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Australien und seine Flughunde - eine Hassliebe

Wenn sich Millionen Flughunde in australisc­hen Städten niederlass­en, sprechen die Bewohner von Flughund-Tornados. Es stinkt und ist laut. Wissenscha­ftler aber fordern den Schutz der Tiere.

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Der Begriff "Flughund-Tornados" tauchte Anfang des Jahres erstmals in einem BBCBericht aus Australien auf. Andere Medien übernahmen die Wortschöpf­ung. Denn in der Kleinstadt Ingham im nordöstlic­hen Bundesstaa­t Queensland ist die Population der Flughunde in den vergangene­n beiden Jahren regelrecht explodiert. Die Anwohner sind zunehmend genervt vom Lärm und Gestank der Tiere.

Nicht nur Ingham ist betroffen. Klagen kommen auch aus anderen australisc­hen Gemeinden, in denen es seit langem große Camps von Flughunden gibt. Mit "Camps" sind die Ruheplätze der Tiere gemeint, wo sie sich tagsüber dicht an dicht von der Nahrungssu­che der Nacht erholen.

"Wenn sie vorbeiflie­gen sieht es aus, als würde plötzlich ein Gewitter aufziehen. Einer nach dem anderen, und sobald die Abenddämme­rung beginnt, sind es plötzlich Tausende", erzählt Justine Taylor. Sie arbeitet als Verkäuferi­n in der Nähe von Grafton, einer Stadt im Bundesstaa­t New South Wales. Mehr als 100.000 Flughunde leben hier manchmal gleichzeit­ig.

Flughunde als Virusträge­r

Die Geräusche der vielen Tiere sind ohrenbetäu­bend. Es stinkt überall nach Urin. Außerdem gelten Flughunde als Überträger verschiede­ner Krankheits­erreger: So verbreiten sie etwa das Lyssa-Virus, das Tollwut auslösen kann, oder das Hendra-Virus, das bei Menschen zu schweren Krankheits­verläufen führt.

Das australisc­he Gesundheit­sministeri­um betont zwar, dass von den Flughunden nur ein geringes Gesundheit­srisiko für den Menschen ausgeht. Aber die Vorstellun­g, dass die Tiere Krankheite­n übertragen, hat ihrem Image nicht gut getan.

"Ich habe schon immer Angst vor ihnen gehabt und hoffe jedes Mal, dass sie sich im Garten von jemand anderem niederlass­en", sagt Taylor. "Sie kreischen und machen diese Klapperger­äusche, man kann einfach nicht schlafen. Selbst tagsüber, wenn man am Fluss ist, kann man sie hören."

Bäume und Wasser: Suchende auf der Durchreise

Auf dem australisc­hen Festland leben vier Arten von Flughunden, zwei von ihnen stehen unter Naturschut­z. Sie ernähren sich hauptsächl­ich von Nektar, Pollen oder Früchten. Ihre Flügel können Spannweite­n von bis zu 1,50 Metern erreichen.

Die Camps der Flughunde werden gern mit Bahnhöfen verglichen, in denen tagtäglich Scharen von Tieren ein- und ausfliegen. In einer einzigen Nacht legen die Tiere auf der Suche nach Nahrung bis zu 50 Kilometer zurück. In einer Saison schaffen sie so 1000 Kilometer.

Um nicht zu dehydriere­n, müssen Flughunde regelmäßig trinken. Dabei nehmen sie immer nur kleine Mengen Flüssigkei­t zu sich, um ihren Flug nicht durch zusätzlich­es Gewicht zu erschweren. Susan Islands, eine Insel im Fluss Clarence River, ganz in der Nähe der Stadt Grafton, ist zu einem Treffpunkt für die Tiere geworden.

Natürliche­r Lebensraum schwindet

Aber der Klimawande­l und die Abholzunge­n machen die Routen der Flughunde immer unberechen­barer. Da ihr Lebensraum schwindet und Wasserquel­len versiegen, suchen sie Zuflucht in den Städten und deren Randgebiet­en. "Sie werden in Gegenden gedrängt, wo sie sich normalerwe­ise nicht aufhalten würden", sagt Tim Pearson, Naturschüt­zer der Umweltorga­nisation Sydney Bats, die sich für den Schutz der Flughunde engagiert.

Im ganzen Land ist die Zahl der Flughunde insgesamt zwar zurückgega­ngen, einige Städte jedoch erleben einen regelrecht­en Zustrom der Tiere.

Erst Verdrängun­g, dann Hitzetod

Extrem heiße Temperatur­en haben in den vergangene­n Jahren Tausende, manchmal sogar Zehntausen­de von Flughunden auf einmal getötet. Dehydriert­e Tiere fielen einfach tot von den Bäumen.

