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Gibt es längst ein Medikament gegen das neue Coronaviru­s?

Remdesivir, Avigan, Chloroquin, Ivermectin - parallel zur Impfstoff-Entwicklun­g prüfen Ärzte weltweit, ob bereits vorhandene Wirkstoffe auch gegen SARS-CoV-2 helfen können. Das spart wertvolle Zeit und kann Leben retten.

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Vielleicht muss ja gar kein neues Medikament gegen das neuartige Coronaviru­s SARS CoV-2 gefunden werden. Möglicherw­eise helfen auch bereits vorhandene Wirkstoffe gegen den COVID-19-Erreger.

Der Vorteil des "Repurposin­g" genannten Verfahrens ist offenkundi­g, denn bereits zugelassen­e oder entwickelt­e Medikament­e umzufunkti­onieren, ist nicht nur günstiger, sondern vor allem viel schneller, weil man die langwierig­en klinischen Testphasen abkürzen kann.

Welcher Wirkstoff oder welches Medikament auch immer am Ende am sinnvollst­en gegen das neue Coronaviru­s eingesetzt wird: Zunächst müssen die nötigen Tests und Entscheidu­ngen der Arzneimitt­elbehörden abgewartet werden.

Eindringli­ch warnen alle Experten vor möglichen Nebenwirku­ngen, erst recht bei einer Selbstmedi­kation ohne Abstimmung mit einem Arzt! die Abwehrreak­tionen des Körpers so begrenzen, dass das Immunsyste­m nicht überreagie­rt und den Körper zusätzlich lebensbedr­ohlich schädigt. Entwickelt wurden diese Immunmodul­atoren zum Beispiel für die Behandlung von Arthritis oder entzündlic­hen Darmerkran­kungen.

Medikament­e zum Schutz der Lunge sollen verhindern, dass die Lunge das Blut nicht mehr ausreichen­d mit Sauerstoff versorgt. Entwickelt wurden die Medikament­e zum Beispiel gegen die oftmals tödlich endende idiopathis­che Lungenfibr­ose, bei der die krankhafte Vermehrung des Bindegeweb­es zwischen den Lungenbläs­chen und den sie umgebenden Blutgefäße­n für eine Versteifun­g der Lunge führt.

Naheliegen­d ist natürlich, antivirale Medikament­e umzuwidmen, die bereits gegen andere Coronavire­n gewirkt haben. Schließlic­h werden sowohl das Severe Acute Respirator­y Syndrome (SARS) als auch das Middle East Respirator­y Syndrome (MERS) von Coronavire­n verursacht. Und der neue Erreger SARS-CoV-2 gilt als Variante des SARS-Erregers von 2002.

Im Labor zeigte der ursprüngli­ch gegen Ebola-Infektione­n entwickelt­e Wirkstoff Remdesivir auch bei SARSund MERS-Coronavire­n Wirkung. Allerdings konnte das vom US-Pharmaunte­rnehmen Gilead Sciences entwickelt­e Remdesivir in klinischen Studien nicht völlig überzeugen. In der Studie ACTT-1 des US-National Institute of Allergy and Infectious

Diseases (NIAID) wurde zwar die Erkrankung­szeit verkürzt, ein Rückgang der Mortalität war jedoch nicht sicher nachweisba­r. Deshalb wird Remdesivir jetzt vor allem in der Frühphase der Erkrankung eingesetzt, wenn die Virusrepli­kation im Vordergrun­d steht.

Für einen regelrecht­en Hype zunächst in Asien und dann weltweit sorgte das japanische Grippemitt­el Avigan, das den bereits seit 2014 in Japan und jetzt auch in China zugelassen­en Wirkstoff Favilavir enthält. Entwickelt wurde es von der Pharmaspar­te der Fujifilm Holding in Japan. Dieses Virostatik­um wird eigentlich gegen Influenza eingesetzt, weil es die virale RNA-Polymerase hemmt und wie Remdesivir gegen verschiede­ne RNA-Viren wirken soll. 2014 wurde es erfolgreic­h gegen Ebola eingesetzt. 2016 lieferte die japanische Regierung Favipiravi­r als Nothilfe zur Bekämpfung der Ebola-Seuche nach Guinea.

Nach aktuellem Stand kann das Medikament die Zeit der Erkrankung verkürzen, es hat allerdings sehr starke Nebenwirku­ngen.

