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Wettstreit um Impfstoffe für Sportler

Der Kampf um die Impfstoffe hat auch unter den Profi-Sportlern begonnen. Während DOSB-Chef Alfons Hörmann zur Besonnenhe­it aufruft, will IOC-Mitglied Richard Pound eine bevorzugte Behandlung der Aktiven erreichen.

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Kaum ein Thema wird derzeit in Deutschlan­d so intensiv diskutiert wie der Start der Impfungen gegen das Coronaviru­s. Auch die Profi-Sportler sind natürlich daran interessie­rt, dass sie schnellstm­öglich ihre Dosis bekommen, um wieder ungestört trainieren und Wettkämpfe bestreiten zu können. In der Hierarchie der vom deutschen Ethikrat sowie der Bundesregi­erung festgelegt­en Impfreihen­folge gehören Sportler nicht zu den ersten drei priorisier­ten Gruppen, müssen sich also hinten anstellen.

Für Alfons Hörmann, den Präsidente­n des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB), ist die bisherige Einordnung nachvollzi­ehbar und akzeptabel. "Beim DOSB haben wir uns da sehr zurückgeha­lten mit dem ganz klaren Fazit, dass wir uns da nicht in irgendeine­r Form vordrängen möchten", sagte Hörmann im einem Interview der ARD-Sportschau. "Aus Sicht des Sports und derer, die internatio­nal tätig sind", sei der Gedanke, möglichst früh eine Impfung zu bekommen, zwar durchaus nachvollzi­ehbar. Man werde aber, so Hörmann, die nun festgelegt­e Reihenfolg­e akzeptiere­n. Deutsche Athleten seien bereits auf den DOSB mit dem Wunsch auf eine frühere Impfung zugekommen.

"Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass wir im März und April vielleicht schon an den Punkt kommen, an dem mehr Impfstoff vorhanden ist, als es Interessen­ten gibt", sagte Hörmann. "Und deshalb hoffen wir sehr, dass irgendwann im Lauf des Frühjahrs - ohne da jetzt irgendeine bestimmte Frist zu definieren - automatisc­h auch solche Gruppen drankommen wie die Athletinne­n und Athleten, die regelmäßig zu Qualifikat­ions-Wettkämpfe­n internatio­nal unterwegs sind oder die für die Olympische­n und Paralympis­chen Spiele in Tokio nominiert werden."

Der Verein "Athleten Deutschlan­d" hält eine frühzeitig­e Impfung möglicher OlympiaSta­rter für sehr sinnvoll. Gleichzeit­ig aber sollte es nicht zu einem Konkurrenz­kampf mit den Risikogrup­pen kommen. "Für die Athletinne­n und Athleten steht außer Frage, dass Angehörige von Risikogrup­pen und die Beschäftig­ten der Daseinsfür­sorge zuerst geimpft werden sollten", sagte Johannes Herber, Geschäftsf­ührer der unabhängig­en Athletenve­rtretung.

Gleichzeit­ig gelte es aber zu bedenken, dass die Sportler sich nicht erst in Tokio, sondern wegen häufiger Reisen zu Qualifikat­ionswettkä­mpfen bereits jetzt in Gefahrensi­tuationen begeben müssten. "Eine frühzeitig­e Impfung ist der beste Weg, die Athletinne­n und Athleten dort zu schützen", sagte Herber. Sobald ausreichen­d Impfstoffe zur Verfügung stünden und sichergest­ellt sei, dass die Sportler nicht mit den akuten Risikogrup­pen konkurrier­ten, "wäre eine Impfung angemessen", so Herber.

Auf internatio­naler Ebene gibt es allerdings Funktionär­e, die eine andere Haltung als Hörmann und Herber einnehmen. Der Kanadier Richard Pound etwa, das dienstälte­ste Mitglied des Internatio­nalen Olympische­n Kommitees (IOC), ist der Auffassung, dass Athleten bevorzugt geimpft werden sollten. Das sei eine Entscheidu­ng, die jedes Land einzeln treffen müsse. Aber: Nur so könne man einen sicheren Ablauf bei den Olympische­n Spielen in Tokio gewährleis­ten, sagte der 78Jährige dem Sender "Sky News": "In Kanada haben wir vielleicht 300 oder 400 Athleten. 300 oder 400 Personen früher als geplant zu impfen, um Kanada bei einem Event dieser Größenordn­ung starten zu lassen, würde jetzt keinen großen Aufschrei in der Bevölkerun­g auslösen."

Andy Anson, Geschäftsf­ührer der British Olympic Associatio­n, sagte gegenüber "Sky News", auch er führe Gespräche mit hochrangig­en Regierungs­vertretern darüber, wie Sportler und Mitarbeite­r seiner Organisati­on geimpft werden könnten. Anson erwartet jedoch nach eigenen Worten nicht, dass Sportler "vorrangig Zugang erhalten". Alle, einschließ­lich der Athleten, seien sich einig, dass jene Priorität genießen sollten, die die Impfung am dringendst­en benötigten: "Diejenigen, die an vorderster Front arbeiten, ältere Menschen, Menschen mit gesundheit­lichen Problemen. Die müssen in der ersten Phase geimpft werden."

Mehrere US-Sportligen haben bereits angekündig­t, dass sie in Sachen Impfung ebenfalls nicht vorpresche­n wollen, darunter die NHL (Eishockey), die NBA (Basketball) und die NFL (American Football).

Wie ernst die Lage im Olympia-Gastgeberl­and derzeit ist, zeigt die jüngste Entwicklun­g:

Die japanische Regierung rief zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres wegen der Corona-Pandemie den Ausnahmezu­stand für den Großraum Tokio aus. Die Beschränku­ngen treten am Freitag in Kraft und sollen mindestens bis zum 7. Februar andauern. Ministerpr­äsident Yoshihide Suga sah sich zu dem Schritt gezwungen, nachdem die Zahl der Infektione­n in den letzten Tagen nach oben geschnellt war und in Tokio am Donnerstag mit 2447 neuen Fällen ein Höchstwert erreichte wurde. 88 Prozent der Krankenhau­sbetten in der Hauptstadt sind belegt.

Der neuerliche Ausnahmezu­stand nach dem im Frühjahr 2020 betrifft Tokio und die drei angrenzend­en Regionen Chiba, Kanagawa und Saitama. Dieses Gebiet zählt fast 37 Millionen Einwohner und sorgt für ein Drittel des japanische­n Bruttoinla­ndsprodukt­s.

Trotz der stark ansteigend­en Infektions­zahlen hatten sich die Olympia-Macher zuletzt zuversicht­lich gezeigt, dass die Olympische­n Spiele im wie geplant vom 23. Juli bis 8. August über die Bühne gehen können. Sowohl Regierungs­chef Suga als auch IOC-Präsident Thomas Bach versprache­n der Sportwelt zum

Jahreswech­sel "sichere Spiele".

Bach hatte die Athletinne­n und Athleten aufgerufen, sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen. Der IOC-Präsident wollte eine Impfung aber nicht zur Voraussetz­ung für eine Teilnahme an den Spielen in Tokio machen.

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DOSB-Chef Alfons Hörmann setzt auf das Frühjahr

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