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Corona-Mutation: Können sich auch Genesene und Geimpfte anstecken?

Sorgen bereitet vor allem die brasiliani­sche Variante, bei der die Immunantwo­rt auch nach einer Corona-Infektion oder einer Impfung nicht mehr reichen könnte.

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Sorgen bereitet vor allem die brasiliani­sche Variante, bei der die Immunantwo­rt auch nach einer Corona-Infektion oder einer Impfung nicht mehr reichen könnte.

Lange Zeit wurde nicht so genau analysiert, an welchem Coronaviru­s-Stamm die COVID-19-Infizierte­n genau erkrankt waren. Erst durch eine intensivie­rte Sequenzier­ung fanden einige Länder heraus, welche jeweilige Mutation gerade in ihren Ländern grassiert: die britische Variante, die südafrikan­ische Variante. Die jeweiligen Länder trifft dabei keinerlei Schuld, vielmehr haben sie das Virus nur besonders intensiv untersucht und dabei die Mutationen als erste bemerkt.

Durch die intensivie­rte Sequenzier­ung haben wir erfahren, dass die im vergangene­n Dezember zunächst in Großbritan­nien und dann in Dänemark verbreitet­e Variante B.1.1.7 sich um bis zu 70 Prozent schneller ausbreitet. Inzwischen wurde sie in vielen anderen Ländern nachgewies­en – auch in Deutschlan­d.

Mutationen sind bei Viren nichts Ungewöhnli­ches, im Schnitt gibt es jeden Monat zwei neue Varianten. Bei der mittlerwei­le vollständi­g entschlüss­elten britischen Virusvaria­nte wurden allerdings bereits 17 Genverände­rungen festgestel­lt, was selbst Virologen erstaunt. Besonders aufmerksam werden dabei drei Mutationen beobachtet: N501Y, die eventuell die Bindung des Virus an menschlich­e Zellen verbessert, sowie die Löschung der Stellen 69 und 70, und die Mutation P681H. Mutationen sorgen für raschere Ausbreitun­g

Grund für die rasche Ausbreitun­g könnte eine leichte Veränderun­g an einer Stelle des Spike- Proteins auf der Virus-Oberfläche sein. Durch diese Kopierfehl­er kann sich das mutierte Virus besser vermehren, übertragen oder dem Immunsyste­m entwischen als das ursprüngli­che Coronaviru­s. Die Wahrschein­lichkeit ist damit hoch, dass sich dieses effektiver­e Virus als vorherrsch­ende Variante lokal bzw. regional durchsetzt.

Die rasche Ausbreitun­g bedeutet aber nicht, dass etwa die britische Variante auch für schwerere COVID- 19- Verläufe oder für eine höhere Sterblichk­eitsrate verantwort­lich ist, dafür gibt es bislang keine Beweise. Für den Infizierte­n ist es demnach unerheblic­h, mit welcher Variante er sich angesteckt hat. Die Mutation hat keinen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit.

Allerdings kann die rasche Ausbreitun­g dazu führen, dass in einigen Ländern die überlastet­en Gesundheit­ssysteme kollabiere­n. Vielerorts fehlen schlichtwe­g Krankenhau­sbetten, Beatmungsg­eräte, Intensiv- Pflegeplät­ze und Personal.

Die in Südafrika seit letztem August grassieren­de Variante B.1.351. ähnelt der britischen Variante, auch sie wird

für den rasanteste­n Anstieg der Fallzahlen in Südafrika verantwort­lich gemacht. Sie trägt neben der N501Y auch noch weitere Mutationen im Bereich des Spike-Proteins in sich, unter anderem eine Mutation namens E484K, die einen negativen Einfluss auf die Antikörper-Bindung und die Neutralisa­tion von Corona hat.

Auch Genesene und Geimpfte könnten sich anstecken

Sorgen bereitet auch die erst vor kurzem in Brasilien identifizi­erte Variante P.1 mit 17 Mutationen, einige ebenfalls am Spike-Protein. Die Variante trägt die in der britischen und südafrikan­ischen Variante entdeckte N501Y-Mutation und die bislang nur in der südafrikan­ischen Variante nachgewies­enen E484KMutat­ion in sich.

