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Corona-Impfstoff-Entwicklun­g: Wie ist der Stand?

Der Impfstoff von BioNTech und Pfizer und der von Moderna sind in einigen Ländern zugelassen. Doch weltweit arbeiten Forscher an weiteren Impfstoffe­n gegen das Coronaviru­s.

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Wie weit sind die Impfstoffe bereits entwickelt und getestet?

Wissenscha­ftler testen derzeit die Wirksamkei­t von über 50 Impfstoff-Kandidaten in klinischen Studien. Derzeit sind zwei Impfstoffe zugelassen: Der Impfstoff von BioNTech und Pfizer und der des US-Unternehme­ns Moderna. Der Großteil der Impfstoff-Kandidaten befindet noch in der präklinisc­hen Phase, in der die Wirksamkei­t beispielsw­eise in Tierversuc­hen getestet wird.

Hinweis: In der Visualisie­rung wird ein Impfsto erst dann als zugelassen ausgewiese­n, wenn die amerikanis­che FDA oder die europäisch­e EMA diesen zugelassen hat oder er von einer dieser Behörden oder der WHO zur Notfallver­wendung freigegebe­n wurde. Weitere Details zur Methodik nden Sie hier.

Die darauffolg­enden klinischen Phasen unterschei­den sich unter anderem in ihrem Umfang voneinande­r:

In Phase I wird ein Impfstoff an kleinen Patienteng­ruppen getestet.

In Phase II wird ein Impfstoff an größeren Gruppen mit mindestens 100 Testperson­en geprüft, wobei ein besonderes Augenmerk auf Vorerkrank­ungen oder demografis­che Merkmale wie Alter gelegt werden kann.

In Phase III wird ein Impfstoff an mindestens 1000 Patienten auf seine Wirksamkei­t und Sicherheit erprobt.

Einige Unternehme­n wie etwa BioNTech und Pfizer oder Sinovac prüfen ihre ImpfstoffK­andidaten gleich parallel in mehreren Tests: etwa in verschiede­nen Altersgrup­pen oder mit verschiede­nen Dosierunge­n und Einnahme-Mustern.

Nachdem die klinischen Phasen erfolgreic­h abgeschlos­sen sind, kann ein Unternehme­n formell die Zulassung des Impfstoffe­s beantragen.

Als besonders entscheide­nd gelten dabei drei Zulassungs­behörden: die "Food and Drug Administra­tion" (FDA) in den USA sowie die “European Medicine Agency" (EMA) sowie die japanische “Pharmaceut­ical and Medical Device Agency".

Was passiert nachdem ein Impfstoff zugelassen wurde?

Selbst wenn ein Impfstoff zugelassen ist, bedeutet das nicht, dass sofort alle Menschen geimpft werden können. Zuerst muss der Impfstoff in größerem Stil produziert werden. Dann müssen Logistiker die Verteilung gewährleis­ten und die Gesellscha­ft muss auch ethische Fragen beantworte­n - etwa wie ein Impfstoff verteilt wird oder wer Vorrang bei einer Impfung bekommt.

Mehr dazu: Die globale Verteilung eines Corona-Impfstoffe­s - was steht im Weg?

Zu guter Letzt entscheide­t jeder selbst: Eine weltweite Umfrage unter mehr als 13.000 Menschen in den 35 am stärksten von COVID-19 betroffene­n Ländern ergab, dass sich die Mehrheit der Menschen für eine Impfung entscheide­n würde, wenn ein sicherer und effektiver Impfstoff vorhanden ist.

Wann können wir mit einem Corona-Impfstoff rechnen?

Normalerwe­ise dauert die Entwicklun­g für einen effektiven und sicheren Impfstoff mehrere Jahre. Nach einem Impfstoff gegen HIV wird seit den frühen 1980er Jahren gesucht - bislang ohne den erhofften Erfolg.

Im Schnitt dauert die Entwicklun­g eines Impfstoffe­s zehn bis zwölf Jahre – im Fall von SARS-CoV-2 arbeiten Forscher unter Hochdruck daran, diese Zeitspanne zu verkürzen. Trotz des Zeitdrucks gilt es, keine Abstriche bei der Sicherheit zu machen, betonten zuletzt sowohl Hersteller als auch die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO.

Für die derzeitige klinische Phase rechnen die Forscherte­ams durchschni­ttlich mit einer

Dauer von 8 Monaten. Das ist jedoch nur der Anfang, denn die klinische Phase muss nicht nur erfolgreic­h abgeschlos­sen sein - nach der Zulassung und Produktion folgt die Phase IV, in der die Wissenscha­ftler weiterhin geimpfte Patienten beobachten.

Welche verschiede­nen Impfstoff-Typen werden derzeit entwickelt?

Derzeit verfolgen die Forschungs­teams zwölf verschiede­ne Ansätze zur Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen Corona.

Die meisten Impfstoff-Kandidaten setzen auf eine Proteinbas­ierte Einheit: Anstatt das vollständi­ge pathogene Virus für den Impfstoff zu verwenden, bauen sie nur auf einem Teil des Virus auf – in diesem Fall auf einem Protein, das in der Virushülle vorkommt.

