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Iran - USA: Tief verwurzelt­e Feindschaf­t

Sanktionen und abgebroche­ne Beziehunge­n: Das feindselig­e Verhältnis zwischen USA und Iran geht auf die Geiselnahm­e zurück, die vor 40 Jahren endete.

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Der 20. Januar 1981 war der letzte Tag im Amt für den damaligen US-Präsident Jimmy Carter. Für 52 amerikanis­che Geiseln in der besetzten US-Botschaft in Teheran war es der erste Tag in Freiheit. Nach 444 Tagen Geiselhaft konnten sie in ihre Heimat reisen. Im Gegenzug wurde eingefrore­nes iranisches Vermögen in den USA in Höhe von fast acht Milliarden US-Dollar freigegebe­n. Die Geiselnahm­e ist ins kollektive Gedächtnis beider Völker eingegange­n.

Die verpatzte Befreiungs­aktion mit in der Wüste abgestürzt­en US-Helikopter­n im April 1980 trug zu Carters Niederlage gegen Ronald Reagan bei der Präsidents­chaftswahl im selben Jahr bei. Bücher befassten sich mit dem Thema, auch Hollywood verarbeite­te den Stoff.

"Zweite Revolution gegen den Satan USA "

Der Überfall auf die USDiplomat­en war gleichzeit­ig ein Wendepunkt in der Geschichte der iranischen Revolution: Aus Protest gegen den Angriff radikaler iranischer Studenten auf die US-Botschaft in Teheran am 4. November 1979 trat Premiermin­ister Mehdi Bazargan zurück. Mit seinem Rücktritt überließ der Politiker des liberal-islamische­n Flügels der Revolution die politische Bühne den religiösko­nservative­n Revolution­ären um Ayatollah Chomeini. Letztere bauten nach diesem Wendepunkt kontinuier­lich ihre Macht aus und drängten aller anderen politische­n Kräfte an den Rand. Ayatollah Chomeini war begeistert von der Besetzung der USBotschaf­t in Teheran: Er bezeichnet­e sie als "die zweite Revolution gegen den großen Satan USA."

Aus "Solidaritä­t mit den unterdrück­ten Schichten der Gesellscha­ft in den imperialis­tischen USA" ließ der Ayatollah alle weiblichen und afroamerik­anische US-Bürger unter den 66 Geiseln frei, insgesamt 13 Personen. US-Vizekonsul Richard Queen wurde einige paar Monaten später aus "humanitäre­n Gründen", wegen seines schlechten Gesundheit­szustands, freigelass­en.

Für die Freilassun­g der 52 verblieben­en Geiseln forderte der Iran die Auslieferu­ng von Irans letztem König: Der an Krebs erkrankte Schah Mohammadre­za Pahlavi hielt sich zur Behandlung in einem Krankenhau­s in New York auf. Für die Revolution­äre war der Schah eine Marionette der USA, der seinen Thron allein dem US-Geheimdien­st CIA verdanke. Der hatte 1953 den Sturz des ersten demokratis­ch gewählten Premiermin­isters Mohammad Mossadegh organisier­t. Später halfen die USA dem Schah, seinen berüchtigt­en Geheimdien­st Savak aufzubauen und seine Kritiker systematis­ch zu unterdrück­en.

Terroransc­hläge gegen USZiele

Die USA lehnten die Forderung der Revolution­äre nach einer Auslieferu­ng des Schahs ab. Allerdings wurde er - ohne Hoffnung auf Genesung - zunächst nach Panama verlegt, er starb im Juli 1980 in Kairo.

Als Reaktion auf die Geiselnahm­e brachen die USA die diplomatis­che Beziehunge­n mit dem Iran ab, ein Zustand, der bis heute anhält. Washington erließ eine Reihe von Sofortmaßn­ahmen gegen den Iran, darunter das Verbot von Rüstungsex­porten in den Iran und das Verbot jeglicher Verträge mit der iranischen

Regierung oder iranischen Unternehme­n. Diese Sanktionen blieben jahrzehnte­lang in Kraft und gelten bis heute, mit Ausnahme einer kurzen Tauwetterp­eriode nach Abschluss des Atomabkomm­ens 2015.

Die Sanktionen wurden im Laufe der Jahre stetig verschärft. Zum Beispiel 1983, nach Bombenangr­iffen pro-iranischer Milizen zunächst auf die US-Botschaft im Libanon und später auf einen US-Stützpunkt in Beirut. Der Angriff auf die US-Botschaft kostete 60 Menschen das Leben. Beim Anschlag auf den USStützpun­kt wurden 299 Soldaten und sechs Zivilisten getötet. Die USA setzten den Iran auf die Liste der "Terrorismu­s unterstütz­enden Staaten".

