Deutsche Welle (German edition)
NS-Plakate: Kunstvolle Propaganda
Hitler und Goebbels setzten auf Werbepsychologie, um ihre Terrorherrschaft zu zementieren. Das zeigt ein Bildband der Kunsthistorikerin Sylke Wunderlich.
"Ist die Propaganda, wie wir sie verstehen, nicht auch eine Art von Kunst?" Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, stellte diese rhetorisch gemeinte Frage im Juni 1935. Zu diesem Zeitpunkt waren die Nationalsozialisten schon fast zweieinhalb Jahre an der Macht und hatten das Fundament für ihre erst 1945 endende, in Weltkrieg und Holocaust mündende Terrorherrschaft längst gelegt. Mit Verboten, Einschüchterung, Mord und Totschlag.
Adolf Hitler rüstete im Eiltempo auf - militärisch und zivil. Für die Soldaten gab es neue Panzer, Flugzeuge und UBoote. Für die Menschen an der Heimatfront die Wochenschau im Kino, den Volksempfänger zu Hause und Plakate an jeder Straßenecke. Der Bedeutung des Plakats ist jetzt die Kunsthistorikerin Sylke Wunderlich in ihrem mit über 200 Motiven bebilderten Buch "Propaganda des Terrors" auf den Grund gegangen. Durchaus ein Wagnis, weil es um zwei sehr unterschiedliche Sphären geht: Ideologie und Kunst.
"Ich denke, dass der künstlerische Duktus der Plakate wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Beeinflussung der Masse der Bevölkerung auch so gut gelungen ist", sagt die Autorin im DW-Interview. "Gut im Sinne der Politik der Nationalsozialisten." Dabei hatten die Nazis schon vor ihrer Machtübernahme 1933 keine Scheu, erfolgreiche Strategien der Sozialisten und Kommunisten zu kopieren. Auf Adolf Hitler zugeschnittene Plakate hätten mit dem Konterfei Rosa Luxemburgs oder Karl Liebknechts auch von der revolutionären Linken stammen können.
Gestaltet wurden sie von überzeugten Nazis wie dem erfolgreichen Grafiker und Architekten Ludwig Hohlwein, aber auch von Bauhaus-Schülern wie Herbert Bayer. Während Hohlwein nach dem Zweiten
Wel t kri eg v orü bergeh en d Berufsverbot erhielt, emigrierte Bayer 1938 in die USA. Bis dahin entwarf er Plakate für das NSRegime. Den Vorwurf, er habe sich zumindest vorübergehend von den Nazis vereinnahmen lassen, hält Sylke Wunderlich für zu kurz gegriffen. Freiberufliche Grafiker hätten auch an ihr eigenes "Durchkommen" denken müssen.
Sie seien vielleicht sogar gezielt angesprochen worden - "wegen ihrer Modernität". Denn die Nationalsozialisten hätten sich in Abgrenzung zur Weimarer Republik als ein Staat zeigen wollen, "der modern ist, der neu ist, der anders ist." Deshalb sieht die Buchautorin auch keinen Widerspruch zwischen den oft modern anmutenden Plakat-Motiven zur völkisch-rassistischen Ideologie des Dritten Reiches: "Da waren Fotomontagen, klare Schriften, klare Bildsprache durchaus etwas, was man gut gefunden hat."
Widersprüchlichkeit der NaziKulturpolitik einerseits - und das opportunistisch anmutende Verhalten mancher Plakat-Künstler andererseits.
Da studierte einer am Bauhaus, leitete später sogar die Werkstatt für Druck und Reklame und ließ sich dann ab 1933 mit denen ein, die das Bauhaus immer bekämpft hatten. Die Plakat-Kunst, sagt Sylke Wunderlich, sei damals nicht nur in Deutschland "ziemlich spektakulär" gewesen, "sehr modern, konstruktiv". An diese Formensprache knüpften die Nationalsozialisten an, um die Massen zu verführen und aufzuhetzen: gegen Juden und Bolschewisten von Beginn an, später gegen alle Kriegsgegner. Die Fassade des schönen Scheins hielt lange - erste Risse bekam sie erst später, als sich im Krieg das Blatt wendete.
Rolle spielte dabei Leni Riefenstahl. Ihre Filme von den Nürnberger Reichsparteitagen und den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin wurden weit über die Grenzen des Deutschen Reichs hinaus im Wortsinn plakativ beworben. Und das mit so viel Raffinesse, dass sich auch das Ausland hinters Licht führen ließ. Riefenstahls zwiespältige Meisterwerke wurden vielfach prämiert, unter anderem mit einem ersten Preis bei den Filmfestspielen in Venedig und einer Goldmedaille des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
Die Strategie der Nazis hatte funktioniert. "Sonst wären die Menschenmassen dieser Politik nicht hinterher gerannt", sagt Kunsthistorikerin Sylke Wunderlich. Bei Leni Riefenstahl ging die Saat der Verführung besonders gut auf. "Triumph des Willens" oder "Fest der Schönheit" waren technisch und ästhetisch perfekt inszeniert. Propagandistisch begleitet und befeuert mit entsprechenden Plakaten. Da sei man wieder beim Thema "Moderne", sagt Expertin Sylke
So lange keine Bomben auf Berlin und andere Städte fielen, konnte sich der NS-Staat auf die Mehrheit der Deutschen verlassen. "Ein Volk, ein Reich, ein Führer!" - der Personenkult um Adolf Hitler spiegelte sich durchgehend auf Plakaten wider. Dabei stets im Visier: Kinder und Jugendliche. Aus dem Anspruch auf totale Verfügbarkeit wurde nie ein Hehl gemacht. Niemand sollte der Hitlerjugend (HJ) oder dem Bund Deutscher Mädel (BDM) entkommen. Und die allermeisten machten begeistert mit.
