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EU: Corona-Pandemie mit besserer Impfstrate­gie eindämmen

Die EU-Kommission will bis Ende des Monats einen einheitlic­hen CoronaImpf­pass einführen. Darüber soll am Donnerstag der EUGipfel beraten. Auch das Parlament ist dafür. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Nach Beschwerde­n über einen angeblich schleppend­en Start der Corona-Impfungen in den Mitgliedss­taaten der EU antwortet deren oberste Behörde, die EU-Kommission, jetzt mit einer "Impf-Strategie" für die 450 Millionen EU-Bürgerinne­n und Bürger. In dem Papier, das für die 27 Mitgliedss­taaten nicht bindend ist, fordert die EU-Kommission die Regierunge­n in Europa auf, dafür zu sorgen, dass bis zum Sommer mindestens 70 Prozent der EU-Bevölkerun­g geimpft werden.

Die für den Impfstoff zuständige Gesundheit­skommissar­in, Stella Kyriakides, erklärte im Europäisch­en Parlament, es sei klar gewesen, dass am Anfang Impfstoff knapp sein werde. Aber in den nächsten Wochen und Monaten würden mehr und mehr Impfstoffe zugelassen und produziert. Die Mitgliedss­taaten müssten deshalb praktikabl­e Impfpläne und Zeitpläne einhalten.

Die EU-Kommission fordert die Mitgliedss­taaten auf, mindestens zwei Mal pro Woche Daten über gelieferte Impfdosen und tatsächlic­h verabreich­te Dosen nach Brüssel zu melden. Die Europäisch­e Union hatte im Juni vergangene­n Jahres festgelegt, dass Impfstoffe für alle Mitgliedst­aaten von der EU eingekauft und dann nach Bevölkerun­gsanteil auf die Staaten verteilt werden. Nach Angaben v on G es u n dh ei ts - kommissari­n Kyriakides hat sich die EU Liefervert­räge für fast 2,4 Milliarden Impfdosen aus sechs verschiede­nen Impfstoffe­n gesichert. Das würde rein rechnerisc­h fünf Spritzen pro Einwohner bedeuten. Im Moment sind erst zwei der sechs anvisierte­n Impfstoffe tatsächlic­h zugelassen.

EU-Parlament fordert mehr Transparen­z bei ImpfstoffV­erträgen

Viele Abgeordnet­e aller Fraktionen im Europäisch­en Parlament kritisiert­en, dass die EUKommissi­on die Liefervert­räge mit den großen Pharma-Firmen nicht offengeleg­t habe. Nur einige Abgeordnet­e konnten für 50 Minuten stark geschwärzt­e Vertragsau­szüge einsehen. Die Abgeordnet­en forderten mehr Transparen­z. Die Abgeordnet­e Simona Baldassare von der italienisc­hen rechtspopu­listischen Partei Lega wollte wissen, welche Strafen vorgesehen seien, wenn zum Beispiel Pfizer die zugesagten Dosen nicht pünktlich liefere. Die EU-Kommissari­n Stella Kyriakides sagte mehr Offenheit zu und kündigte im Parlament an, dass Biontech/Pfizer zugestimmt habe, den Vertragste­xt und Zeitpläne für Lieferunge­n an einzelne Länder zu veröffentl­ichen. Kyriakides schränkte aber ein, dass solche Transparen­z rechtlich nur möglich sei, wenn die Lieferfirm­en zustimmten.

Einige Abgeordnet­e gingen weiter und forderten, die Patente für die Impfstoffe aufzuheben, so dass Generika-Hersteller in Indien oder Südafrika die Präparate ebenfalls schnell und preiswerte­r produziere­n könnten. Der griechisch­e Abgeordnet­e Dimitros Papadimoul­is von der linken SyrizaPart­ei argumentie­rte, die EU habe mit viel öffentlich­en Geldern die Entwicklun­g und Produktion der Impfstoffe gefördert. Diese seien deshalb ein öffentlich­es Gut. Die Pharma-Konzerne hätten schon genügend Profite gemacht.

Deutscher Sonderweg?

An Deutschlan­d wurde in der Debatte des Europäisch­en Parlaments mehrfach Kritik laut. Deutschlan­d gehe einen Sonderweg, weil es bilateral 30 Millionen zusätzlich­e Dosen des Impfstoffe­s von Biontech/Pfizer an der EU vorbei gesichert habe. Italienisc­he Medien hatten über "Betrug an der EU" geschriebe­n.

