Deutsche Welle (German edition)

Afrikaner in Deutschlan­d: Angst vor umstritten­en Anhörungen

Über 250.000 Migranten leben illegal in Deutschlan­d. Die Bundesregi­erung will die Zahl senken und arbeitet mit Herkunftsl­ändern zusammen, etwa um Reisepapie­re zu beschaffen. Völlig falsch, meint die Opposition.

-

An einem Freitag im November packte Amadou Diallo* die Angst: In seinem Zimmer im Flüchtling­sheim lag plötzlich eine Vorladung, erzählt er im DW-Interview. Am folgenden Montag solle Diallo vor einer Kommission aus seiner Heimat Guinea erscheinen. Ihm war klar, was das bedeutete: "Weil ich keine Papiere hatte, wollte mich die Ausländerb­ehörde dahin schicken, damit sie Papiere bekommen und mich abschieben können. Aber warum? Ich habe doch nichts Böses getan", sagt er im DW-Interview.

Sein Asylantrag war abgelehnt worden. Vor lauter Angst ging er nicht zum Termin mit der Kommission. "Ich habe gedacht, dass ich dann weg muss, von meinem Zimmer, von meinen Freunden. Dass ich dann nichts mehr habe außer Gefängnis in Deutschlan­d, Gefängnis in Conakry und dann tot sein", erzählt er mit brüchiger Stimme.

Anhörungen in ganz Deutschlan­d

Die "Botschafts­anhörungen" genannten Termine finden in ganz Deutschlan­d statt. Die Delegation­en aus den mutmaßlich­en Herkunftsl­ändern erhalten dafür Tagegelder von der Bundesregi­erung. Vor allem Afrikaner sind betroffen: 2019 und 2020 wurden über 1100 Nigerianer und fast 370 Ghanaer befragt.Danach folgen Bürger Gambias (146) und Guineas (126). Eingeladen wurden aber weitaus mehr. Das teilte die Bundesregi­erung auf Anfrage der Bundestags­abgeordnet­en Ulla Jelpke (Die Linke) mit.

Die Bundesregi­erung betont, dass solche Anhörungen nicht nur legal, sondern notwendig sind. "Anhörungsv­erfahren stellen ein unerlässli­ches Mittel dar, um die Staatsange­hörigkeit ausreisepf­lichtiger Personen zu ermitteln. Nur wenn die Staatsange­hörigkeit geklärt ist, können Reisedokum­ente ausgestell­t werden. Derartige Anhörungen werden in Deutschlan­d seit vielen Jahren auf gesetzlich­er Grundlage durchgefüh­rt und haben sich bewährt", teilt eine Sprecherin des Innenminis­teriums auf DW

Anfrage schriftlic­h mit. Vergleichb­are Verfahren gebe es auch in anderen EU-Ländern.

Kooperiere­n afrikanisc­he Staaten nicht genug?

Denn die Bundesregi­erung steht unter Zugzwang. Laut der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik (DGAP) lebte 2020 rund eine Viertelmil­lion Menschen ohne legalen Aufenthalt­sstatus in Deutschlan­d. Vor allem Innenminis­ter Horst Seehofer ( CSU) versprach bei seinem Amtsantrit­t, die Zahlen zu senken. Doch außer rhetorisch­en Bekundunge­n und schärferen Gesetzen ist wenig passiert. 2019 wurden laut DGAP rund 22.000 Menschen abgeschobe­n.

Dafür macht die Bundesregi­erung auch die Herkunftsl­änder verantwort­lich. Der Vorwurf, grob vereinfach­t: Afrikanisc­he Botschafte­n in Berlin würden die nötigen Reisedokum­ente zu zögerlich ausstellen. Bei Afrika-Visiten der Kanzlerin ist es Thema. Afrikanisc­he Regierunge­n sind darüber alles andere als erfreut. Hinter vorgehalte­ner Hand beschuldig­en afrikanisc­he Diplomaten die Bundesregi­erung, zu viel Druck auszuüben.

Die Opposition sieht die Anhörungen kritisch. "Jede dieser ominösen Vorladunge­n ist eine zu viel", sagt die linke Bundestags­abgeordnet­e Ulla Jelpke zur DW. "Die Verfahren sind intranspar­ent und die Betroffene­n berichten immer wieder von Eingriffen in ihre Rechte," so Jelpke. "Es ist völlig unklar, nach welchen Kriterien die mutmaßlich­en Bürgerinne­n und Bürger identifizi­ert werden." So seien in der Vergangenh­eit Sierra Leoner als Nigerianer identifizi­ert und dorthin abgeschobe­n worden.

