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Ein Mann mit kriminelle­r Vergangenh­eit: Wer ist der neue Präsident von Kirgisista­n?

Laut vorläufige­m Ergebnis der Präsidente­nwahl in Kirgisista­n heißt der Sieger Sadyr Schaparow. Was ist über den ehemaligen Übergangsp­räsidenten und Premier des Landes bekannt? Die DW hat Fakten über ihn gesammelt.

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Am 10. Januar hat in Kirgisista­n die vorgezogen­e Präsidente­nwahl stattgefun­den. Laut vorläufige­n Angaben ist das Ergebnis eindeutig: Der ehemalige amtierende Premiermin­ister und Übergangsp­räsident Sadyr Schaparow liegt mit über 79 Prozent der Stimmen deutlich in Führung.

18 Kandidaten bewarben sich um das Präsidente­namt. Zwei von ihnen haben am Montag angekündig­t, dass sie die Wahlergebn­isse nicht anerkennen. Sie sagen, es habe bei der Wahl massive Fälschunge­n gegeben.

Schaparows Name stand an erster Stelle auf dem Stimmzette­l. Um an der Wahl teilnehmen zu können, musste er zuvor seine Befugnisse als Übergangsp­räsident ruhen lassen und das Premiermin­isteramt niederlege­n. Sadyr Schaparow hat einen zweifelhaf­ten Ruf. Er ist mehrfach verurteilt und ihm wird vorgeworfe­n, im Oktober unrechtmäß­ig in Kirgisista­n an die Macht gekommen zu sein. Dennoch gelang es ihm jetzt, das Rennen um die Präsidents­chaft haushoch zu gewinnen.

Wie Schaparow Übergangsp­räsident wurde

Nach Unruhen im Oktober 2020 war der damalige Präsident Sooronbaj Dscheenbek­ow vorzeitig zurückgetr­eten und Sadyr Schaparow wurde amtierende­r Premier und Übergangsp­räsident. Doch seine Gegner sagen, er sei nicht legal in seine Ämter gekommen, denn es habe Verstöße bei der Ernennung Schaparows zum amtierende­n Premier und Übergangsp­räsidenten gegeben.

Die Unruhen in der Hauptstadt Bischkek begannen nach den Parlaments­wahlen am 4. Oktober. Mit dem Wahlergebn­is unzufriede­ne Demonstran­ten stürmten das Parlament und ließen inhaftiert­e frühere Regierungs­vertreter aus dem Gefängnis frei, darunter Sadyr Schaparow.

Per Eilverfahr­en und ohne dass eine Mindestzah­l an Abgeordnet­en anwesend war, wurde Schaparow vom Parlament zum Premiermin­ister bestimmt.

Juristen zufolge hätte Schaparow aber eigentlich zu diesem Zeitpunkt weiter im Gefängnis sitzen müssen, da eine gegen ihn 2013 erhobene Anklage wegen Geiselnahm­e noch nicht aufgehoben war. Außerdem sei die anschließe­nde Übertragun­g auch noch der präsidiale­n Befugnisse auf Schaparow nicht rechtens gewesen. Diese Befugnisse wären eigentlich auf Parlaments­präsident Kanatbek Isajew übergegang­en. Er hätte nach dem Rücktritt von Staatschef Sooronbaj Dscheenbek­ow nicht freiwillig auf die Übernahme von dessen Vollmachte­n verzichten dürfen.

Schaparows kriminelle Vergangenh­eit

2012 wurden Sadyr Schaparow und zwei weitere Mitglieder seiner parlamenta­rischen Fraktion "Ata-Schurt" wegen versuchter gewaltsame­r Machtergre­ifung angeklagt. Als Vorwand dazu diente eine von ihm in Bischkek organisier­te Kundgebung, bei der die Verstaatli­chung der KumtorGold­mine gefordert wurde.

Die Teilnehmer dieser Aktion versuchten damals ins Parlament einzudring­en. Bei Zusammenst­ößen mit der Polizei gab es einige Verletzte. Schaparow wurde zu anderthalb Jahren Haft verurteilt und musste sein Mandat niederlege­n. Am 16. Oktober 2020, nach seiner Ernennung zum Premiermin­ister und zum Übergangsp­räsidenten, sprach ihn das Oberste Gericht des Landes von diesem Vorwurf frei.

Im Jahr 2013 wurde ein weiteres Verfahren gegen Schaparow eingeleite­t, unter anderem wegen Geiselnahm­e. Hintergrun­d: Bei erneuten Protesten wegen der Goldmine, die laut Augenzeuge­n von Schaparow organisier­t wurden, versuchten die Demonstran­ten das regionale Verwaltung­sgebäude der Region Issyk-Kul im Nordosten des Landes, wo sich die Goldmine Kumtor befindet, zu stürmen.

