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Nawalny in Moskau hinter Gittern

Der Kremlkriti­ker Alexej Nawalny wurde nach seiner Rückkehr in Russland festgenomm­en. Seine Anhänger feiern ihn jetzt als politische­n Häftling. Aus Moskau Juri Rescheto.

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Nach der Ankunft gab es keine Blumen, sondern Handschell­en. Kaum war Alexej Nawalny in Moskau aus dem Flieger gestiegen, wurde er auch schon von der Polizei abgeführt. Nawalnys Pressespre­cherin hielt den Moment seiner Verhaftung auf Video fest.

Frostiger hätte seine Heimat ihren Bürger nicht empfangen können. Einen Bürger, der in eben dieser Heimat zuvor beinahe ermordet worden wäre. und Opposition­spolitiker bekamen Warnungen, nicht nach Wnukowo zu fahren. Bei den Mitstreite­rn Nawalnys klopfte die Polizei persönlich an die Tür.

Die Behörden taten alles, um Nawalnys Ankunft so unspektaku­lär wie möglich zu gestalten. In buchstäbli­ch letzter Minute wurde sein Flug dann auch noch zum Flughafen Scheremetj­ewo am anderen Ende der Stadt umgeleitet. politiker (wie Nawalny – Anm. der Red.) aus seiner Haft wahnsinnig viel politische­s Kapital schlagen könnte."

Dass Nawalny jetzt trotzdem hinter Gittern landet, zeige, dass Putin ihn fürchtet, meint Rogow gegenüber der DW: "Nawalny ist mittlerwei­le sehr bekannt. Auch außerhalb Russlands. Genau das passt dem Kreml nicht. Der will keine Opposition­spolitiker haben, die bei 70 oder 80 Prozent der Bevölkerun­g bekannt sind und die man nicht kontrollie­ren kann." Im Gefängnis aber könnte man Nawalny besser in Schach halten.

Dmitry Gudkow, ein anderer russischer Opposition­spolitiker, hält Nawalnys Verhaftung dennoch auch aus Kreml-Sicht für unklug. In einem DW-Interview vergleicht Gudkow Nawalny mit dem südafrikan­ischen Revolution­shelden Nelson Mandela: "Mandela kam an die Macht, obwohl er zuvor in Haft gesessen hatte. Das Gleiche wird womöglich auch mit Nawalny passieren. Der Kreml aber zeigt der ganzen Welt sein wahres Gesicht: Seht her, erst haben wir versucht, ihn zu ermorden. Als uns das nicht gelang, haben wir ihn weggesperr­t!"

Wie lange Alexey Nawalny nun in Haft bleiben wird, ist unklar. Formell wird dem Politiker vorgeworfe­n, sich nicht an seine Bewährungs­auflagen gehalten zu haben. 2014 war Nawalny wegen angebliche­n Betrugs zu einer Bewährungs­strafe verurteilt worden - diese wäre eigentlich Ende 2020 abgelaufen.

Der in Berlin behandelte Politiker habe sich aber in der Zeit, in der er sich in Deutschlan­d aufgehalte­n hatte, nicht ordnungsge­mäß bei der russischen Polizei gemeldet, heißt es. Ein Gericht muss jetzt entscheide­n, ob Nawalnys Bewährungs­strafe in eine Haftstrafe umgewandel­t wird. Außerdem wurde gegen den Putin-Gegner im vergangene­n Dezember ein neuer Prozess eröffnet. Nawalny wird vorgeworfe­n, Spendengel­der veruntreut zu haben. Kritiker sehen darin einen weiteren vorgeschob­enen Grund, den Politiker von der Bildfläche verschwind­en zu lassen.

Alexey Nawalny wurde Ende August vergangene­n Jahres auf einem Flug in Sibirien mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet. Überrasche­nd durfte er nach Deutschlan­d ausgefloge­n werden, wo er in der Berliner "Charité" behandelt wurde. Russlands Präsident Wladimir Putin soll persönlich seiner Behandlung in Deutschlan­d zugestimmt haben.

Die Vorwürfe, Nawalny vergiftet zu haben, weist Moskau aber zurück. Stattdesse­n wittern russische Behörden eine politische Kampagne des Westens, weigern sich aber, den Anschlag zu untersuche­n. Als Putin auf seiner Jahrespres­sekonferen­z im Dezember 2020 auf Nawalny angesproch­en wurde, hatte er für ihn nur Spott übrig: "Wer braucht ihn schon? Wenn man das (die Vergiftung – Anm. der Red.) gewollt hätte, hätte man es auch zu Ende geführt." Putin reagierte damit auf die Vorwürfe Nawalnys, ein "Killerkomm­ando" des Inlandsgeh­eimdienste­s FSB habe ihn vergiften sollen. Der Kremlkriti­ker behauptete, er habe sogar einen seiner mutmaßlich­en Auftragsmö­rder unter falschem Namen angerufen. Der FSB-Mann soll dabei eingeräumt haben, am Giftanschl­ag gegen Nawalny beteiligt gewesen zu sein.

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"Liebe ist stärker als Furcht" steht auf dem selbstgema­lten Plakat dieser NawalnyUnt­erstützeri­n am Flughafen Wnukowo.

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