Kundenservice 2.0
Gestatten, PIA: Der persönliche interaktive Assistent ist eins der digitalen Mittel, mit dem die Telekom ihren Service unterstützen will. Was der Marktführer sonst noch plant und welche Lehren man aus der Covid-Pandemie zieht. Im Interview: Dr. Ferri Abol
Mit digitaler Unterstützung möchte die Telekom ihren Service optimieren. Was steckt genau dahinter?
Aus der Rückschau lässt sich mit großer Anerkennung sagen: Die Netzbetreiber haben vor Corona nicht kapituliert, sondern schnell das Heft in die Hand genommen. Schließlich gilt es nicht nur, den Betrieb der Netze unter Hochlast aufrecht zu erhalten; auch der Service muss weiter funktionieren. Reibungslose Kundenkommunikation ist nicht nur in Krisenzeiten für Unternehmen systemrelevant: Selbst im Regel betrieb kann sich niemand einen eklatanten Kundenschwund leisten.
Aus Fürsorge für die Mitarbeiter und aus Vorsicht, dass Krankheits fälle nicht den ganzen Betrieb lahm legen, musste also das Gros der Mitarbeiter in Nullkommanichts ins Homeoffice entsandt werden. Dass das in hervorragender Manier ge klappt hat, zeigt unser aktueller Hot lineTest in connect 5/21. Wir haben gewohnt hart getestet und können vermelden, dass die Kundenbera tung nicht eklatant gelitten hat.
220 000 Kundenkontakte täglich
Erneuter Sieger mit der Gesamtnote „sehr gut“: die Deutsche Telekom. Grund genug, die ServiceStrategie des Bonner Konzerns näher zu be leuchten. Dazu haben wir Informa tionen aus erster Hand: Auf Seite 86 verrät Dr. Ferri Abolhassan, der seit 1. Mai zusätzlich zum Service auch den Vertrieb bei der Telekom ver antwortet, im Interview seine Pläne.
Darin spielen seine 30 000 Service mitarbeiter, die über 65000 Millio nen Mobilfunk und Festnetzkunden betreuen, eine wesentliche Rolle. De ren Arbeitspensum bleibt trotz der zeit erschwerter Rahmenbedingun gen hoch: 32 000 Einsätze führen die
Techniker pro Tag aus. Allein 220 000 Kundenkontakte täglich er reichen die Hotline via Telefon, E Mail, Chat oder per Brief. Der Be ratungsbedarf steigt angesichts der zunehmend komplexen Produkte. Dabei suchen Kunden nicht nur via Telefon oder EMail Auskunft, son dern auch über Chatbots oder Social Media. Dass die Anzahl der Kontakt kanäle ansteigt, ist sich auch Henning Ahlert, Geschäftsführer der Unter nehmensberatung junokai sicher: Die MultichannelMethode ver schaffe der Kundschaft jederzeit und überall einen einfachen Zugang zu Informationen und zur Kontaktauf nahme. „Unternehmensintern gilt es, diese Kontaktkanäle so zu bündeln, dass alle kundenrelevanten Informa tionen jederzeit, in gleicher Form, kanalunabhängig für die persönliche oder automatisierte Kundenbetreu ung zur Verfügung stehen“, rät er den Firmen.
360-Grad-Blick auf den Kunden
Dem stellt sich die Telekom schon länger: Der auf Künstlicher Intelli genz basierte „Digitale Assistent“löst seit 2016 über die MagentaApp, den hauseigenen Smart Speaker und über die Webseite bereits 37 Prozent der Kundenanliegen selbstständig. Auch das CallCenter agiert ver stärkt digital: So können Kunden dank der Software „Media Transfer“dem Berater während des Gesprächs Dokumente, Fotos und Unterschrif ten per Smartphone zusenden.
Mit dem persönlichen interaktiven Assistent „PIA“wird die Zusammen arbeit von Mensch und Maschine vorangetrieben: 5000 Mitarbeiter greifen direkt von ihrem Desktop auf die robotorbasierte Automatisierung zu. Damit lassen sich bislang in 60 Fällen Aufgabenstellungen ver einfachen. Seit 2015 führen zudem SoftwareRoboter einfache Büro tätigkeiten wie Rechnungserstellun gen oder Kündigungsbearbeitungen selbstständig aus. Nahezu 500 Pro zesse wurden so teils automatisiert.
Auch die Außendienstler lässt man nicht im Regen stehen: Den 8000 Te lekomTechnikern stehen relevante Informationen für sechs verschiedene Aufgabenbereiche in passenden Apps zur Verfügung. Die „Mighty Office App“etwa zeigt dem Mit arbeiter nicht nur den genauen Standort des Kabelverzweigers, sondern gibt auch Auskunft, mit welcher Technik das Multifunk tionsgehäuse ausgestattet ist. Früher ließ sich das nur vor Ort prüfen. Über 500000 Standorte sind in der Smartphone und TabletApp ver zeichnet. Bestehende Technikstand orte können aktualisiert oder neue per Foto hinzugefügt werden.
Mit dem im letzten Sommer ge starteten Pilotprojekt „Magenta View“will sich die Telekom weg weisend für die Zukunft aufstellen: So sollen 16 Tools in einer Appli
kation zusammengeführt werden, wodurch das ServiceTeam die Kundenanliegen schneller bearbei ten und auch gezielter beraten kann.
Doch allein die Technik wird es nicht richten. Selbst Prof. Dr. Antonio Krüger, Chef des Deutschen For schungszentrums für Künstliche Intelligenz, ist sich sicher, „dass ein gut informierter und motivierter Mitarbeiter auch auf absehbare Zeit besseren Service als eine Maschine leisten wird.“
„Mit der menschenzentrierten KI haben wir also in Europa die Chance etwas zu erschaffen, das weltweit zum Goldstandard wird“
Prof. Dr. Antonio Krüger, CEO des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz