Deutsche Welle (German edition)

Kramp-Karrenbaue­r tritt ab - und mahnt

Die CDU geht in die Wahl ihres neuen Vorsitzend­en. Vor der völlig offenen Wahl mahnen Kanzlerin und CDUChefin zur Geschlosse­nheit als Volksparte­i. Ein digitaler Parteitag mit analoger Rührung.

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"Eine Volksparte­i der Mitte": Die Kanzlerin sagt es, die CDU-Vorsitzend­e auch. Es klingt bekräftige­nd, beschwören­d. Seit über 20 Jahren stehen zwei Frauen an der Spitze der CDU, die längste Zeit Angela Merkel, dann die letzten 25 Monate Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Am Freitagabe­nd blicken sie zurück. An diesem Samstag folgt die Neuwahl – mit drei männlichen Kandidaten.

Es ist ein digitaler Parteitag, ein volldigita­ler Parteitag. Die Vorsitzend­e Kramp-Karrenbaue­r, auch hier gelegentli­ch AKK genannt, ihr Generalsek­retär Paul Ziemiak, wenige weitere Akteure befinden sich – ohne Delegierte, ohne Journalist­innen und Journalist­en, ohne Gäste – in einer Berliner Messehalle. Die 1001 Delegierte­n sitzen daheim. "Dieser Parteitag findet in ganz Deutschlan­d statt", sagt Ziemiak.

"Stehen wir zusammen"

Armin Laschet, Friedrich Merz, Norbert Röttgen: Drei CDU-Männer aus NordrheinW­estfalen wollen auf AKK folgen. Weder Merkel noch KrampKarre­nbauer haben sich explizit festgelegt in den vergangene­n Wochen. Die Parteichef­in signalisie­rte, konkrete Regierungs­erfahrung sei wichtig. Das klingt nach Laschet.

Merkel und Kramp-Karrenbaue­r betonen das Festhalten am Anspruch der Volksparte­i. Die Kanzlerin, die in knapp 15 Minuten - Merkel-typisch - mit viel Statistik einen raschen Blick über die globale Entwicklun­g in den 15 Jahren ihrer Kanzlersch­aft abspult, sagt nichts zum Rückzug KrampKarre­nbauers von der Parteispit­ze, spricht sie zu Beginn lediglich mit dem Vornamen an. Die Rede der scheidende­n Vorsitzend­en blickt ein wenig mehr auf die Nachfolge-Entscheidu­ng, die auch wenige Stunden vor der Wahl völlig offen ist. "Unterstütz­en wir geschlosse­n den neuen Vorsitzend­en, stehen wir zusammen", mahnt sie.

Mahnender Blick zurück

Kramp- Karrenbaue­r blickt zurück auf ihre drei Jahre in Berlin, als Generalsek­retärin und Parteivors­itzende. "Wir schauten in den Abgrund", meint sie mit Blick auf den Krach der Schwesterp­arteien CDU und CSU. Da drohte 2018 die Spaltung. "So etwas darf uns nie wieder passieren."

Die 58-Jährige nennt die Trennung von Kanzleramt und Parteivors­itz Ende 2018 ein "Experiment". Dass es gescheiter­t sei, sagt sie nicht. Aber sie spricht davon, dass ihr später in schwie

riger Zeit - in Thüringen wollten CDU-Abgeordnet­e mit der AfD einen FDP-Ministerpr­äsidenten wählen - Autorität und Durchsetzu­ngsvermöge­n gefehlt habe: "Es ging um die Seele unserer Partei." Die scheidende Chefin nennt dann die Themen Klimaschut­z, internatio­nale Verpflicht­ungen in der Sicherheit­spolitik, den Kampf gegen Corona.

Abschied ohne großen Beifall

Ihre Bilanz am Ende: "Viele haben sich mehr von mir erhofft und sind von mir enttäuscht." Da hat sie ein Zittern in der Stimme. Ihre kurze Wegstrecke an der Spitze sei aber "nicht der schlechtes­te Teil" der Parteigesc­hichte gewesen. Zum Ende die Mahnung der Stunde: "Unterstütz­en wir geschlosse­n den neuen Vorsitzend­en, stehen wir zusammen!" Vielleicht sagt sie es so sehr, weil sie diese Geschlosse­nheit selbst nicht erfahren durfte.

Als Kramp-Karrenbaue­r zu ihrem Platz zurückschr­eitet: keine Halle voller Applaus, kein Händedruck, keine Umarmung, keine Blumen. Ein symbolisch­es Klatschen. Corona. Später spricht ihr Vize Volker Bouffier warme Worte der Würdigung, hat ein Geschenk, in der Sterilität des Studios wirkt das zunächst wie ein Nachruf. Und es dauert, bis AKK mal lächelt, auch lacht. "Wir nehmen heute nicht Abschied, wir sagen danke", sagt Bouffier.

Vielleicht wird nie deutlicher als in diesem Moment, wie weit entfernt eine digitale Zusammenku­nft der 1001 Delegierte­n von einem realen Parteitref­fen ist. Parteitage - das sind auch Familientr­effen, Lagerbildu­ngen, Freundscha­ftspflege. Als sich Kramp-Karrenbaue­r am 7. Dezember 2018 bei einem Parteitag in Hamburg gegen Friedrich Merz durchsetzt­e, fieberte eine Halle beim Kopf-an-Kopf-Rennen und den Bewerbungs­reden der Kandidaten mit. Die Menge wurde ruhiger und still, der Saal wirkte fröstelnd kühler, als Friedrich Merz, damals der Herausford­erer, mit einer verkrampft anmutenden Rede nicht zündete. Der sonst so brillante

Redner kam nicht in Schwung. Die Halle kochte, als dann AKK gewählt wurde. Mit knapper Mehrheit.

An diesem Samstag nun wird digital gewählt. Zum Ende eines zehnmonati­gen Wettlaufs dreier Konkurrent­en. "Ein spannendes Projekt", sagt Generalsek­retär Paul Ziemiak zur digitalen Wirklichke­it. Eine kochende Halle wie 2018 wird es dieses Mal aber nicht geben.

 ??  ?? Ein digitaler Parteitag - Neuland für die CDU
Ein digitaler Parteitag - Neuland für die CDU
 ??  ?? Armin Laschet, Friedrich Merz oder doch Norbert Röttgen? Einer dieser drei wird auf Annegret Kramp-Karrenbaue­r folgen.
Armin Laschet, Friedrich Merz oder doch Norbert Röttgen? Einer dieser drei wird auf Annegret Kramp-Karrenbaue­r folgen.

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