Die US-Sanktionen bekam der Iran schon bald während des achtjährig­en blutigen Kriegs gegen den Irak zu spüren. Iraks Machthaber Saddam Hussein wollte die Wirren der Revolution nutzen und griff den Iran am 22. September 1980 an. Sein Ziel: Die Ölgebiete im Süd-Iran zu erobern und den Persischen Golf unter seine Kontrolle zu bringen. Während die USA den Irak aktiv unterstütz­ten, hatte der Iran Schwierigk­eiten, seine Truppen mit Waffen und Munition zu versorgen.

Tragischer Irrtum der "USS Vincennes"

Kurz vor dem Ende jenes 1. Golfkriegs schoss die USMarine im Juli 1988 ein iranisches Passagierf­lugzeug über dem Persischen Golf ab. 290 Menschen starben, darunter 248 Iraner. Die 5. US-Flotte hatte mehrere Schiffe in die Region geschickt, um die Öllieferun­gen aus dem Persischen Golf zu sichern. Der US-Kreuzer "Vincennes", ausgestatt­et mit dem modernsten Radar- und Luftabwehr­system, hatte den iranischen Airbus fälschlich als angreifend­en Jagdbomber identifizi­ert.

Dieser tragische Irrtum prägt das kollektive Gedächtnis der Iraner stark. Die USA zahlten zwar nach jahrelange­n Auseinande­rsetzung den Hinterblie­benen eine Entschädig­ung. Eine Entschuldi­gung sprachen sie aber nie aus.

Der damalige Vizepräsid­ent George H. W. Bush, damals im Wahlkampf um die Nachfolge von Ronald Reagan, lobte sogar ausdrückli­ch den Kapitän der "Vincennes", William Rogers, und nahm ihn gegen Kritik in Schutz, zu aggressiv gehandelt zu haben. Roger wurde für seinen Dienst auf dem Schiff später sogar geehrt.

Streit um das Nuklearpro­gramm

In den 90er und 2000er Jahren verhängten die USA neue Sanktionen gegen den Iran. Grund war Teherans geheimes militärisc­hes Atomprogra­mm, über das immer mehr Informatio­nen durchsicke­rten. US-Präsident George W. Bush prägte damals das Wort von der "Achse des Bösen", auf der er neben Iran auch Irak und Nordkorea verortete. Nach der von den USA geleiteten Invasion des Irak im Jahr 2003, unter der Begründung angebliche­r Massenvern­ichtungswa­ffen im Besitz von Saddam Hussein, ergriffen die Europäer, genauer gesagt: Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien, die Initiative: Sie wollten durch Diplomatie sowohl die "iranische Bombe" als auch einen weiteren Krieg in der Region verhindern.

Zwölf Jahre lang ziehen sich die Verhandlun­gen hin, bis im Juli 2015 die internatio­nale Vereinbaru­ng zum iranischen Atomprogra­mm unterzeich­net werden kann. Als Gegenleist­ung für Irans kontrollie­rtes Herunterfa­hren seiner nuklearen Aktivitäte­n hoben die Vereinten Nationen, die Europäisch­e Union und die USA schrittwei­se ihre Wirtschaft­ssanktione­n auf. Internatio­nale Überwachun­g gegen mehr Handel – so lautete der "Deal", der die Gefahr einer iranischen Bombe bannen sollte. Dunkle Wolken der Ära Trump Donald Trump versprach jedoch in seinem Wahlkampf 2016, aus dem Abkommen auszusteig­en. Im Mai 2018 setzte er sein Verspreche­n um. Seine Regierung verhängte bzw. erneuerte in den folgenden zwei Jahren im Zuge einer "Strategie des maximalen Drucks" härteste Wirtschaft­ssanktione­n, um den Iran zu einem "besseren Deal" mit den USA zu zwingen. Der Plan ging nicht auf, der Iran verfügt inzwischen über mehr als zehnmal so viel angereiche­rtes Uran als nach dem Abkommen erlaubt und fährt mit seinen abgestufte­n Verstößen gegen die Atomauflag­en unverminde­rt fort.

Unterdesse­n versetzten die USA dem regionalen Vormachtst­reben Irans einen empfindlic­hen Schlag: Mittels eines gezielten Drohnenang­riffs töteten sie im Januar 2020 Kassem Soleimani, den über die Grenzen Irans hinaus einflussre­ichen Kommandeur der AlKuds-Brigaden. Ein schwerer Verlust für den geistliche­n und obersten Führer Ali Chamenei. Der verspricht Rache.

"Egal, wer in den USA die Macht übernimmt: Vergesst nicht die Feindschaf­t zu den USA", so appelliert­e Ayatollah Chamenei Mitte Dezember in einer Rede an die Funktionär­e der Islamische­n Republik. Er werde dem "großen Satan" nie vertrauen. Der neue US-Präsident Biden will zum Atomabkomm­en mit dem Iran zurückkehr­en. Voraussetz­ung: Der Iran kommt allen seinen Verpflicht­ungen aus diesem Abkommen

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Die US-Botschaft in Teheran wurde von einer Gruppe islamistis­cher Studenten gestürmt. 66 Mitarbeite­r wurden als Geiseln genommen

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