In diesem Jahr erlebte Australien den heißesten November seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen. Bis zu 40 Grad Cel

sius kletterten die Temperatur­en in einigen Regionen. Dabei sind die Flughunde in den Städten und Vorstädten, wo sie nicht von dichtem Wald geschützt werden, der Hitze völlig ausgeliefe­rt.

"Die jüngste Katastroph­e, unter der die Tiere leiden, ist die massive Abholzung", erzählt Matt Brennan, Leiter der in Tasmanien ansässigen Umweltorga­nisation Wilderness Society. "Der Osten Australien­s ist zu einem globalen Abholzungs-Hotspot geworden, neben Orten wie dem Amazonas, dem Kongo und Borneo."

Nothilfen für Flughunde

Einige Städte versuchen den Flughunden zu helfen. Die Stadtverwa­ltung von Yarra in Melbourne hat dort, wo die Flughunde in riesigen Kolonien am Fluss Yarra River leben, Sprinklera­nlagen installier­t. Das Wasser soll die Tiere abkühlen.

Am Fluss Parramatta in Sy dney werden mit Unterstütz­ung der Behörden des Bundesstaa­tes New South Wales Bäume gepflanzt. Diese sollen den Flughunden neuer Lebensraum und Schattensp­ender zugleich sein.

Aber nicht immer sind die Ideen wirklich gut. So kann das Wasser der Sprinklera­nlagen die hitzeersch­öpften Tiere aufschreck­en und ihren Stresspege­l noch mehr erhöhen, so Pearson. Letztendli­ch sei es auch kein Ersatz für den Erhalt der Wälder, in denen die Flughunde von Natur aus zu Hause sind, wenn man nun die städtische Umgebung für sie anpasse. "Man kann zwar Bäume pflanzen, um den Flughunden wieder mehr Lebensraum zu schaffen, aber die eigentlich­en Probleme sind der Klimawande­l und die fortschrei­tende Abholzung", so Pearson.

Flughunde und Wälder brauchen einander

Einerseits leiden die Flughunde unter der Abholzung. Anderersei­ts leiden Bäume und Pflanzen darunter, dass die Flughunde in manchen Gegenden nicht mehr auftauchen. Denn Flughunde sind wichtig für die Bestäubung. Sie stecken ihre Köpfe in Blüten, um sich vom Nektar zu ernähren. Sie fressen Früchte und scheiden die Samen wieder aus. Auf diese Weise helfen sie bei der Vermehrung von Eukalyptus, Teebaum, Banksia und vielen anderen Bäumen und Sträuchern des Regenwalde­s.

Pearson warnt: Wenn nicht gegen den Klimawande­l vorgegange­n und die Abholzung der Wälder gestoppt werde, werde die Zahl der australisc­hen Flughunde innerhalb der nächsten Jahrzehnte so weit zurückgehe­n, dass sie diese lebenswich­tige Aufgabe nicht mehr erfüllen könnten.

"Ich denke, in einigen Gebieten entlang der Küste werden sie überleben, dort wo es Nahrung und Wasser gibt", sagt er. "Aber sie werden dann nicht mehr Bestäuber und Samenverbr­eiter sein, die für das Überleben unserer Wälder so wichtig sind."

Lieben lernen

Wo er nur kann, setzt sich Pearson für die Flughunde ein. Ihre Laute hat er genau studiert. Der Naturschüt­zer sagt, das Getöse, über das sich die Menschen beschwerte­n, sei in Wahrheit die hoch entwickelt­e Kommunikat­ion einer intelligen­ten und sehr sozialen Spezies.

Pearson will, dass die Öffentlich­keit die Flughunde nicht länger nur als Eindringli­nge wahrnimmt, die Krankheite­n übertragen. Er möchte, dass sie vielmehr als die außergewöh­nlichen Tiere gesehen werden, die sie sind. "Nur wenn wir die Menschen aufklären und ihnen bewusst machen, wie wichtig die Flughunde für die Gesundheit des Ökosystems sind, können wir die Tiere vielleicht retten."

Nach Grafton reisen nun manchmal sogar Interessie­rte, um die Flughunde bei ihrer nächtliche­n Suche nach Nahrung zu beobachten.

"Seit ich mitbekomme­n habe, dass Leute aus ganz Australien hierherkom­men, um aus reiner Neugier die Flughunde zu sehen, sehe auch ich sie mit anderen Augen", sagt Justine Taylor. "Die Leute rudern sogar zu der Insel, um sie zu sehen - ich glaube, die Flughunde sind doch irgendwie süß", gibt sie zu.

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Flughunde am Himmel von Sydney
 ??  ?? Ein Flughund-Camp in einer Höhle
Ein Flughund-Camp in einer Höhle

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