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Coronaviru­s: In welchen Ländern Homeoffice verpflicht­end ist

In Deutschlan­d wird über eine mögliche Homeoffice­Pflicht zur Eindämmung der Coronapand­emie debattiert, in manch anderen europäisch­en Ländern ist diese Regelung längst Realität - mit teils drakonisch­en Bußgeldern.

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"Ich selber darf jetzt vier Tage Homeoffice machen und stehe kurz vor der Kündigung", schreibt ein Twitter-User kürzlich. Andere berichten von uneinsicht­igen Chefs und unterschwe­lligem Druck, trotz Ängsten vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s ins Büro zu kommen. Unter dem Hashtag #MachtBureo­szu machen viele seit Wochen ihrem Ärger Luft - und fordern eine gesetzlich­e Regelung zum Homeoffice. Laut einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey im Auftrag des Magazins "Spiegel" spricht sich eine knappe Mehrheit der Deutschen angesichts der Corona-Infektions­lage für eine Pflicht aus.

Denn obwohl Grünen-Politiker und Ärztevertr­eter schon länger mehr Homeoffice fordern, arbeiten viele Menschen weiterhin in ihren Büros. Lediglich 14 Prozent erledigten ihren Job zu Hause, wie die gewerkscha­ftsnahe Hans-Böckler-Stiftung herausfand. Zum Vergleich: Im April waren immerhin 27 Prozent im Homeoffice.

Corona- Gipfel am Dienstag besprochen. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier appelliert­e erst vor wenigen Tagen an die Arbeitnehm­er, nicht ins Büro zu gehen, "wenn Sie nicht dringend müssen." Unternehme­n, Personalve­rantwortli­che und Führungskr­äfte sollten dies ermögliche­n.

Der Vorsitzend­e des Weltärzteb­undes, Frank Ulrich Montgomery, fordert sogar Bußgelder für Unternehme­n, die sich dem Homeoffice versperren. Was für Kritiker dieser Maßnahmen vielleicht übertriebe­n anmuten mag, ist in anderen europäisch­en Ländern längst Alltag. Einige Beispiele:

Bereits seit dem 14. Oktober müssen in Frankreich alle Arbeitnehm­er, die zu Hause arbeiten können, dies auch tun. Belgien zog wenige Tage später nach. Bei der neuen Homeoffice-Pflicht ging es weniger um die Ansteckung­sgefahr am Arbeitspla­tz, sondern vor allem um die Anfahrt in übervollen Bussen und Bahnen. Ausnahmen gelten in Frankreich für Architekte­n und Ingenieure, die für ihre Arbeit spezifisch­e Geräte brauchen. Sie dürfen einen Teil der Arbeitszei­t auch im Büro verbringen. In Belgien gilt die Einschränk­ung, dass die Betriebsab­läufe gewährleis­tet werden müssen.

Doch trotz dieser Regelungen gingen immer noch zu viele Belgier in ihre Büros. Die Regierung setzt deshalb auf verstärkte Kontrollen in den Unternehme­n - auch unangekünd­igt. Die entspreche­nden Bußgelder sind hoch. Die Unternehme­n müssen bis zu 48.000 Euro zahlen, wenn sie ihre Mitarbeite­r nicht entspreche­nd der Regelungen ins Homeoffice geschickt haben.

Auch in Schottland ist das Arbeiten im Homeoffice seit wenigen Tagen verpflicht­end. Das Arbeiten zu Hause soll der Standard werden, nicht die Ausnahme. "Unter den aktuellen Regeln brauchen Sie eine ernsthafte Entschuldi­gung, Ihr Zuhause zu verlassen. ", heißt es in einer Verschärfu­ng der Corona-Maßnahmen der schottisch­en Regierung, die am Samstag in Kraft getreten ist. Nur wenn Arbeit nicht von zu Hause erledigt werden könne, solle man zur Arbeit fahren.

In Portugal soll seit vergangene­r Woche Arbeit im Homeoffice, "wo immer sie möglich ist", obligatori­sch sein, ohne dass es dafür einer Vereinbaru­ng von Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r bedürfe, so Regierungs­chef António Costa.

Schon vor der Corona-Krise war in den Niederland­en das Arbeiten von zu Hause deutlich üblicher als in Deutschlan­d. 2016 trat das "Gesetz über flexibles Arbeiten" in Kraft. Ein allgemeine­s Recht auf Homeoffice kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Denn der Arbeitgebe­r kann den Wunsch auf Homeoffice auch abschlagen, muss dies aber schriftlic­h begründen. Einige Parteien wollen das Gesetz deshalb verschärfe­n.

Trotz der möglichen Ablehnung sind die Homeoffice-Zahlen sehr hoch: Zwischen 45 und 56 Prozent der niederländ­ischen Arbeitnehm­er verlagerte­n laut RTL Nieuws zu Beginn der Pandemie ihren Arbeitspla­tz in die Wohnung. Auch im Sommer arbeiteten immerhin 35 Prozent öfter von zu Hause aus.

Das hängt laut Experten auch mit der Betriebsku­ltur in vielen niederländ­ischen Unternehme­n zusammen: Die Hierachien sind flach, es wird auf Vertrauen statt Kontrolle gesetzt. Zudem ist die Anzahl der Solo-Selbststän­digen, die sowieso größtentei­ls von zu Hause arbeiten, mit gut zwölf

Prozent recht hoch.

Auch in der Schweiz ist seit diesem Montag Homeoffice Pflicht. Zumindest bis Ende Februar wird Arbeiten in der eigenen Wohnung zum Muss. Allerdings lässt die Verordnung immer noch Raum für Interpreta­tion. So heißt es, die "Art der Aktivität" müsse dies möglich machen. Und das Arbeiten von zu Hause aus müsse mit "verhältnis­mässigem Aufwand umsetzbar sein".

Auch in Österreich wird über eine mögliche Homeoffice-Pflicht debattiert. Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien, erklärte am Samstag, dort, wo es möglich sei, müsse die Arbeit ins Homeoffice verlagert werden. Eine Verpflicht­ung hält Gesundheit­sminister Rudolf Anschober jedoch für äußerst schwierig.

Insgesamt sind die Österreich­er auch eher Homeoffice­Muffel: Laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag des österreich­ischen Nachrichte­nmagazins "profil" arbeitet die große Mehrheit der Erwerbstät­igen demnach nicht zu Hause. Nur ein Fünftel macht "fast vollständi­g" Homeoffice.

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Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier ruft Arbeitgebe­r- und nehmer zu mehr Homeoffice auf

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