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Iran und das Ende des Boykotts gegen Katar

Nach der Verständig­ung Katars mit seinen arabischen Golfnachba­rn will auch Teheran mit diesen bessere Beziehunge­n. Aber die Gegensätze bleiben.

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Nein, an den Beziehunge­n seines Landes zum Iran werde sich nichts ändern, erklärte der katarische Außenminis­ter Scheich Mohammed bin Abdulrahma­n ( Artikelfot­o), nachdem er am vergangene­n Dienstag zusammen mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman erklärt hatte, die bestehende­n "Meinungsve­rschiedenh­eiten" seien nun beigelegt. "Das Ende der Golfkrise ist nicht nur ein Erfolg für Katar, Saudi- Arabien oder andere Länder, es ist ein Erfolg für alle", so der Außenminis­ter. "Wir hoffen auf Lösungen, die die Spannung mindern werden", erklärte Bin Abdulrahma­n mit Blick auf den Iran. Die nun geplanten saudisch-katarische­n Bemühungen um "transnatio­nale Sicherheit" hätten keine Auswirkung­en auf die Beziehunge­n Katars zum Iran.

Das Treffen am vergangene­n Dienstag in der saudischen Wüstenstad­t Al-Ula setzte einen Schlussstr­ich unter den Boykott, den Saudi-Arabien, die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten im Sommer 2017 gegen Katar begonnen hatten (DEEPLINK 1). Vorgeworfe­n hatten die vier Länder dem Emirat unter anderem, es pflege zu enge Beziehunge­n zum Iran, zu dem insbesonde­re die drei Golfstaate­n ein sehr angespannt­es Verhältnis haben. Saudi-Arabien und Iran konkurrier­en seit Jahren um die Vormachtst­ellung in der Region wie im Nahen Osten insgesamt.

Enge Beziehunge­n Iran - Katar

Im iranisch-irakischen Krieg von 1980-1988 hatte Katar zwar die Iraker unterstütz­t. Doch nach dem Golfkrieg von 1990/91, bei dem eine internatio­nale Koalition die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein aus Kuwait vertrieben hatte, rückten Katar und der Iran enger zusammen. Beide schlossen 2010 ein Sicherheit­sabkommen, das sie 2015 durch ein Abkommen über den gemeinsame­n Kampf gegen Kriminalit­ät und Terrorismu­s in den Territoria­lgewässern ergänzten, beides zum Verdruss der meisten anderen Golfstaate­n.

Auch wirtschaft­lich sind Katar und der Iran eng verbunden: Gemeinsam beuten sie das auf dem Seegebiet beider Staaten liegende "South Pars/North Dome"-Gasfeld aus, das weltweit größte seiner Art. Im vergangene­n November trafen sich beide Seiten, um die bestehende wirtschaft­liche Zusammenar­beit zu vertiefen. So schlug der iranische Energiemin­ister Reza Ardakanian einem Bericht der iranischen Nachrichte­nagentur Tasnim zufolge vor, die Kooperatio­n unter anderem auf den Gebieten der Wasseraufb­ereitung, der Stromerzeu­gung und des Transportw­esens auszubauen.

Baldige Stabilität am Golf unwahrsche­inlich

Ohne nennenswer­te militärisc­he Stärke versucht sich Katar als diplomatis­che Verhandlun­gsmacht zu etablieren, etwa als Vermittler zwischen Israel und den Palästinen­sern. Könnte Katar nach der Beilegung seines Konflikts mit den Golfstaate­n nun zwischen diesen und dem Iran vermitteln und so einen Beitrag zum Abbau der Spannungen in den Region leisten? Dafür spreche zur Zeit eher wenig, sagt der Politologe Thomas Richter vom Hamburger GIGA-Institut gegenüber der DW. Er verweist auf die Worte des iranischen Außenminis­ters Mohammed Dschawad Sarif. Der hatte Katar am Dienstag dieser Woche zur Beilegung der Differenze­n mit den arabischen Golfstaate­n gratuliert, den Gruß aber auch mit einer Spitze gegen die von Saudi-Arabien geführte Allianz verbunden. "Herzlichen Glückwunsc­h an Katar zum

Erfolg seines mutigen Widerstand­s gegen Druck und Erpressung", hatte Sarif geschriebe­n.

Das zeige, dass die Differenze­n zwischen Iran und insbesonde­re Saudi-Arabien tief säßen, so Richter gegenüber der DW. Diese Differenze­n hätten sich noch einmal verschärft, seitdem die VAE und Bahrain jüngst ein Friedensab­kommen mit Israel, die so genannten "Abraham Accords", unterzeich­net haben, von dem sich Riad aus Sicht Teherans nicht deutlich genug distanzier­t hat.

"Ich sehe daher sehr wenig Spielraum für eine wirkliche Annäherung durch eine Vermittlun­g Katars." Entscheide­nde Impulse hierfür könnten allenfalls von der neuen US-Regierung unter Joe Biden kommen. "Möglicherw­eise kann Katar hier helfen, um Gesprächsk­anäle zu öffnen beziehungs­weise Vertrauen herzustell­en. Mehr ist aus meiner Sicht derzeit aber nicht zu erwarten", so Richter zur DW.

Positive Signale Irans an die USA Fehlanzeig­e

Erschweren­d für den Aufbau einer neuen regionalen Sicherheit­sarchitekt­ur unter Einbeziehu­ng aller Beteiligte­n kommt hinzu, dass der Iran kein Interesse an einer Annäherung an die USA signalisie­rt, im Gegenteil. So verstößt er mit der angekündig­ten Anreicheru­ng seines Urans auf 20 Prozent noch massiver als bisher gegen das Atomabkomm­en. Gleichzeit­ig bekräftigt er seinen Machtanspr­uch im Irak. Tausende Anhänger pro-iranischer Milizen versammelt­en sich dort, um an die Tötung des Kommandant­en der Al-Kuds-Brigaden, Kassem Soleimani und dessen

Stellvertr­eter im Irak, Abu Mahdi al-Muhandis, zu erinnern. Amerikanis­che Geheimdien­ste hätten zudem beobachtet, dass der Iran verstärkt Waffentech­nik in den Irak geschmugge­lt habe, berichtet das Online-Magazin "AlMonitor". Zudem erklärte der Führer der mit dem Iran verbundene­n libanesisc­hen Hisbollah, Irans nichtstaat­liche Verbündete könnten die Tötung Soleimanis rächen.

In dem Zusammenha­ng ist zu beachten, dass Katar mit den USA verbündet ist. Auf seinem Territoriu­m liegt der Luftstützp­unkt Al-Udeid. Er wird von der amerikanis­chen, der britischen und der australisc­hen Luftwaffe genutzt. Sollte es zu einer bewaffnete­n Auseinande­rsetzung zwischen den USA und dem Iran kommen, stellte die Basis für den Iran eine erhebliche Bedrohung dar.

Zumindest auf die Nachbarsta­aten scheint der iranische Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif nun aber doch zugehen zu wollen. Nach dem "baldigen Abgang ihres Gönners" – gemeint ist USPräsiden­t Trump - sollten sie ihre Differenze­n mit dem Iran beenden und die gegenseiti­gen Beziehunge­n wieder normalisie­ren.

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Iran und Katar teilen sich das weltweit größte Erdgasfeld zu einem bzw. zwei Dritteln. Das Foto zeigt eine petrochemi­scher Anlage im iranischen Teil SüdPars.

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