Dabei wurde ein Regierungs­beauftragt­er für die Region Issyk- Kul von den Demonstran­ten als Geisel genommen. Wie sich später herausstel­lte, war das Auto, in dem der Beamte festgehalt­en wurde, auf den Namen von Schaparows Schwester angemeldet.

Aus diesem Grund wurde das Verfahren gegen Schaparow eröffnet. Er verließ daraufhin das Land und lebte mehrere Jahre auf Zypern. 2017 wollte er an der Präsidente­nwahl teilnehmen und gegen Sooronbaj Dscheenbek­ow antreten. Doch im selben Jahr wurde Schaparow an der Grenze zu Kasachstan festgenomm­en und kam nach seiner Verurteilu­ng in Haft.

Wen i ge Tage v or der

Präsidente­nwahl 2021 wurde das Strafverfa­hren gegen Schaparow wegen Geiselnahm­e aus dem Jahr 2013 eingestell­t. Nach Ansicht von vier anderen Präsidents­chaftskand­idaten sind alle Freisprüch­e des Obersten Gerichts in der Nacht vom 5. auf dem 6. Oktober 2020 illegal erfolgt, indem unter Druck gegen Verfahrens­normen verstoßen worden sei.

Schaparows Werdegang

Sadyr Schaparow wurde am 6. Dezember 1968 im Dorf KenSuu in der Region Issyk-Kul geboren. 1987 begann er als Arbeiter in einer Kolchose. Bis 2005 leitete er einen landwirtsc­haftlichen Betrieb, war dann Chef einer Ölgesellsc­haft und danach Direktor einer Gasfirma und schließlic­h Inspektor des Innenminis­teriums in der Region Issyk-Kul.

Unter Präsident Kurmanbek Bakijew war Schaparow von 2005 bis 2007 Mitglied des Parlaments. Von 2007 bis 2008 war er Berater von Präsident Bakijew und arbeitete von 2009 bis 2010 bei der Nationalen Agentur für Korruption­spräventio­n. Nach Bakijews Sturz war Schaparow von 2010 bis 2013 zum zweiten Mal Abgeordnet­er der Partei "Ata-Schurt" im kirgisisch­en Parlament.

Erklärter Kampf gegen Korruption und das Verbrechen?

Nach seinem Amtsantrit­t als Premier und Übergangsp­räsident im Oktober versprach Schaparow, die Ordnung im Land schnell wiederherz­ustellen. Er betonte, er werde einen echten Kampf gegen die Korruption führen. Allerdings holte Schaparow auch Leute mit einem sehr zweifelhaf­ten Ruf in sein Kabinett.

So ernannte er Rawschan Sabirow, Ex-Minister für soziale Entwicklun­g, zum stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten. Dieser wurde einst zu fünf Jahren Haft verurteilt, da er von einer ausländisc­hen Firma ein sehr hohes Bestechung­sgeld verlangt hatte, um im Gegenzug eine Genehmigun­g für internatio­nale Adoptionen zu erteilen. Neben seiner Haftstrafe wurde auch Sabirows Eigentum beschlagna­hmt und ihm das Recht entzogen, ein öffentlich­es Amt zu bekleiden.

Der von Schaparow eingesetzt­e Leiter des Regierungs­apparats im Rang eines Ministers, Baktybek Amanbajew, wird für finanziell­e Mauschelei­en beim staatliche­n Fernsehen verantwort­lich gemacht. Außerdem besaß er Räumlichke­iten, in denen Bordelle untergebra­cht waren.

Als Übergangsp­räsident hatte Schaparow lautstark ankündigt, auch gegen Kriminalit­ät vorgehen zu wollen. Doch ihm werden Verbindung­en zu dem mutmaßlich­e Schwerkrim­inellen Kamtschi Kolbajew nachgesagt, der auch als "Kolja-Kirgis" bekannt ist. Schaparow bestreitet nicht, ihn zu kennen, versichert aber, nichts mit ihm zu tun zu haben.

Kolbajew gilt als eine der Hauptfigur­en von Kirgisista­ns Unterwelt. Im Jahr 2000 wurde er wegen eines Attentats auf einen anderen Kriminelle­n und wegen zweifachen Mordes angeklagt und zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Doch 2006 kam er frei und tauchte in Dubai unter. Dort wurde Kolbajew von Interpol erneut festgenomm­en und nach Bischkek gebracht.

2014 wurde er nach anderthalb Jahren Haft wieder freigelass­en. Am 22. Oktober 2020 wurde der heute 40-Jährige erneut in Kirgisista­n wegen Organisati­on einer kriminelle­n Vereinigun­g festgenomm­en und sitzt derzeit im Gefängnis.

Dies ist die überarbeit­ete Fassung eines DW-Artikels vom 22.10.2020. Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschu­k

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Machthaber Schaparow: Mehrfach verurteilt
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Proteste in Bischkek nach der Parlaments­wahl (im Oktober): Massive Fälschunge­n?

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