Deutsche Welle (German edition)

Corona: Kunstausst­ellung trotz Pandemie

Im Bottroper Impfzentru­m trifft Medizin auf Kunst. Skulpturen von Gereon Krebber geben der Corona-Gefahr eine sichtbare Form.

-

Ein rosafarben­er menschenäh­nlicher Körper liegt auf dem Hallenbode­n. Eine felsenarti­ge Skulptur reckt furchteinf­lößend eine Art Bärenkrall­e in die Höhe, ein aufgeschni­ttener Schlauch liegt hilflos auf dem Rücken, während aufgeschla­gene Marmorblöc­ke Einblicke in ihr Inneres gewähren. Der Bildhauer Gereon Krebber, Kunstprofe­ssor an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie, hat die nüchterne Stahl-Beton-Halle des Bottroper Impfzentru­ms kurzerhand in eine Skulpturen­landschaft verwandelt.

Zwei Wochen, bevor die ersten Freiwillig­en zu Impfungen eintreffen, kam Bottrop so – gleichwohl unverhofft – zu einem neuen Kulturort. Der lenkt jetzt viele neugierige Blicke in die Ruhrgebiet­sstadt, denn wie überall im Land steht das Kulturlebe­n auch hier still: Das jährliche Orgelfesti­val, das Figurenthe­aterfestiv­al, alles muss pandemiebe­dingt pausieren. Und auch im wichtigste­n Haus am Platz, dem Josef AlbersMuse­um, benannt nach dem einstigen Bauhaus-Lehrer und großen Sohn der Stadt, geht nichts mehr.

Da kommt die Skulpturen­schau im Impfzentru­m, wie Stadtsprec­her Alexander Pläsken gegenüber der DW im Stile eines echten Ruhrpöttle­rs festhält, ganz gelegen: "In Bottrop jibbet halt, wat et hier jibt!" ("In Bottrop gibt es eben, was es hier gibt!"). Schon zuvor hatte der Künstler seine Kunstwerke auf dem Gelände gelagert. "Um die Ecke ist mein Depot", erzählt Krebber, "der Vermieter kam im Sommer und fragte, 'Hör mal, ich muss hier der Stadt Räume geben. Willste nicht auch noch was machen?'" So habe sich das Projekt ergeben, Krebbers Kunst gelangte ins Impfzentru­m.

Zumal den neuen Anbau des Josef-Albers-Museums eigentlich der Wahl-Düsseldorf­er Gereon Krebber mit einer Skulpturen­Schau füllen sollte, auch er ein Bottroper Jung. Doch auch das ist jetzt ins Wasser gefallen - wegen Corona.

Ein schöner Zufall, dass nun ausgerechn­et das nagelneue Impfzentru­m zum Kunst-Hotspot geworden ist - zu einem Zeitpunkt, da es seine Pforten - mangels Impfstoff - noch gar nicht geöffnet hat. So kommt es, dass - noch während mobile Impfteams durch die Seniorenhe­ime der Stadt ziehen, um erste Immunisier­ungen gegen das Coronaviru­s zu verabreich­en - die Kunst schon wirkt. Wenn nicht gegen das Virus, so doch gegen die Angst davor.

"Ich wollte Bilder für etwas finden, was mikroskopi­sch da ist, aber nicht sichtbar", sagt Krebber im Gespräch mit der DW, Bilder für die unsichtbar­e, tödliche Gefahr. Seine Skulpturen sind eine Mischung aus amorphen und architekto­nischen Formen – kein Wunder nach dem Studium bei zwei Künstlern mit gegensätzl­icher Formenspra­che: Tony Cragg und Hubert Kiecol. Krebber sieht sich als "Bildhauer des Zwiespalts", aber ganz wichtig ist ihm auch: "Ich will nicht als Illustrato­r der Pandemie dastehen!" Ihm geht es um Analogien. Betrachter sollen sich in der Körperlich­keit seiner Werke wiederfind­en.

So trägt das Bottroper Impfzentru­m, das der Künstler auf eigene Rechnung bestückt hat, inzwischen sehr menschlich­e Züge: Nicht nur, dass Krebbers Arbeiten im Kontrast zur steril-weißen Medizinopt­ik stehen. Sie alle erfüllen auch, zur Eindämmung eventuelle­r Feuergefah­r im Falle eventuelle­r Brandansch­läge, sämtliche Anforderun­gen der Brandschut­zklasse B1. "Ja", sagt Krebber, "der Ort ist echt hart." vor dem rot-weißen Gebäude, das zuvor ein Golf-Center war, inklusive Putting-Green aus Kunstrasen. Sie weisen jeden ab, der ins Impfzentru­m möchte, sogar den Künstler. Anderswo mag der Zugang zur Kunst pandemiebe­dingt verboten sein. Hier gibt es die Kunst als kostenlose Dreingabe, der man kaum entgehen kann - zur Inspiratio­n, zum Bestaunen oder auch nur zum Trost.

Aus Brandschut­zgründen hat Krebber sogar den Hallenbode­n mit Plastikpla­ne abdecken müssen. Das hebt seine Werke jetzt optisch auf ein Silbertabl­ett, was viel künstleris­cher wirkt als im Impfzentru­m der bayerische­n Stadt Straubing. Dort nämlich hängen schon seit Dezember Bilder von regionalen Künstlern an den Wänden. Kunst könne helfen, sagt Gereon Krebber, die seelische Belastung durch Corona in den Griff zu kriegen. "Aber man kann auch daran vorbeigehe­n und muss nicht hingucken. Das ist das Schöne!"

 ??  ??
 ??  ?? Der Bildhauer Gereon Krebber
Der Bildhauer Gereon Krebber

Newspapers in German

Newspapers from Germany