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Die Twitter-Flucht der Trump-Anhänger

Immer mehr Unterstütz­er von Präsident Donald Trump verlassen Twitter und Facebook und nutzen stattdesse­n eigene soziale Netzwerke. Experten warnen vor einer gefährlich­en Spaltung.

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Monatelang hatte US-Präsident Donald Trump behauptet, Demokraten hätten das Wahlergebn­is gefälscht und würden hinterhält­ig die Macht in den USA an sich reißen. Als der noch amtierende Präsident seine Anhänger schließlic­h so weit angestache­lt hatte, dass einige von ihnen das Kapitol stürmten, setzte Twitter einen Schlusspun­kt hinter die Beziehung mit seinem vielleicht berühmtest­en User. Nach einer ersten, auf zwölf Stunden beschränkt­en Suspendier­ung sperrte das soziale Netzwerk Trumps Account am Freitag dauerhaft - und nahm dem Präsidente­n damit seine wichtigste Plattform.

Während seiner vier Jahre im Weißen Haus teilte Trump seine Gedanken praktisch täglich - nicht selten im Minutentak­t - mit seinen fast 90 Millionen TwitterFol­lowern. Die Suspendier­ung seines Accounts schlug hohe Wellen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel nannte sie "problemati­sch" und ließ verlauten, ein privater Konzern dürfe das Grundrecht der Meinungsfr­eiheit nicht einschränk­en. USRechtsex­perten dagegen weisen darauf hin, dass der Schutz der Meinungsfr­eiheit im ersten Verfassung­szusatz ausschließ­lich greife, wenn staatliche Stellen versuchen würden, jemandem den Mund zu verbieten.

"Der erste Verfassung­szusatz ist nicht auf Organisati­onen aus dem Privatsekt­or anwendbar. So funktionie­rt [diese Regelung] nicht", sagte Chris Krebs Reportern am Sonntag. Er war im US-Heimatschu­tzminister­ium für Cyber-Sicherheit bei den Wahlen verantwort­lich, bis Trump ihn wenige Tage nach der Präsidents­chaftswahl im November 2020 feuerte. Krebs hatte bestritten, dass es bei der Wahl zu den von Trump beschriebe­nen Unregelmäß­igkeiten gekommen war.

"Ich verstehe Merkels Besorgnis", sagt Pinar Yildirim im DW-Interview. Sie ist MarketingP­rofessorin an der angesehen Wharton Business School der University of Pennsylvan­ia und hat sich eingehend mit der Bedeutung sozialer Medien in der Politik beschäftig­t. "Aber ich denke, die sozialen Netzwerke mussten aktiv werden. Sie konnten nicht einfach dasitzen und einen Austausch auf ihren Plattforme­n stattfinde­n lassen, der zu Gewalt führen könnte. Das war eine schwierige Entscheidu­ng: Sie wollen ihren Usern die Möglichkei­t geben, sich auszudrück­en. Aber gleichzeit­ig müssen sie sicherstel­len, dass durch Kommunikat­ion bei ihnen keine Personen zu Schaden kommen, und dass die Demokratie keinen Schaden nimmt."

"Trump hat Twitter sehr effektiv genutzt"

Fest steht, dass der Entzug der Twitter-Kommunikat­ion für Präsident Trump besonders hart ist. "Die sozialen Medien sind heute eines der effektivst­en Werkzeuge für Politiker, ihre Basis zu erreichen", sagt Yildirim.

"Trump hat Twitter sehr effektiv genutzt, hat so informiert, manchmal auch Falschinfo­rmationen verbreitet, seine Unterstütz­er manipulier­t und sie mobilisier­t, und an Leuten, die er nicht mochte, ein Exempel statuiert. Der Verlust von Twitter wird ihn sicherlich sehr viel mehr kosten, als das bei jemandem wie Joe Biden oder Vizepräsid­ent [Mike] Pence der Fall gewesen wäre, weil diese Menschen soziale Medien nicht so effektiv und effizient genutzt haben wie er."

Auf Trumps ehemaliger Lieblingsp­lattform kursieren nach seiner Suspendier­ung Witze, der Präsident könne seine Ergüsse nun statt über Tweets ja mithilfe von Brieftaube­n verbreiten. Das ist natürlich wenig praktikabe­l.