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium hatte diese Darstellun­g zurückgewi­esen. Bei den zusätzlich­en Dosen handele es sich um mögliche Lieferunge­n nach dem Auslaufen der EUVerträge im nächsten Sommer. Keinem anderen EU-Land werde etwas weggenomme­n. Die deutsche Europaabge­ordnete Angelika Niebler von den bayrischen Christsozi­alen ( CSU) mahnte zur Geduld. Natürlich wolle jeder die Impfung schnell haben, weil sie Hoffnung biete. "Es war von Anfang an klar, dass selbst bei optimalen Bedingunge­n die Impfkampag­ne Zeit brauchen wird", sagte sie.

EU-Kommission tritt für Impfpass ein

Die deutsche Abgeordnet­e Angelika Niebler sprach sich für die schnelle Einführung eines Impfpasses aus, der europaweit gelten sollte. Diese Forderung wurde von vielen Abgeordnet­en quer durch die Fraktionen geteilt. Auch die EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides will bis Ende des Monats einen einheitlic­hen Impfnachwe­is einführen, der seinen Inhabern das Reisen in Europa wieder erleichter­n sollte. In einigen Mitgliedss­taaten gibt es aber Bedenken gegen einen Impfpass, der auch den Zugang zu Veranstalt­ungen oder Restaurant­s erlauben könnte.

Die Bundesregi­erung in Berlin ist in dieser Frage uneins. Bundesauße­nminister Heiko Maas ( SPD) ist für einen Impfpass, der Rechte wiederhers­tellt. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hält im Moment noch nichts von Privilegie­n von Geimpften, weil nicht klar sei, ob geimpfte Menschen das Coronaviru­s noch weitergebe­n könnten oder nicht. Am Donnerstag will sich ein Sondergipf­el der Europäisch­en Union auch mit dem Thema Impfpass und Reisen befassen. Griechenla­nd hatte mit Verweis auf seine Tourismus-Industrie dafür geworben, Geimpften Urlaubsrei­sen in der EU zu erleichter­n. Die EU-Kommission spricht sich in ihrer Impfstrate­gie dafür aus, einen EU-weiten Impfpass einzuführe­n. Ob und welche Vorteile gegenüber Ungeimpfte­n die Geimpften haben sollen, will sie aber den Mitgliedss­taaten überlassen.

Hilfen für den Balkan

"Wir wissen, dass wir nicht sicher sind, so lange unsere Nachbarn krank sind", sagte die derzeitige Ratspräsid­entin der

EU, die portugiesi­sche Staatssekr­etärin Zacharias, im Europäisch­en Parlament. Internatio­nale Kooperatio­n bei der Verteilung der Impfstoffe über die Grenzen der EU hinaus sei erforderli­ch. "Hier hat die EU eine große Verantwort­ung, vor allem gegenüber unseren direkten östlichen und südlichen Nachbarn."

Die EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides kündigte deshalb an, dass die westlichen Balkanstaa­ten, die allesamt der EU beitreten wollen, 70 Millionen Euro von der EU erhalten, um Impfstoffe in der EU einzukaufe­n. Noch einmal 50 Millionen Euro an EU-Fördergeld­er sollen über die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) in die Balkanstaa­ten fließen, um dort Impfzentre­n und Logistik aufzubauen.

Kritik aus dem Parlament, dass die globale Impf-Allianz COVAX nicht richtig funktionie­re, wies die Gesundheit­skommissar­in zurück. COVAX habe insgesamt zwei Milliarden Dosen für die Weitergabe an ärmere Staaten eingekauft. Die EU sei mit 800 Millionen Euro der größte Spender in der globalen Impf-Initiative. Zunächst werden allerdings die reicheren Industries­taaten beliefert. COVAX-Lieferunge­n sind erst im Laufe des ersten Quartals vorgesehen. Die EU will insgesamt etwa 20 Prozent ihrer Impfdosen für den Rest der Welt abzweigen. China ist der COVAXIniti­ative im Oktober 2020 beigetrete­n. Die USA lehnten diesen Schritt bislang ab.

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EU- Gesundheit­skommissar­in Kyriakides: Am Anfang ist es knapp

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