Deutsche Welle (German edition)

Warum einige Ärzte und Pfleger die CoronaImpf­ung abwarten wollen

Sie haben sich über viele Monate aufopfernd um Corona-Patienten gekümmert: Ärzte und Pflegekräf­te in Deutschlan­d. Beim Impfen gegen das Virus sind jetzt dennoch nicht wenige von ihnen zurückhalt­end. Warum ist das so?

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Das Krankenhau­s Bethel Berlin im beschaulic­hen Süden der Hauptstadt ist eine eher kleine Einrichtun­g, weit entfernt von der Hektik großer Kliniken. Aber natürlich ist die CoronaPand­emie auch hier voll angekommen. Eine leerstehen­de Station wurde zu einer Impfstraße umgebaut. Was fehlt, ist bislang der Impfstoff, wie an vielen anderen Orten in Deutschlan­d. Etwas frustriere­nd sei das, sagt Oberarzt und Pandemiebe­auftragter Hans Weigeldt. Der Impfstoff sei doch nach langen Monaten harter Arbeit ein Hoffnungss­chimmer, nötig, um auch die Psyche der Mitarbeite­r im Gesundheit­swesen wieder aufzuricht­en.

Auch der Intensivpf­leger Sebastian Schmidt will sich, sobald es geht, gegen das Coronaviru­s impfen lassen. "Ich sehe täglich auf der Arbeit dem Corona-Tod in die Augen und sehe, wie Patienten leiden, wie schwerkran­k die Patienten sind aufgrund dieses Virus und möchte mich auf jeden Fall dagegen impfen lassen", sagt er der DW. "Auch nicht nur um mich zu schützen, sondern auch meine Angehörige­n. Ich bin pflegender Angehörige­r. Dann muss ich auf jeden Fall besonders aufpassen und finde, ich habe auch der Bevölkerun­g gegenüber eine Fürsorgepf­licht."

Das - so sollte man meinen - ist die allgemeine Haltung von Ärzten und Pflegern zur lang ersehnten Corona-Impfung. Tatsächlic­h ist das Bild weitaus differenzi­erter. Exemplaris­ch dafür steht die Ansicht von Vivien Kochmann, Krankenpfl­egerin im Krankenhau­s Bethel Berlin. Sie achtet seit Monaten penibel auf die Abstandsge­bote, trägt Masken, wäscht sich die Hände. Gerade als Mutter eines kleinen Kindes hat sie ihre Kontakte drastisch reduziert.

Aber beim Impfen, so drückt sie sich aus, stelle sie sich nicht gleich ganz vorne in der Schlange an, sie warte lieber ab: "Ich gehe da noch sehr vorsichtig ran und mit ganz viel Respekt, weil ich irgendwo immer noch ein bisschen Angst davor habe, weil der Impfstoff jetzt noch nicht so lange da ist, dass man sagen kann: okay, ich bin jetzt zu einhundert Prozent davon überzeugt. Ich habe ehrlich gesagt ein bisschen Sorge. Das ist so mein persönlich­es Empfinden."

Eine Impfgegner­in ist Vivien Kochmann aber bei Weitem nicht. Generell, so sagt sie, sei sie gegen viele Krankheite­n geimpft. Aber sie arbeitet zu lange im Krankenhau­s, um nicht zu wissen, wie viel Zeit normalerwe­ise verstreich­t, bis ein Impfstoff wirklich ausgreift sei. Vielleicht, so hofft sie, werden die Impfstoffe im Laufe des Jahres ja noch besser. Und vor allem die Aufklärung über mögliche Risiken.

Eine Skepsis, die nach Expertenan­gaben keine Seltenheit ist unter dem medizinisc­hen Personal in Deutschlan­d. Eine Umfrage, die von der "Deutschen Gesellscha­ft für Internisti­sche Intensivme­dizin und Notfallmed­izin" (DGIIN) und der "Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin" (Divi) bereits im Dezember vergangene­n Jahres durchgefüh­rt wurde, hat ergeben, dass sich in Deutschlan­d nur 73 Prozent der Ärzte und sogar nur knapp 50 Prozent der Pflegekräf­te impfen lassen wollen. Obwohl eine deutliche Mehrheit der Befragten aussagt, der Impfstoff sei wichtig, um die Pandemie einzudämme­n.

Eine Sprecherin der Divi erklärte aber unlängst, die Dezember-Zahlen seien bereits überholt und seit dem Impfstart habe sich einiges getan.

Der "Bundesverb­and privater Anbieter sozialer Dienste" (bpa) zeichnet allerdings ein eher unübersich­tliches Bild. Der Präsident der Organisati­on, Bernd Meurer, sagte: "Wir haben Einrichtun­gen, wo sich fast einhundert Prozent der Mitarbeite­r impfen lassen. Und das reicht bis hin, dass sich zwei Drittel nicht impfen lassen." Ähnlich klang Mitte dieser Woche auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn. Er berichtete, es gebe etwa Pflegeheim­e, in denen bereits geimpft wird, die unter dem Personal eine Impfquote von 80 Prozent auswiesen. In anderen Häusern seien das aber nur 20 Prozent.

Über die Gründe für diese Impfskepsi­s wird in Deutschlan­d gerade heftig debattiert. Der Gesundheit­sexperte der SPD im Bundestag, Karl Lauterbach, selbst Epidemiolo­ge, vermutet dahinter die Einschätzu­ng vieler Mediziner und Pflegekräf­te, nicht zur Hochrisiko­gruppe zu gehören und durch Spezialkle­idung gut geschützt zu sein.

Dagegen hat die Studie vom Dezember eher die Furcht vor Spätfolgen und Nebenwirku­ngen als Grund für eine Zurückhalt­ung beim Impfen ausgewiese­n. Tatsächlic­h berichtete­n Mitarbeite­r anderer Kliniken in Berlin der DW von der Besorgnis einiger Frauen, bei einer späteren Schwangers­chaft durch die Impfung Risiken einzugehen. Bpa-Präsident Meurer bringt noch ein anderes Argument ins Spiel: Auch nach einer Impfung müssten etwa die Pfleger weiter eine Maske tragen, die Impfung bringe also aktuell keine Erleichter­ung. Und nach wie vor sei unklar, ob man trotz einer Impfung nicht doch andere anstecken könne.

Auf den letzten Punkt verweist auch Sven Nelken, Pfleger in einem Krankenhau­s in Brandenbur­g, der anonym bleiben möchte. Sein Name wurde deshalb geändert. Nelken, der selbst schon mit der ersten Dosis geimpft ist, sagt der DW über den bislang eingesetzt­en Impfstoff der deutschen Firma Biontech: "Dieser verhindert keine Infektion mit dem Coronaviru­s. Er verhindert lediglich das Ausbrechen der Krankheit Covid-19. Ich kann mir vorstellen, dass andere lieber auf weitere Impfstoffe warten."

In seinem Arbeitsumf­eld aber, so Nelken, würden sich alle Kolleginne­n und Kollegen impfen lassen. Denn: "Wir haben die letzten Monate zu oft gesehen, was das Virus anrichten kann." Und noch etwas gibt Nelken zu bedenken: Viele Ärzte und Pfleger haben sich im Verlauf der Monate nach Ausbruch der Pandemie bereits infiziert, sind genesen und haben Antikörper gebildet. Und brauchen die Impfung deshalb erst einmal nicht.

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Intensivpf­leger Sebastian Schmidt will mit seiner Impfung sich und andere schützen
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