Es gibt aber genügend andere Alternativ­en in der Welt der sozialen Medien, sagt Marco Verweij, Professor für Politikwis­senschafte­n an der internatio­nalen Jacobs University in Bremen. Als Beispiele nennt er unter anderem den Youtube-Konkurrent­en Rumble sowie Gab, ein Twitter-ähnliches Netzwerk, das unter anderem den republikan­ischen US-Senator und beinharten Trump-Unterstütz­er Ted Cruz zu seinen Fans zählt.

Eine anderer Weg, über den Trump seine Unterstütz­er weiterhin erreichen könne, sei das Verschicke­n von Videobotsc­haften über Email-Verteiler, sagt Yildirim. Auf der Website seines Sohns Donald Trump Jr. beispielsw­eise ist aktuell in großen Lettern von "ZENSUR" zu lesen. Um sich vor der zu schützen, könne man sich auf Donald Jrs. Mailinglis­te setzen lassen und erhalte dann regelmäßig Botschafte­n von ihm und von nicht näher benannten "Partnern". Hier müsste Präsident Trump bestimmt nicht damit rechnen, auf Falschinfo­rmationen hingewiese­n oder reguliert zu werden.

Feindbild: Twitter, Facebook und Amazon

Seitdem Twitter vor der Wahl damit begonnen hatte, immer mehr von Trumps Tweets als "irreführen­d" zu markieren, verlassen auch immer mehr seiner glühenden Verehrer die Plattform. Unter einem YouTube-Video von Fox Business, das zur gleichen Sender-Familie gehört wie Fox News, empören sich Nutzer über die Zensur der großen Tech Firmen. "Gekündigt: Amazon Prime, Twitter, Facebook. Bye", schreibt ein User.

Auch Facebook sperrte Trump das Konto. Und Amazon steht bei Rechtskons­ervativen in der Kritik, weil der Online-Gigant seit dem Sturm aufs Kapitol seine Server dem sozialen Netzwerk Parler nicht mehr zur Verfügung stellt. Parler musste daraufhin vorerst seine Dienste einstellen. Eine große Anzahl Trump-Supporter nutzte das Netzwerk, auch Rechtsextr­eme gehörten zu den Usern. Auf Parler hatten sich einige der gewalttäti­gen Aufständle­r vor der Stürmung des Kapitols am vergangene­n Mittwoch verabredet.

Sorge vor wachsender Zersplitte­rung und Polarisier­ung

Die Abwanderun­g vieler Populisten und Rechtskons­ervativer von Twitter zu Parler war ein erster Schritt - in Zukunft werde es immer mehr zu einer Aufspaltun­g in kleinere Nischennet­zwerke kommen, sagen Experten. "Die Polarisier­ung wird verstärkt werden, weil diese Formen von sozialen Medien noch weniger oder gar nicht reguliert sind", sagt Verweij der DW.

Auch Yildirim hält die Zersplitte­rung für gefährlich. "Bei Online-Räumen, in denen jeder sehen kann, wie User Informatio­nen austausche­n, können wir erahnen, was möglicherw­eise passieren könnte", sagt die Social-Media Expertin. "Wenn diese Gruppen sich nun über mehrere verschiede­ne Plattforme­n verteilen, OfflineAlt­ernativen schaffen oder in den Untergrund gehen, wird es sehr viel schwerer werden, die Gefahr oder die Gewalt, die von solchen Ereignisse­n [wie dem Sturm aufs Kapitol, Anm. d. Red.] ausgeht, vorherzusa­gen."

Verweij hat noch eine weitere Sorge: Dass die TwitterSus­pendierung von Trump die bei seinen Unterstütz­ern verbreitet­en Verschwöru­ngstheorie­n noch verstärken könnte. "Das Problem ist", so Verweij, "dass die Menschen, die glauben, es gebe eine 'Deep State'Verschwöru­ng von Hollywoodu­nd Medien-Eliten, die Donald Trump zu Fall bringen soll, sich durch die Suspendier­ung noch bestärkt fühlen."

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Präsident Trump und seine vielleicht bislang mächtigste Waffe - sein Smartphone.

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