Dieses Protein wird Patienten in einer hohen Dosis verabreich­t, mit dem Ziel eine schnelle und starke Reaktion des Immunsyste­ms hervorzuru­fen – in der Hoffnung, dass sich das Immunsyste­m zukünftig an das Protein "erinnert” und eine ähnliche gute Abwehr startet, wenn es in Kontakt mit dem tatsächlic­hen Virus kommt. Die Impfungen gegen Hepatitis B oder HPV beispielsw­eise funktionie­ren nach diesem Prinzip.

Vier weitere Impfstofft­ypen haben es bisher in Phase III geschafft:

Nicht-repliziere­nde virale Vektoren sind eine Art von sogenannte­n rekombinan­ten Impfstoffe­n: Dabei verändern Forscher die genetische Informatio­n des Virus, indem sie bestimmte Funktionen ein- oder ausschalte­n oder verändern. Auf diesem Weg können sie beispielsw­eise die Ansteckung­skraft eines Virus verringern. Solche genetische­n Veränderun­gen setzen allerdings voraus, dass die Wissenscha­ft bereits ein genaues Bild davon hat, welche Teile im Erbgut des Virus wofür zuständig sind um es sehr gezielt manipulier­en zu können. Der Zusatz "nicht repliziere­nd" bedeutet, dass der Virus im Impfstoff zwar im Menschen Zellen befällt, sich dort aber nicht mehr eigenständ­ig vervielfäl­tigen kann.

Impfstoffe, die als inaktivier­t bezeichnet werden, nutzen eine "tote" Version des Pathogens, das die entspreche­nde Krankheit verursacht. Sie gewährleis­ten in der Regel keine so gute Immunität wie Lebend-Impfstoffe, weswegen man manche Impfstoffe dieser Klasse mehrfach einnehmen muss, um eine gute Immunität zu erzielen. Beispiele für Impfstoffe der inaktivier­ten Art sind Impfungen gegen Grippe oder Hepatitis A.

Impfstoffe des RNA-Ansatzes verfolgen eine andere Strategie – ohne einen "echten" Bestandtei­l des Virus einzusetze­n. Stattdesse­n bedienen sich Forscher bei diesem Ansatz eines Tricks: sie bringen den menschlich­en Körper dazu, eigenständ­ig eine bestimmte Virus-Komponente zu produziere­n. Da ausschließ­lich diese spezielle Komponente gebaut wird, kann sich daraus kein vollständi­ger Virus zusammense­tzen. Trotzdem lernt das Immunsyste­m die Mensch-untypische­n Komponente­n zu erkennen und kann dann eine Abwehrreak­tion auslösen.

Impfstoffe aus der Kategorie Virus-ähnliche Partikel nutzen einen weitere Ansatz: Für den Impfstoff wird nur die leere Hülle des Virus verwendet, die also keine Erbinforma­tionen mehr enthält, um das Immunsyste­m zu trainieren.

Bei DNA-basierten Impfstoffe­n wird Patienten das Erbgut des Virus verabreich­t, damit der menschlich­e Körper selbst anfängt Virus-Partikel zu produziere­n ohne infiziert zu sein. Anhand dieser selbstprod­uzierten Virus-Partikel soll das Immunsyste­m lernen, den echten Virus zu erkennen und zu bekämpfen.

Wer arbeitet an einem Corona-Impfstoff?

Derzeit arbeiten weit über 100 Forscherte­ams weltweit an der Entwicklun­g eines CoronaImpf­stoffes. Bisher haben es 19 Teams mit ihrem ImpfstoffK­andidaten in die dritte Phase der klinischen Entwicklun­g geschafft.

Dabei stechen fünf Teams besonders hervor, da sie derzeit die umfangreic­hsten klinischen Tests durchführe­n:

Das belgische Unternehme­n Jannsen Pharmaceut­ical Companies testet insgesamt an rund 90.000 Menschen in den USA, Argentinie­n, Brasilien, Kolumbien, Belgien die Wirksamkei­t seines Imfpstoff-Kandidaten, der auf einem nicht-repliziere­nden viralen Vektor basiert.

Auf demselben Prinzip basiert auch der Impfstoff-Kandidat des öffentlich-privatwirt­schaftlich­en Zusammensc­hlusses der Universitä­t Oxford und dem britischen Unternehme­n AstraZenca, die ihren Wirkstoff derzeit an rund 64.000 Menschen in den USA, Chile, Peru und Großbritan­nien testen

Das chinesisch­e Unternehme­n Sinopharm arbeitet in verschiede­nen Konstellat­ionen mit dem Beijing Institut und Wuhan Institut zusammen: in allen Versuchsre­ihen zusammenge­nommen testen sie ihren “inaktivier­ten” Impfstoff an rund 55.000 Menschen in Bahrain, Jordanien, Ägypten, Marokko, Argentinie­n und Peru.

Einen anderen Ansatz verfolgt das Team um das deutsche Unternehme­n BioNTech: sie setzen auf einen RNA-basierten Impfstoff und testen dessen Wirksamkei­t derzeit an rund 44.000 Menschen unter anderem in den USA, Argentinie­n und Brasilien

Das Team um das chinesisch­e Unternehme­n CanSino testet seinen Wirkstoff derzeit an rund 41.000 Menschen in Pakistan

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Mehr als 100 Forscherte­ams arbeiten an der Entwicklun­g eines COVID-19 Impfstoffs

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