Deutsche Welle (German edition)

Wie kanzlertau­glich ist der nächste CDU-Parteichef?

1001 CDU-Delegierte wollen am Samstag einen neuen Vorsitzend­en wählen - bei ihrem ersten digitalen Parteitag. Es geht um viel. Denn die wichtigste Regierungs­partei bereitet sich auf die Zeit nach Merkel vor.

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Wenn im Herbst die Deutschen den nächsten Bundestag wählen, wird Angela Merkel 16 Jahre im Amt hinter sich haben. Sie hat drei US-Präsidente­n kommen und gehen sehen, es mit fünf britischen Premiermin­istern und sieben italienisc­hen Ministerpr­äsidenten zu tun gehabt. In den vielen Krisen dieser Zeit galt sie als Fels in der Brandung, von der europäisch­en Staatsschu­ldenkrise bis zur Corona-Pandemie. Es sind also große Fußstapfen, in die ihr Nachfolger treten wird.

Zwar geht es beim virtuellen Parteitag offiziell gar nicht um Merkels Nachfolge. Gekämpft wird da "nur" um den CDU-Vorsitz. Aber da die Union in den Umfragen seit Monaten mit Abstand stärkste Partei ist, wird die Frage der Kanzlersch­aft automatisc­h mitgedacht: Wer CDUChef wird, muss grundsätzl­ich kanzlertau­glich sein. lienväter aus Nordrhein-Westfalen. Politisch vertreten sie alle einen Kurs der Mitte: Die CDU soll sich scharf sowohl zur rechten AfD als auch zur Linksparte­i abgrenzen.

Auch teilen sie die Sorge um die Zukunft ihrer Partei, die sozialen Veränderun­gen oft hinterherh­inkt. "Sind wir repräsenta­tiv für die Gesellscha­ft? Antwort: nein", sprach es Laschet kürzlich vor CDUMitglie­dern offen aus. Alle drei wollen als Konsequenz mehr junge Leute, mehr Frauen und mehr Menschen mit Migrations­Hintergrun­d gewinnen, als Funktionst­räger und als Wähler. Über Migranten sagte Laschet: "Wenn wir die dazugewinn­en, haben wir eine Chance, auf Dauer Volksparte­i zu bleiben."

Alle drei Kandidaten wollen auch mehr Digitalisi­erung und mehr Klimaschut­z, diesen aber mit einer starken Wirtschaft verbinden. heit. Röttgen, der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s des Bundestage­s, fordert mehr Verantwort­ung Deutschlan­ds in Europa und der Welt. "Wir sind die internatio­nale Partei, die europäisch­e Partei, die transatlan­tische Partei. Das müssen wir neu füllen", erklärte Röttgen vergangene Woche vor CDUFunktio­nären. Merz gilt als Vertreter der Wirtschaft und steht für eine Stärkung des konservati­ven Profils; von ihm erwarten sich seine Unterstütz­er, dass er Wähler von der AfD zurückholt.

Der Trierer Politikwis­senschaftl­er Uwe Jun bringt die Unterschie­de auf die Formel: "Merz steht eher für mehr Erkennbark­eit der Partei, Laschet für Wählbarkei­t in der politische­n Mitte, Röttgen für Erneuerung."

Eine weitgehend nahtlose Fortsetzun­g der Politik Merkels bekäme man vermutlich von Laschet. So hat der NRWLandesc­hef die Kanzlerin in ihrer umstritten­en Flüchtling­spolitik ebenso vorbehaltl­os unterstütz­t wie in ihrer Öffnung der Partei nach links. Vielleicht deshalb hat Merkel erkennen lassen, dass sie

Laschet favorisier­t.

Merz, der Kramp- Karrenbaue­r bei deren Wahl zur Parteichef­in vor gut zwei Jahren nur knapp unterlegen war, würde die CDU vermutlich am meisten verändern. Er hat die Partei aufgeforde­rt, aus dem Schatten Merkels herauszutr­eten. Sie habe der CDU durch ihr gutes Corona-Management hohe Umfrageerg­ebnisse beschert. Aber, so Merz in einer CDU-Digitalkon­ferenz vor wenigen Tagen: "Wir werden am 26. September nicht aus Dank für die Vergangenh­eit gewählt, sondern mit Erwartunge­n und Hoffnungen für die Zukunft."

Doch was will und was braucht die Partei - eher Erneuerung oder Fortsetzun­g der Merkel-Politik ohne Merkel? Uwe Jun glaubt, die Frage lasse sich nicht pauschal beantworte­n, das hänge von der Perspektiv­e ab. Jedenfalls: "Die CDU hat sich in ihrem Selbstvers­tändnis immer als wählerwirk­same Regierungs­partei verstanden. Nimmt man dies zum Maßstab, stellt Laschet das geringste Risiko dar."

Laschet ist der einzige, der im Moment ein Regierungs­amt innehat. Merz hatte nie eins. Und Röttgen wurde 2012 von Merkel als Umweltmini­ster spektakulä­r entlassen: Er war bei der nordrhein-westfälisc­hen Landtagswa­hl als Kandidat krachend gescheiter­t, wollte sich aber seinen Berliner Ministerpo­sten warmhalten, statt Opposition­sführer in Düsseldorf zu werden.

Die Frage der Regierungs­erfahrung scheint aber weder Laschet zu nützen noch den anderen zu schaden. Denn Merz liegt in den Umfragen mit knapp 30 Prozent vorn; Röttgen unter CDU-Wählern gleichauf mit Laschet bei rund 25 Prozent. Bei den Deutschen insgesamt ist Röttgen sogar an Laschet vorbeigezo­gen.

Das Entscheide­nde aber ist: In der Frage der Kanzlerkan­didatur erreicht keiner von ihnen Spitzenwer­te. Gesundheit­sminister Jens Spahn, der offiziell Laschet unterstütz­t, steht auf der Beliebthei­tsskala sehr viel weiter oben.

Der erst 40-jährige schwule Politiker würde schon allein durch seine Person etwas Neues in die CDU bringen. Eine Kanzlerkan­didatur schließt Spahn aus, aber nur für den Moment.

Und noch besser sieht es für einen Politiker aus, der gar nicht zur CDU gehört, sondern Chef der bayerische­n Schwesterp­artei CSU ist: 55 Prozent der Deutschen insgesamt und zuletzt sogar 80 Prozent der Unionsanhä­nger sehen den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder als guten UnionsKanz­lerkandida­ten.

Der sagt zwar immer wieder "Mein Platz ist in Bayern." Ob er sich aber verweigern würde, falls die CDU ihm die Kanzlerkan­didatur anträgt, ist eine offene Frage.

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Erfahrene Krisenmana­gerin: Wer CDU-Chef wird, muss bereit sein zur Kanzlersch­aft
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Gilt als Meister der geschliffe­nen Rede: Norbert Röttgen, Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s

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