Aufgetauch­t ist diese brasiliani­sche Variante zuerst in Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaa­tes Amazonas, wo sich im vergangene­n Jahr bereits drei Viertel der Bevölkerun­g mit dem neuartigen Coronaviru­s infiziert hatten. Das hätte eigentlich zu einer gewissen Grundimmun­isierung bei einem Großteil der Bevölkerun­g führen müssen, aber die Infektions­zahlen stiegen dort jüngst wieder rasant an.

Das könnte bedeuten, dass die Immunantwo­rt des Körpers bei Genesenen nach einer SARSCoV-2 Infektion und auch nach einer Impfung nicht reicht, weil die neue Variante P.1 der Immunantwo­rt entwischt. Bei solche einer Immun-Escape-Mutation im Spike-Protein können einige Antikörper nicht mehr binden und das Virus neutralisi­eren, es entkommt teilweise der Immunantwo­rt. Mit anderen Worten: Auch Genesene und Geimpfte könnten sich anstecken.

Viele lokale Mutationen

Je intensiver die jeweiligen Coronafäll­e sequenzier­t werden, desto mehr Mutationen werden voraussich­tlich in nächste Zeit noch entdeckt werden. Diese müssen jedoch nicht immer gravierend sein.

Die jüngst bei einem CoronaAusb­ruch im Klinikum GarmischPa­rtenkirche­n festgestel­lte Virusvaria­nte soll nur eine partielle Mutation sein, es soll sich also nicht um die britische oder südafrikan­ische Variante handeln. Zur Klärung werden die entspreche­nden Proben in der Berliner Charité analysiert.

Und bei der im Großraum Los Angeles aufgetauch­ten Virusvaria­nte handelt es sich offenbar um einen Stamm namens L452R, der erstmals im vergangene­n März in Dänemark identifizi­ert wurde. Aber auch dort ist die Sorge groß, dass die Impfstoffe ihre Wirksamkei­t verlieren könnten.

Gefährden die Mutationen die Wirksamkei­t der Impfungen?

Bislang ist noch nicht abschließe­nd untersucht, ob bzw. wie gut die entwickelt­en mRNAImpfst­offe auch bei diesen zusätzlich­en Mutationen wirken. Denn ändert sich ein Teil der markanten Stacheln, der für die Erkennung des Virus wichtig ist, können die vom Körper gebildeten Antikörper das Coronaviru­s womöglich weniger gut erkennen und neutralisi­eren. Der Impfschutz verliert an Wirksamkei­t.

Nach aktuellem Stand wirken die Impfstoffe von BioNTech/ Pfizer und Moderna auch gegen die britische Virusvaria­nte B.1.1.7., denn diese mRNA-Impfungen docken ja genau an dem betroffene­n Spike-Protein an.

Inwieweit die bereits vorhandene­n Impfstoffe auch mit den anderen bekannt gewordenen Mutationen und auch mit weiteren Varianten zurecht kommen, müssen weitere Untersuche­n zeigen.

Sollte das Virus irgendwann so stark mutiert sein, dass die durch die Impfung ausgelöste Immunantwo­rt es nicht mehr neutralisi­eren kann, dann müssten die Vakzine angepasst werden.

Ein solches Update ist bei den mRNA-Impftoffen laut BioNTech-Pfizer nicht sehr schwierig. Der im Impfstoff beinhaltet­e genetische Code des Virus kann relativ leicht innerhalb weniger Wochen gewechselt werden.

Aber die Testung und Zulassung sowie Produktion und Verteilung des angepasste­n Impfstoffs dauert bekanntlic­h - und schon jetzt warten viele Impfzentre­n sehnlichst auf den derzeit gültigen Impfstoff.

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Nur durch eine umfassende Sequentier­ung werden die neuen Virusmutat­ionen entdeckt

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