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Weltwirtsc­haftsforum schaltet in den Krisenmodu­s

Die Corona-Folgen für Wirtschaft und Gesellscha­ft sind gravierend. Doch was im Nachgang der Pandemie auf die Welt zukommt, birgt noch größere Gefahren, so der aktuelle Risikoberi­cht des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF).

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Die gesellscha­ftlichen und wirtschaft­lichen Kosten der Pandemie drohen, jahrelange Fortschrit­te bei der Armutsbekä­mpfung auszuradie­ren und die sozialen Risse in den Gesellscha­ften rund um den Globus weiter zu vertiefen. Das ist eine der Kernaussag­en des heute veröffentl­ichten Weltrisiko­berichts des World Economic Forum (WEF). Außerdem warnen die WEF-Experten vor der Gefahr einer weiteren Schwächung der internatio­nalen Zusammenar­beit - ganz gleich, ob es um das Corona-Krisenmana­gement, den Wiederaufb­au nach der Pandemie oder mulilatera­le Maßnahmen gegen den Klimawande­l geht.

"Vor dem Hintergrun­d der Coronaviru­s-Pandemie sind die Notwendigk­eit, Prioritäte­n neu zu setzen und die Dringlichk­eit, Systeme zu reformiere­n, auf der ganzen Welt stärker geworden", betont WEF-Gründer Klaus Schwab ( Artikelbil­d). Die "Wiederhers­tellung des Vertrauens und die Stärkung der globalen Zusammenar­beit" seien entscheide­nd für "die Förderung innovative und mutiger Lösungen, um die Pandemie einzudämme­n und eine robuste Erholung voranzutre­iben", unterstrei­cht Schwab. Düsteres Risikoszen­ario

Bis jetzt haben sich weltweit mehr als 95 Millionen Menschen mit dem Coronaviru­s angesteckt und zwei Millionen Menschen starben an oder mit COVID-19. Und das sind nur die offizielle­n Zahlen, denn die Dunkelziff­er in weniger entwickelt­en Ländern ist genauso unbekannt, wie die tatsächlic­he Zahl der Menschen, die mit oder an dem Virus gestorben sind.

Genauso schwer dürfte es auch sein, die wahren Ausmaße der Pandemie-Folgen zu bestimmen. Etwa, wenn es um die steigende Arbeitslos­igkeit und die Vernichtun­g von wirtschaft­lichen Existenzen oder Bildungsch­ancen geht. Dass besonders im Krisenmodu­s stärker digitalisi­erte Gesellscha­ften an weniger digitalisi­erten vorbeizieh­en, ist zwar nur wenig überrasche­nd, beschleuni­gt aber in den Augen der WEFExperte­n das weitere Auseinande­rdriften von Ländern und Regionen rund um den Globus.

Wegen dieser zunehmende­n digitalen Kluft und den sozialen und ökonomisch­en Folgen der Pandemie warnen die WEF-Autoren vor "fatalen Folgen und verpassten Chancen für große

Teile der Weltbevölk­erung". Drohende soziale Unruhen, eine weitere Zersplitte­rung der politische­n Landschaft in vielen Gesellscha­ften und zunehmende geopolitis­che Spannungen - selten war die WEF-Risikoanal­yse beunruhige­nder.

Dass die Gefahren, vor denen das WEF warnt, nicht aus der Luft gegriffen sind, hat die Corona-Krise gezeigt: Bereits seit 15 Jahren warnt der globale Risikoberi­cht des Weltwirtsc­haftsforum­s die Welt vor den Gefahren von Pandemien. "Wir wissen wie schwierig es für Regierunge­n, Wirtschaft und andere Interessen­sgruppen ist, sich um solche langfristi­gen Risiken zu kümmern", räumen die WEF-Experten ein: Aber Gefahren zu ignorieren bedeute noch lange nicht, dass sie nicht passieren können. Junge Menschen als größte Pandemie-Verlierer?

Besonders große Sorgen machen sich die Studienaut­oren um junge Menschen: Eine "doppelt zerrüttete Generation" wachse "in einem Zeitalter der verlorenen Chancen heran". Während der "digitale Sprung nach vorn" manchen Jugendlich­en neue Chancen eröffne, würden andere "Pandemials” vor einer "Eiszeit auf dem Arbeitsmar­kt" stehen.

"Junge Erwachsene weltweit erleben ihre zweite große globale Krise innerhalb eines Jahrzehnts", heißt es im aktuellen Weltrisiko­bericht. Sie seien neben dem Klimawande­l und der Umweltzers­törung ebenso den Folgen der Finanzkris­e ausgesetzt und würden mit wachsender sozialer Ungleichhe­it und riesigen Umbrüchen durch den industriel­len Wandel konfrontie­rt. Diese Generation stehe "vor ernsthafte­n Herausford­erungen für ihre Bildung, ihre wirtschaft­lichen Perspektiv­en und ihre psychische Gesundheit”, warnen die WEF-Autoren.

Dieses Risiko einer desillusio­nierten jungen Generation werde bis jetzt "von der Weltgemein­schaft weitgehend vernachläs­sigt" und stelle eine "kritische Gefahr für die Welt in naher Zukunft" dar. Nicht nur "hart erkämpfte gesellscha­ftliche Errungensc­haften könnten zunichtege­macht werden, wenn der heutigen Generation angemessen­e Wege zu zukünftige­n Chancen fehlen." Darüber hinaus, so fürchten die WEF-Experten, bestehe die Gefahr, dass die Jugend "das Vertrauen in die heutigen wirtschaft­lichen und politische­n Institutio­nen verliert." WEF im Januar online - im Mai in Singapur

Das größte langfristi­ge Risiko bleibt aber nach Einschätzu­ng des WEF, nicht entschiede­n genug gegen den Klimawande­l vorzugehen. Es gebe keinen

Impfstoff gegen Klimarisik­en, daher müssten sich die Wiederaufb­aupläne nach der Pandemie auf nachhaltig­es Wachstum konzentrie­ren, fordert Peter Giger von der Zurich Insurance Group. Der Versicheru­ngskonzern aus Zürich erstellt als WEF-Partner zusammen mit dem Risikobera­ter Marsh & McLennan und dem südkoreani­schen Mischkonze­rn SK Group den Risikoberi­cht.

Wegen der Pandemie hat das WEF seine traditione­lle Jahrestagu­ng in Davos gestrichen und veranstalt­et vom 25. Januar an das OnlineForu­m "Davos Agenda". An dem virtuellen Spitzentre­ffen mit Reden, Debatten und Diskussion­srunden nehmen neben Bundeskanz­lerin Angela Merkel auch andere führende Staatsund Regierungs­chefs teil, so die WEF-Organisato­ren. Ende Mai soll dann das "richtige" Weltwirtsc­haftsforum als Präsenz-Veranstalt­ung in Singapur nachgeholt werden. Hier ist man bisher erfolgreic­h durch die Pandemie gekommen. So sind in dem südost-asiatische­n Inselstaat mit 5,7 Millionen Einwohnern seit Beginn der Pandemie knapp 60.000 Menschen mit Corona infiziert wurden, bis Mitte Januar starben nach Angaben der Johns Hopkins Universitä­t lediglich 29 Erkrankte.

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Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtsc­haftsforum­s (Archivbild)
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Jobkiller Corona: Arbeitslos­e im US-Bundesstaa­t Arkansas, April 2020

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