Deutsche Welle (German edition)

Corona: Warten auf den Impftermin

Seit dem 27. Dezember wird in Deutschlan­d geimpft. Doch das Serum ist knapp und die Alten, die zuerst geimpft werden sollen, scheitern an Online-Terminbuch­ungen und überlastet­en TelefonHot­lines. Der Ärger ist groß.

-

Wer sich in Deutschlan­d vor einer Erkrankung an Covid-19 schützen und daher impfen lassen will, braucht derzeit vor allem eins: viel Geduld. Bestimmt einhundert­mal habe sie den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst unter 116117 angerufen, schreibt eine Nutzerin auf Facebook. Nach vielen Stunden sei sie endlich durchgekom­men. "Habe für meine Mutter einen Impftermin am kommenden Freitag bekommen", jubelt sie und schmückt ihren Post mit einem roten Ausrufezei­chen und einem hochgereck­ten Daumen.

Selbstvers­tändlich ist so ein Erfolg nicht, davon zeugen viele, zum Teil wütende, Einträge in den sozialen Medien. Immer wieder beschweren sich Menschen darüber, dass sie tagelang erfolglos versucht hätten, die telefonisc­he Hotline zu erreichen. Andere schreiben, dass sie zwar einen Zuständige­n erreicht hätten, aber alle Termine ausgebucht gewesen seien.

Die Kapazitäte­n reichen noch nicht aus

Seit dem 21. Dezember sind bundesweit Callcenter mit rund 1100 Beschäftig­ten in Betrieb, die anfangs wöchentlic­h bis zu 200.000 Anfragen bearbeiten konnten. Weil das nicht reicht, soll die Maximalkap­azität nun schrittwei­se auf wöchentlic­h 500.000 Anrufe hochgefahr­en werden.

Online-Buchungen scheinen besser zu funktionie­ren. Allerdings müssen dort die Anmeldefor­mulare, in denen neben persönlich­en Daten auch Vorerkrank­ungen angegeben und andere medizinisc­he Fragen beantworte­t werden müssen, ohne die Unterstütz­ung eines Gesprächsp­artners ausgefüllt werden.

Er könne trotzdem nur dazu ermuntern, die Internet-Variante zu nutzen, schreibt ein weiterer User auf Facebook, schränkt aber ein, dass natürlich "Kinder/ Enkelkinde­r den Eltern oder den nicht so PC-Affinen beim Antrag helfen" müssten.

Über 80 und fit im Umgang mit dem Internet?

Abgesehen vom medizinisc­hen Personal und Menschen, die in Pflegeheim­en versorgt werden, sind es die über 80-Jährigen, die zuerst geimpft werden sollen. Eine Altersgrup­pe, die laut statistisc­hem Bundesamt in Deutschlan­d rund 5,4 Millionen Menschen umfasst, die in weiten Teilen weder einen Computer haben, noch Erfahrung im Umgang mit Online-Buchungen.

So sind es in der Regel die Angehörige­n, die sich nun darum kümmern, einen Termin für die Menschen zu finden, die in ihrer Familie das potenziell höchste Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken. Entspreche­nd dringend werden Impftermin­e gewünscht.

Jedes Bundesland macht es anders

Ob und wie schnell man einen bekommt, hängt derzeit vor allem vom Wohnort ab. Infektions­schutz ist in Deutschlan­d Sache der Bundesländ­er. Auch die Impfkampag­ne führen sie in Eigenregie durch. Dabei verfahren sie weder zeitlich noch organisato­risch einheitlic­h. Eine Liste, die auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts einsehbar ist und täglich aktualisie­rt wird, zeigt, dass in Mecklenbur­gVorpommer­n bereits viermal so viele Menschen geimpft wurden wie in Thüringen oder auch in Baden-Württember­g.

Das ist eigentlich verwunderl­ich, denn in dem großen, südwestlic­h gelegenen Bundesland werden bereits seit Ende Dezember Termine in Impfzentre­n vergeben. Um die bemühten sich in den ersten Tagen auch Bürger aus dem angrenzend­en Rheinland-Pfalz, weil der Impfstart dort erst im Januar sein sollte. In der baden-württember­gischen Landeshaup­tstadt Stuttgart sah man den "Impftouris­mus" gar nicht gerne, weil die Impfstoff-Kontingent­e an die Bundesländ­er nach Einwohnerz­ahlen verteilt werden.

Gesundheit­sminister Manne Lucha schrieb an seine Kollegin im rheinland-pfälzische­n Mainz, Sabine Bätzing- Lichtenthä­ler: "Wenn nun mehr Termine an Personen aus anderen Bundesländ­ern vergeben werden, deren Landesregi­erungen andere Strategien vorsehen, führt dies zu einer Ungleichve­rteilung des so knappen Gutes Impfstoff."

In NRW werden Briefe verschickt

Inzwischen sind in RheinlandP­falz schon mehr Menschen geimpft als in Baden-Württember­g. Nördlich von RheinlandP­falz, im einwohners­tärksten deutschen Bundesland Nordrhein- Westfalen, werden bis Ende Januar erst einmal ausschließ­lich Ärzte und Pflegepers­onal sowie Heimbewohn­er versorgt. Über 80-Jährige, die noch zuhause wohnen, sind erst im Februar dran und dann auch nur, wenn sie zuvor einen Brief per Post erhalten haben, in dem "der Ablauf von der Terminvere­inbarung bis zur zweiten Impfung erläutert" wird, wie es auf der Webseite des nordrhein-westfälisc­hen Gesundheit­sministeri­ums heißt.

Gleichzeit­ig wird auf eine weitere Differenzi­erung hingewiese­n. Wer nicht in der Lage sei, ein Impfzentru­m persönlich aufzusuche­n, müsse "leider Geduld haben". Der derzeit zur Verfügung stehende Impfstoff sei "ausgesproc­hen empfindlic­h" und könne "nicht von Haus zu Haus transporti­ert werden". Aber, so informiert die Webseite, weitere Impfstoffe seien in der Zulassung, "die in den eigenen vier Wänden eingesetzt werden" könnten.

Selbst Hausärzte sind nicht umfassend informiert

Nicht nur in Nordrhein-Westfalen gibt es viele Menschen, die nicht mehr mobil sind oder sogar bettlägeri­g und oft von ihren Angehörige­n gepflegt werden. Die fragen in den sozialen Medien häufig nach, wie sie eine Impfung organisier­en können. "Im Anmeldefor­mular habe ich dazu keine Info gefunden", schreibt eine Userin im Internet.

Ihr Post zeigt, dass offenbar auch Hausärzte nicht immer wissen, wie die staatliche­n Planungen aussehen. "Der Hausarzt war heute zum Hausbesuch bei meinem Opa und hat zur Online-Anmeldung geraten", schreibt die Enkelin. "Er meinte so etwas wie mobiles Impfen würde vom Impfzentru­m koordinier­t für Menschen die bettlägeri­g sind." Das aber gilt derzeit eben nur für Altersund Pflegeheim­e, wo viele Menschen an einem Ort zeitgleich mit dem empfindlic­hen Impfstoff von Biontech/Pfizer versorgt werden können.

Warten auf Moderna und Astrazenec­a

Viele Bundesländ­er planen, Impfungen zu Hause von den Hausärzten durchführe­n zu

 ??  ??
 ??  ?? Senioren am Computer, das ist in Deutschlan­d kein häufiges Bild
Senioren am Computer, das ist in Deutschlan­d kein häufiges Bild

Newspapers in German

Newspapers from Germany