Jahr genügen: Der Snapdragon 865 (Neo) war der
Standard für die 2020er-Flaggschiff-Smartphones, der Snapdragon 765G (Lite) die bevorzugte Wahl für Modelle der gehobenen Mittelklasse.
Beide SoCs waren in ihrer Preisklasse sehr erfolgreich, und mit beiden ist man auch 2021 noch gut aufgestellt: Anspruchsvolle 3D-Spiele werden butterweich abgespult, Multitasking ist ebenfalls kein Problem. Oppo geizt auch nicht mit Speicher. Neo und Pro sind mit 12/256 GB sehr gut bestückt, das Lite ist mit 8/128 GB immer noch preisgerecht. Die Speicherbausteine, die Oppo verwendet, spiegeln gut die unterschiedlichen Preis
bereiche wider: Das Pro-Modell ist mit den modernen Standards UFS3.1 und LPDDR5 besonders schnell und energieeffizient unterwegs, während es beim Lite mit UFS2.1 und LPDDR4 gemütlicher zugeht. Das gilt auch mit Blick auf die Connectivity, beispielhaft sei hier WLAN genannt: Das Pro unterstützt dank des neuen Snapdragon 888 den neuen Standard Wi-Fi 6E, beim Neo fällt das E weg, und beim Lite ist schon bei Wi-Fi 5 Schluss.
Alle drei Modelle lassen sich mit zwei SIM-Karten betreiben, und auch hier ist das Niveau unterschiedlich: Beim Pro hat man mit zwei Nano-SIM-Steckplätzen und eSIM die maximale Wahlfreiheit, beim Neo und beim Lite fällt die eSIM weg. Bei keinem der drei Modelle kann man den Speicher per microSD erweitern. Interessant: Ausgerechnet ins günstigste Modell der Serie hat Oppo eine Klinkenbuchse eingebaut. Dem wiederum fehlt der druckvolle Stereosound der beiden teureren Modelle.
Druckbetankung mit 65 Watt
Im Gegensatz zu Samsung spart Oppo nicht das Netzteil ein, im Gegenteil, die Chinesen erhöhen sogar das Tempo und legen bei allen drei Modellen einen Stecker mit 65 Watt in den Lieferkarton. Der kann die Akkus in etwa 30 Minuten wieder von 0 auf fast 100 Prozent pumpen. Hinzu kommen eine Schutzhülle und eine bereits aufgeklebte Displayschutzfolie. Das ist bemerkenswert in einer Zeit, in der der Lieferumfang immer stärker zusammengestrichen wird. Vor allem das Lite läuft damit in seiner Preisklasse außer Konkurrenz.
Die Akkulaufzeit ist bei allen drei Smartphones sehr gut, alle halten mit aktivierter hoher Bildwiederholrate zwischen 9 und 11 Stunden durch, was auch für einen Tag mit intensiver Nutzung locker ausreicht. Mit 60 Hertz sind beim Lite sogar 12 Stunden drin, was auch ein Beleg für die Energieeffizienz des Snapdragon 765G ist. Kabelloses Laden ist leider nur beim Pro möglich, dann aber mit bis zu 30 Watt. Wireless Reverse Charging wird ebenfalls unterstützt.
Die Funkeigenschaften sind bei allen Modellen in allen Netzen in einem positiven Sinne unauffällig – solch ein konstant gutes Niveau über ein so breites Preisspektrum sieht man selten. Bei der Sprachqualität preschen dagegen das Neo und das Pro vor, mit einer sehr natürlichen Stimmwiedergabe und einer sehr guten Unterdrückung der Nebengeräusche.