Die Plakat-Propaganda war auf den ersten Blick über all die Jahre oft harmlos, ja verlockend und künstlerisch mitunter auf hohem Niveau. Sich damit nach dem Ende der Nazi-Diktatur unbefangen zu beschäftigen, war lange kaum möglich. Noch 2012, also 67 Jahre später, löste eine Ausstellung in München heftige Debatten aus. Vielleicht gut gemeint, aber "pure Propaganda", urteilte die linksliberale "Süddeutsche Zeitung" über "Typographie des Terrors - Plakate in München von 1933 bis 1945".
Der Ausstellungstitel erinnert an Sylke Wunderlichs in deutscher und englischer Sprache publiziertes Buch "Propaganda des Terrors". Dass Rechtsextremisten an ihrer Analyse Gefallen finden könnten, darauf hat die in Berlin lebende Kunsthistorikerin und Gründerin der Stiftung "Plakat Ost" keinen Einfluss. Alte und neue Nazis würden ihren Kauf aber spätestens dann bereuen, wenn sie die klaren und entlarvenden Analysen über Plakatkunst in der NS-Zeit lesen. Den Vorwurf der Verharmlosung kann man der Autorin jedenfalls nicht machen - ganz im Gegenteil.
Kritiker der Münchener Ausstellung von 2012 warfen den Kuratoren seinerzeit eine unzureichende Einordnung der Plakate vor: Man würde die Besucher mit den Bildern allein lassen. "In der Hoffnung darauf, dass deren einstige suggestive Kraft nur noch zu erahnen ist, sich ihre Lächerlichkeit von selbst entlarvt." Thomas Weidner, damals Leiter der Abteilung Grafik und Gemälde, verwies auf Bildlegenden mit Angaben zum dargestellten Ereignis, den Auftraggebern sowie den Künstlern und ihrer Arbeitsweise. Trotzdem dürfte noch immer gelten, was er 2012 sagte: "Ausstellungen zum Nationalsozialismus sind immer heikel." Auf Bücher zu diesem Thema könnte das ebenfalls zutreffen.
dinal wird? Relevant sei, sagt Faggioli, was der Wirkungsort des jeweiligen Kardinals "über die Zukunft der Kirche sagt: eine Minderheit unter den Minderheiten, im Dienst der Menschheit und nicht nur der Katholiken, weit weg von Rom, nicht auf Tradition oder politische Macht angewiesen, sondern auf Zeugnis". Und ein Punkt, den der Historiker nennt, widerspricht dem Klischee, das man in Europa von Franziskus pflegt: Die von ihm ernannten Kardinäle seien "nicht unbedingt liberal oder fortschrittlich nach westlichen politischen Kategorien", so Faggioli.
Kein großes Kriterium für die Kardinalswürde ist es nach Einschätzung Faggiolis übrigens, ob der Bischofssitz eine Großstadt sei oder eine wichtige Rolle in der Geschichte der Kirche gespielt habe. So gehen die Bischofsstühle von Mailand, Venedig und Turin, deren Erzbischöfe in früheren
Jahrzehnten meist auch Kardinäle waren und als "papabile", als mögliche künftige Päpste, galten, seit Jahren leer aus, wenn es um neue Kardinäle geht.
Fünf Italiener, darunter drei unter 80, bekommen nun den Kardinalspurpur. Statt der Traditions-Orte werden nun unter anderem der Bischof von Siena bedacht, der sich sehr für Migranten engagiert, und der Obere der Franziskaner von Assisi.
Für die USA ist die Ernennung des Erzbischofs von Washington zum Kardinal spektakulär. Der in Chicago geborene Wilton Gregory (72) ist der erste USAfroamerikaner, der Kardinal wird. Gelegentlich gilt er als "Obama der US-Kirche". Seit Mai 2019 führt Gregory das Hauptstadtbistum und gehörte zu jenen, die auch mal Präsident Trump widersprachen. Die größere Last erwartete ihn in Washington aber im kirchlichen System: Auch seine beiden Vorgänger gehörten zum Kreis der Papstwähler – aber beide strauchelten über schlimmste
Fälle von sexuellem Missbrauch oder über dessen Vertuschung.
Das gleiche gilt übrigens für den neuen chilenischen Kardinal Celestino Aos Braco (75). Seit März 2019 wirkt er im Hauptstadt-Erzbistum Santiago de Chile. Seine beiden Vorgänger waren beide Kardinäle, sie sind beide wegen der Vertuschung von Missbrauch in der Kritik und hatten beide mit der Justiz des Landes zu tun.