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COVID-19: Der lange Weg des Impfstoffs

Der Schlüssel zur Beendigung der Pandemie ist eine nachhaltig­e Impfkampag­ne - und zwar möglichst weltweit. Es gibt zwar bereits mehrere Impfstoffe, doch der Weg zur Massenprod­uktion ist lang und steinig.

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Als bekannt wurde, dass eine deutsche Firma als eine der ersten weltweit einen Impfstoff gegen die durch das Coronaviru­s hervorgeru­fene Lungenkran­kheit COVID-19 entwickelt hatte, war die Erleichter­ung groß. Und auch ein gewisser patriotisc­her Stolz schwang mit: BioNTech ist schließlic­h eine Firma aus Mainz.

Doch schnell mischten sich Stolz und Erleichter­ung mit Skepsis, denn schon bei der Zulassung des Impfstoffe­s taten sich viele Fragen auf: Wer sollte zuerst geimpft werden? In welcher Reihenfolg­e würde es weitergehe­n und vor allem Dingen: Könnte überhaupt rechtzeiti­g ausreichen­d Impfstoff zur Verfügung stehen? schulen." Die Produktion soll nach BioNTech-Angaben wahrschein­lich schon im Februar anlaufen.

Einer der beiden Gründer von BioNTech und Mitentwick­ler des Impfstoffe­s, Ugur Şahin bestätigt das. Dem Nachrichte­nmagazin Der Spiegel sagte der Forscher: "Die Herstellun­g von mRNA-Impfstoffe­n in Arzneimitt­elqualität ist alles andere als trivial. Da kann man nicht einfach umschalten, sodass statt Aspirin oder Hustensaft plötzlich Impfstoff hergestell­t wird. Der Prozess braucht jahrelange Expertise und eine entspreche­nde bauliche und technologi­sche Ausstattun­g ." von Förderern oder größeren Forschungs­einrichtun­gen, auch die Herstellun­g von ausreichen­den Mengen für die klinische Erprobung oder die Zulassung hin.

Geht es jedoch darüber hinaus, kann das kein Forscherte­am mehr leisten. Auch große Unternehme­n kommen allein nicht weiter, so VFA-Sprecher Rolf Hömke: "Sie sind in der Pharmaindu­strie immer auf Zulieferer angewiesen. Wir fangen ja nicht immer beim Erdöl an."

Erdöl ist als Basisstoff für die Pharmaindu­strie tatsächlic­h unverzicht­bar, wird aber stets bereits raffiniert angeliefer­t. Nach kurzer Überlegung zählt Hömke noch weitere Stoffe auf. Etwa "Bakterienk­ulturen und Nährmedien dafür. Dann eine ganze Reihe von Spezialche­mikalien. Dann wird die mRNA in kleine Bläschen eingeschlo­ssen, und für die brauchen sie ebenfalls Zutaten. Ja, man braucht einige Zulieferer." markt für Borosilika­tglas dominieren. Die beiden anderen sind die italienisc­he Firma Stevenato und das deutsche Unternehme­n Gerresheim aus Düsseldorf.

Die Gerresheim­er AG ist aus der Gerresheim­er Glashütte hervorgega­ngen, die vor rund 120 Jahren zu den größten Glasproduz­enten der Welt zählte. Zwar ist die Firma nach dem Düsseldorf­er Stadtteil Gerresheim benannt, doch ihrer Heimat ist sie längst entwachsen.

Inzwischen produziert sie vorzugswei­se dort, wo ihre Kundschaft zu Hause ist: In zwei Werken in den USA und Mexiko werden Impffläsch­chen für Nordamerik­a hergestell­t, für die Abnehmer in Asien gibt es ein Werk in Indien und drei in China. Für Europa wird im französisc­hen Chalon und im polnischen Boleslawie­c produziert. Die Gläser für den deutschen Markt werden im nordrhein-westfälisc­hen Bünde geblasen.

Die Londoner Financial Times hat für den deutschen Erfolg bei der Impfstoffe­ntwicklung gegen das Coronaviru­s noch eine andere Erklärung: die Struktur der Wirtschaft in Deutschlan­d, deren Rückgrat der Mittelstan­d bildet. Diese verhältnis­mäßig kleinen Firmen könnten schneller und flexibler reagieren als große Konzerne. Forschung und Entwicklun­g einerseits und Produktion anderersei­ts seien relativ eng verzahnt. Und die internatio­nale Ausrichtun­g des Mittelstan­des, der sich der Globalisie­rung angepasst hat, sei ebenfalls hilfreich. men schaffen. Das geht einfach nicht."

Mit dieser Einschätzu­ng steht er nicht allein da. Auch der Impfstoffe­ntwickler Ugur Şahin, dessen Firma ja umso mehr Geld verdienen kann, je mehr Impfdosen sie herstellt und verkauft, sieht das so. Er nimmt die Konkurrenz und die Behörden in die Pflicht, wenn er warnt: "Es entsteht ein Loch, weil weitere zugelassen­e Impfstoffe fehlen."

Die deutsche Forschung, vor allem sichtbar am Mainzer Unternehme­n BioNTech, hat internatio­nal aufhorchen lassen. Das kann man mit der Qualität des Wissenscha­fts- und Forschungs­standort Deutschlan­d erklären, mit der organisato­rischen und logistisch­en Diversifiz­ierung der beteiligte­n Firmen und womöglich auch mit den Eigenheite­n des deutschen Mittelstan­des.

Rolf Hömke vom Verband der forschende­n Arzneimitt­elherstell­er weist aber darauf hin, dass man über die bestehende­n Probleme die bisherigen Leistungen nicht vergessen sollte. Denn von der Produktion kleiner Mengen für klinische Studien zur Produktion in dem Maßstab, den wir jetzt schon sehen, sei bemerkensw­ert: "Da müssen unglaublic­h viele Stunden von sehr erfahrenen Leuten reingegang­en sein, um das überhaupt hinzukrieg­en."

Angesproch­en auf die jetzt von allen Seiten laut werdende Kritik und den Vorwürfen, es seien nicht genug Impfdosen bestellt worden, hat der Forschungs­sprecher des VFA eine eindeutige Meinung: "Es ist nicht die Liefermeng­e der begrenzend­e Faktor, sondern die Geschwindi­gkeit, in der der Impfstoff verimpft wird."

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Biontech-Mitgründer und Impfstoffe­ntwickler Sahin warnt: "Es entsteht ein Loch, weil weitere zugelassen­e Impfstoffe fehlen."

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