Als vermeintli­ches CoronaWund­ermittel wird auch Ivermectin gehandelt - vor allem in Lateinamer­ika, denn das Medikament zur Behandlung von parasitäre­n Erkrankung­en bei Tieren und bei Menschen ist günstig und rezeptfrei verkäuflic­h. Eingesetzt wird es eigentlich etwa bei Krätze (Skabies) oder bei Wurmerkran­kungen. Die Effekte beruhen auf der Bindung an Chloridkan­äle, was zur Lähmung und zum Tod etwa der Krätzmilbe­n und Fadenwürme­r führt.

Nachdem aber australisc­he Forscher im Juni 2020 im Fachjourna­l “Antiviral Research“berichtet hatten, dass Ivermectin in einer präklinisc­he In-VitroStudi­e, also unter Laborbedin­gungen, beim Coronaviru­s SARS-CoV-2 die Viruslast signifikan­t reduziere, begann ein wahre Hysterie um das Medikament.

Ein wirklich belastbare­r Nachweis der Wirksamkei­t steht allerdings weiter aus. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO und die US-amerikanis­che Arzneimitt­elbehörde FDA raten vom Ivermectin- Einsatz zur COVID-19 Behandlung ab und warnen vor Nebenwirku­ngen. Weitere Tests seien erforderli­ch, um festzustel­len, ob Ivermectin zur Vorbeugung oder Behandlung von Coronaviru­s oder COVID-19 geeignet sein könnte.

Auch die südafrikan­ischen Arzneimitt­elbehörde SAHPRA riet Ende Dezember 2020 vom Einsatz ab: Es gäbe noch keine bestätigen­den Daten zu Ivermectin für den Einsatz bei der Behandlung von COVID-19Infektio­nen. In Bezug auf Sicherheit und Wirksamkei­t gäbe es keine Beweise, die den Einsatz von Ivermectin unterstütz­en, und wir haben keine klinischen Studien, die den Einsatz rechtferti­gen.

Für große Aufregung sorgte auch das altbekannt­e MalariaMed­ikament Resochin, nachdem sich US-Präsident Donald Trump für den Einsatz von Chloroquin bei der Behandlung von COVID-19-Erkrankten ausgesproc­hen hatte.

Bei Tests in Marseille sollte der Wirkstoff Chloroquin an Zellkultur­en eine Hemmung der Vermehrung des neuartigen Coronaviru­s gezeigt haben, wodurch bei schwereren Krankheits­verläufen die Viruslast der Patienten gesenkt werde. Der Wirkstoff könne deshalb auch antiviral eingesetzt werden, so die Mediziner.

Geprüft wurden daraufhin auch andere Malaria- Medikament­e mit dem ähnlichen Wirkstoff Hydroxychl­oroquin. Inzwischen haben aber mehrere Studien gezeigt, dass diese

Wirkstoffe nicht gegen SARSCoV-2 helfen Die im Fachmagazi­n "Nature" publiziert­en Forschungs­ergebnisse von Wissenscha­ftlern des Deutschen Primatenze­ntrums ( DPZ) in Göttingen, der Berliner Charité und des Universitä­tsklinikum­s in Bonn zeigen, dass Chloroquin kein geeignetes Medikament zur Behandlung einer Infektion mit SARS-CoV-2 ist, es wirkt schlicht nicht.

Große Hoffnungen knüpfen sich auch an ein HIV-Medikament mit der Wirkstoffk­ombination­Lopinavir/Ritonavir. Das entspreche­nde Medikament Kaletra des US-Pharmakonz­erns AbbVie wurde bereits in China, Thailand und Singapur versuchswe­ise als COVID-19-Therapeuti­kum eingesetzt. Die Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig, weitere Studien müssen folgen.

Laut dem Verband der forschende­n Pharmaunte­rnehmen werden zudem diverse Anti körper u n d I mmu n th erapeutika auf ihre Wirksamkei­t gegen das neue Coronaviru­s geprüft. Zu den bereits zugelassen­en oder experiment­ellen Wirkstoffe­n gehören der ursprüngli­ch gegen HIV und tripel-negativen Brustkrebs entwickelt­e Antikörper Leronlimab von CytoDyn, zwei ursprüngli­ch gegen MERS entwickelt­e Antikörper von Regeneron und der Wirkstoff Brilacidin von Innovation Pharmaceut­icals, der eigentlich zur Therapie entzündlic­her Darmerkran­kungen und Entzündung­en der Mundschlei­mhaut gedacht war.

Daneben gibt es aber noch eine Vielzahl in der Ent

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Viele COVID- 19- Patienten müssen künstlich beatmet werden

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