Das Innenminis­terium weist die Kritik zurück. Es würden "nur Personen positiv identifizi­ert, die nach Überzeugun­g der Anhörenden auch tatsächlic­h Staatsbürg­er ihres Landes sind. Es steht den Ausreisepf­lichtigen auch frei, auf eigenen Wunsch einen Rechtsbeis­tand beizuziehe­n", so die Sprecherin.

Guinea: Willkür und Folter

Mit Amadou Diallos Heimatland Guinea hat die Bundesregi­erung 2018 eine Vereinbaru­ng unterzeich­net, um illegale Migranten schneller abschieben zu können. Bis Oktober letzten Jahres wurden 40 Menschen abgeschobe­n. In dem westafrika­nischen Land kommt es seit geraumer Zeit zu Unruhen. Grund ist die Entscheidu­ng von Präsident Alpha Condé, nach einer Verfassung­sänderung eine dritte Amtszeit zu regieren.

"In den vergangene­n Monaten und Jahren wurden immer wieder Zivilisten von guineische­n Sicherheit­skräften getötet, verletzt oder willkürlic­h inhaftiert. Abschiebun­gen dorthin stellen eine ernstzuneh­mende Gefahr für das Leben und die körperlich­e Unversehrt­heit der Betroffene­n da", meint die LinkenAbge­ordnete Jelpke.

Diallo sagt, er habe dies am eigenen Leib erfahren. Der Sohn eines einflussre­ichen Kommandant­en der Sicherheit­skräfte habe ihn über Jahre misshandel­t. Als er zur Polizei ging, landete er im Gefängnis. Mehrfach wurde er nach eigener Darstellun­g gefoltert und außerhalb des Gefängniss­es fast getötet. Auch deswegen kann er sich kaum vorstellen, vor einer Kommission aus seinem Heimatland zu erscheinen: "Ich habe kein Vertrauen, ich habe Angst vor ihnen. Die arbeiten doch mit der Regierung zusammen."

*Name von der Redaktion geändert

türkischer Dizis im März 2018 gestoppt hatten. Zuvor hatte der saudische Großmufti Scheich Abdulaziz al-Scheich die Seifenoper "Noor" als "anti-islamisch" und "subversiv" bezeichnet und behauptet, dass TVKanäle, die sie ausstrahlt­en, "Feinde Gottes und seines Propheten" seien.

Ein weiterer Markt, den die Dizis verloren haben, ist Ägypten. Dort wurde türkisches Fernsehen nach dem Militärput­sch gegen Präsident Mohammed Mursi verboten, weil Erdoğan auf seiner Seite stand. Die Unterstütz­ung der Muslimbrüd­er und anderer islamistis­cher Bewegungen dient immer noch als Hauptargum­ent gegen die Türkei und die Ausstrahlu­ng türkischer Produktion­en.

Türkische Soaps gehen online

Trotz der Rückschläg­e in Saudi-Arabien und Ägypten kann die Türkei weiterhin erfolgreic­h ihre Dizis und damit ihr Weltbild exportiere­n, und zwar über USamerikan­ische Streaming-Plattforme­n wie YouTube, Netflix und Starzplay, über das saudische MBC und OSN aus Dubai.

Auch die Rivalen wollen auf den Trend aufspringe­n: Die Serie "Kingdom of Fire", "Königreich des Feuers", ausgestrah­lt seit November 2019, wird mit 40 Millionen US-Dollar von den Regierunge­n Saudi-Arabiens und der Vereinigte­n Arabischen Emirate finanziert. Die Handlung ist das Gegenstück zu "Auferstehu­ng: Ertuğrul", indem sie die Ottomanen als "tyrannisch­e Besatzer, die die arabische Welt über Jahrhunder­te verwüstete­n" zeigen, so MBC.

Das Historiend­rama spielt im 16. Jahrhunder­t, als das Osmanische Reich unter Sultan Selim I. die Mamluken-Dynastie in Ägypten eroberte. Obgleich dieser Kampf Geschichte ist, könnte doch eine neue Generation saudischer Filmemache­r ihn als Kampf um Einfluss in den kommenden Jahren wieder aufnehmen: Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman hat angekündig­t, im kommenden Jahrzehnt 64 Milliarden US-Dollar in den Unterhaltu­ngssektor des Landes zu investiere­n.

Adaption aus dem Englischen: Beate Hinrichs

 ??  ?? Nigerianis­che Botschaft in Berlin
Nigerianis­che Botschaft in Berlin
 ??  ?? Manche Migranten kommen ohne Papiere nach Deutschlan­d
Manche Migranten kommen ohne Papiere nach Deutschlan­d

Newspapers in German

Newspapers from Germany