Schule mit Plumpsklo und Ofenheizung – und trotzdem war’s eine großartige Zeit
Ende der 1960er-Jahre wurde die Volksschule Vorwerk geschlossen. Allen damaligen Schwierigkeiten zum Trotz denken viele Demminer sehr gern an die Schuljahre dort zurück.
DEMMIN – Ins Rathaus hatten erstmals Dörte Bretsch und Frank Häberer von der Arbeitsgemeinschaft Demminer Schulgeschichte(n) eingeladen. „Seit vielen Jahren befassen wir uns mit der Schulgeschichte der Stadt“, sagte Frank Häberer. „Die Wahl für diese Veranstaltung fiel auf Vorwerk. Das kleine Dorf wurde 1971 nach Demmin eingemeindet, und kann auf eine gewisse Schultradition zurückblicken.“
Mehr als 30 Interessierte lockte dieses Thema in den Festsaal. Demmins City-Managerin Nancy Klevenow fungierte als Moderatorin, und bekannte zur Einführung: „Das Wort Schule hat bei mir immer Angst ausgelöst. Doch die Schulzeit schrieb die schönsten Geschichten. Auch nach vielen Jahrzehnten bleiben die Erinnerungen unvergessen.“
Dörte Bretsch erinnerte an die vor Kurzem verstorbene ehemalige Schulleiterin Brigitte Stephan, die unter schwierigen Bedingungen ungemein viel für ihre Schülerinnen und Schüler leistete. Durch eine Fotografie wurden die Mitglieder der AG auf die Vorwerker Schule aufmerksam, erklärte Bretsch und dankte der Stadt Demmin
für die Unterstützung dieser Veranstaltung.
Bürgermeister Thomas Witkowski erzählte, dass er zwar nicht in Vorwerk zur Schule ging, aber bei der „legendären Frau Stephan“in der Pestalozzischule lernte: „Ich habe damals im Zeichenunterricht eine Bleistiftzeichnung von der Demminer Mühle gefertigt. Dieses Bild hat Frau Stephan später unserer Familie zurückgegeben.“Der Bürgermeister würdigte das Engagement der Arbeitsgemeinschaft. „Schulgeschichten sind ein Teil von uns selbst. Sich gemeinsam zu erinnern, hat etwas, und für die Stadt ist es enorm wichtig und hilfreich, dass dieser Teil der Geschichte so akribisch aufgearbeitet wird.“
Frank Häberer umriss die Geschichte der Volksschule
Vorwerk: „Vor 200 Jahren begann der Schulbetrieb in dem kleinen Dorf. Vor 100 Jahren unterrichteten erstmals ausgebildete Lehrer“, berichtete er. „1913 wurde ein neues
Schulgebäude bezogen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Flüchtlinge und Ausländer in dem Gebäude untergebracht, ehe Lehrerfamilien einziehen konnten.
Langsam verbesserten sich die Unterrichts- und Lebensbedingungen. Alle Dorfbewohner packten mit an, wenn Arbeiten anf ielen. Der Brennstoffmangel Anfang der 1960er-Jahre führte auch dazu, dass in einem kalten Klassenzimmer unterrichtet wurde“, blickte Häberer zurück und merkte an, dass das Schuljahr 1967/68 das letzte in Vorwerk war.
Bärbel Knuth begann ihre Lehrtätigkeit 1960 in Demmin. Sie wurde wegen eines krankheitsbedingten Lehrerausfalls im Schuljahr 1963/64 in Vorwerk eingesetzt. „Im oberen Gebäudeteil war eine Wohnung frei, die unsere Familie beziehen durfte. Ich arbeitete ein Jahr in Vorwerk. Damals wurden zwei Klassen in einem Raum unterrichtet“, erinnerte sich Bärbel Knuth, die bis Ende 1999 in
Demmin als Lehrerin wirkte. „In den Wintermonaten mussten wir auch Kohlen reintragen. Trotz allem war es eine schöne Zeit. Besonders in Erinnerung ist mir Brigitte Stephan geblieben, sie war für mich wie eine große Schwester.“
Edda Beese, geborene Richter, wurde 1960 eingeschult. Sie ging zwei Jahre in Vorwerk zur Schule, wie sie berichtete: „Es ging in Vorwerk sehr familiär zu. Wir haben viel gesungen und verbrachten Zeit an der frischen Luft. In dem stets gebohnerten Klassenzimmer trugen wir Hausschuhe. Wenn jemand Hunger hatte, ging Frau Stephan eine Treppe höher in ihre Wohnung und machte uns etwas zu essen. Ich denke gern an die schönen Faschingsfeste zurück, und die Schneeballschlachten im Winter sind unvergessen. Damals hatten alle Schüler große Achtung vor den Lehrern.“
Die Brüder Joachim und Wolfgang Bülow erzählten, dass ihnen besonders das harmonische Wirken von Lehrern und Schülern in Erinnerung blieb. „Einmalig war die mütterliche Art von Frau Stephan, die uns guttat“, sagte einer der beiden. Heute ist das Schulgebäude ein Wohnhaus.
Was bei allen ehemaligen Schülern bleibt, ist die Erinnerung an eine kleine Dorfschule, die ihnen den Weg in ein erfolgreiches Leben ebnete. Weitere Veranstaltungen sollen folgen; auf die nächsten Themen der Arbeitsgruppe Schulgeschichte(n) darf man gespannt sein.