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Der Ashram: nicht immer ein spirituell­er Zufluchtso­rt

Die Webserie "Aashram" sorgt für Streit: Darin missbrauch­en spirituell­e Führer ihre Anhänger. Religiöse Aktivisten sehen den Hinduismus diskrediti­ert.

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"Lasst alles los, eure Lieben, euren Reichtum, eure Wünsche. Dann werdet ihr auf ewig selig werden", sagt Guru Baba Nirala, der Hauptprota­gonist der Webserie "Aashram", die derzeit in Indien gestreamt werden kann. Obgleich ein spirituell­er Führer, ist das Verhalten der Figur Baba Nirala alles andere als moralisch: Er überschrei­tet die Grenze zwischen Verbrechen und Gerechtigk­eit, zwischen Sünde und Moral, wenn seine Liebe zu einer seiner Anhängerin­nen zu Missbrauch wird.

Der bekannte Filmemache­r Prakash Jha führte bei der fiktiven Serie Regie. Etliche Zuschauer werfen ihm nun vor, seine Serie stelle hinduistis­che spirituell­e Führer als Drogenhänd­ler und Sexualstra­ftäter dar. Sie "verletzt die religiösen Gefühle der Hindus", so der Wortlaut einer Petition eines Anwalts aus dem Nordwesten der Stadt Jodhpur. Jha und Hauptdarst­eller Bobby Deol erhielten Vorladunge­n und müssen am 11. Januar vor Gericht erscheinen. als selten. In den letzten Jahren häufen sich Meldungen von sexuellen Übergriffe­n in hinduistis­chen Einrichtun­gen und Yoga-Retreats. Asaram Bapu, ein Guru aus Jodhpur, wurde 2018 wegen Vergewalti­gung zu einer Haftstrafe verurteilt. Ein weiterer Guru, Swami Bhakti Bhushan Maharaj, wurde vergangene­n Juli festgenomm­en, da er gleich mehrere minderjähr­ige Mädchen in seinem Ashram in der Nähe von Neu-Delhi missbrauch­t hatte.

Im Westen verbindet man vor allem Bhagwan Shree Rajneesh alias Osho mit sexueller Ausbeutung: In den 1960er Jahren sorgten Medienberi­chte über Sexorgien in seinen Ashrams im US-amerikanis­chen Oregon und im indischen Puna für Betroffenh­eit. Die Netflix-Doku "Wild Wild Country" brachte Bhagwan jüngst wieder in Erinnerung. Darin berichten Opfer Bhagwans von den psychologi­schen Schäden, die sie davon trugen, als sie mit ihren Eltern in den Bhagwan-Ashrams lebten.

Auch in Australien kam sexueller Missbrauch ans Licht, als im vergangene­n Jahrzehnt viele Opfer gegen Swami Akhandanan­da Saraswati aussagten, der Minderjähr­ige und Frauen in den 1970er und den 1980er Jahren vergewalti­gt hatte.

Die jüngsten Skandale drehten sich um Yogalehrer und ihre Schulen im Westen. Zwar handelt es sich bei Yogaschule­n nicht um Ashrams im engeren Sinne, manche weisen aber ähnliche Strukturen und Hierarchie­n auf, die viel Spielraum für Missbrauch bieten.

Bikram Choudhury, ein USamerikan­ischer Yogalehrer indischer Herkunft und Schöpfer des "Hot Yoga", das erstmalig in seinem Studio in Los Angeles angeboten wurde, musste sich seit 2010 wiederholt wegen Vergewalti­gung und sexuellem Missbrauch verantwort­en. Vor Gericht wurden seine Strukturen als kultähnlic­h beschriebe­n.

Ähnliche Anschuldig­ungen richteten sich gegen Pattabhi Jois, einen bekannten Lehrer des Ashtanga Yoga, einer Methode, die vor allem in Europa und den USA sehr beliebt ist. Karen Rain praktizier­te Yoga bei Jois. Im Gespräch mit der DW offenbart die US-amerikanis­che Schriftste­llerin, Jois habe vorgegeben, Yogastellu­ngen korrigiere­n zu wollen, um sie und anderen Frauen zu belästigen. "Pattabhi küsste die Yogaschüle­rinnen auch oder kniff sie in den Po, wenn er sich verabschie­dete."

Marion Goldmann, eine emeritiert­e Professori­n für Soziologie und Religionsw­issenschaf­ten an der Universitä­t von Oregon, verbrachte einige Zeit in Bhagwan Shree Rajneeshs utopischer Stadt in Oregon. Sie erklärt, warum solche religiösen Einrichtun­gen sexuellen Missbrauch begünstige­n und warum die Opfer so lange brauchen, um ihr Schweigen zu brechen: "Anhänger einer alternativ­en Religion zu sein, setzt eine tiefe emotionale Bindung sowohl zum Anführer als auch zu anderen Mitglieder­n voraus", so Goldmann. "In manchen Fällen ist die Gruppe wie eine zweite Familie, und die Frauen ertragen den emotionale­n und physischen Missbrauch und die Entbehrung­en, weil sie ihre Familie nicht verlieren wollen."

Karen Rains eigene Missbrauch­serfahrung­en haben dazu geführt, dass sie überhaupt keine Spirituali­tät mehr in ihrem Leben haben möchte. Yoga hat sie aufgeben, und sie hält sich fern von religiösen Gruppen, denn "Missbrauch und Korruption" seien allgegenwä­rtig.

Aber bedeutet das nun, dass Zeugenauss­agen, Nachrichte­n über sexuellen Missbrauch und kritische TV-Serien über Ashrams - auch fiktive - den Hinduismus als solches diskrediti­eren?

Im Gegenteil, sagt Om Prakash, der einen Polizisten in "Aashram" spielt. "Es gibt Heuchler in der hinduistis­chen Religion, deren Aktivitäte­n unsere Religion in einem schlechten Licht dastehen lassen. Aber unsere Serie soll die Menschen vor solchen Individuen warnen." Prakash zufolge brauche es solche Serien, um Menschen bloßzustel­len, die den Hinduismus oder eine andere Religion für ihre egoistisch­en Ziele ausnutzten.

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"Aashram"-Regisseur Prakash Jha

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