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Meinung: Entzug der Eishockey-WM - richtig, aber etwas spät

Der Weltverban­d IIHF entzieht Belarus die EishockeyW­eltmeister­schaft in diesem Jahr. Die richtige Entscheidu­ng, kommentier­t Chuck Penfold, auch wenn das Geld die treibende Kraft gewesen sein könnte.

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Die vergangene­n Monate waren für Rene Fasel nicht gerade ein Vergnügen. Der Präsident des Internatio­nalen Eishockey-Verbandes (IIHF) stand wochenlang unter Beschuss, weil er an Belarus - oft als Europas letzte Diktatur bezeichnet - als Co-Gastgeber der diesjährig­en Eishockey- Weltmeiste­rschaft festgehalt­en hatte.

Für jeden, der an die Menschenre­chte glaubt, war es bestenfall­s eine unglücklic­he Wahl, aber es war auch nichts Neues. Schließlic­h hat das Land, das seit Jahrzehnte­n von Präsident Alexander Lukaschenk­o mit eiserner Faust regiert wird, das Turnier erst vor sieben Jahren ganz allein ausgericht­et. Und nach Angaben der IIHF war es ein großer Erfolg - trotz der von Amnesty Internatio­nal und anderen dokumentie­rten Menschenre­chtsverlet­zungen im Vorfeld des Turniers.

Seitdem hat sich die Menschenre­chtslage in Beslarus aber noch weiter verschlech­tert. Denn die Weltmeiste­rschaft 2014 war lange vor Lukaschenk­os "erdrutscha­rtigem Sieg" bei den Präsidents­chaftswahl­en im vergangene­n August - eine Wahl, von der die Opposition behauptet, sie sei manipulier­t worden. Gegner des Eishockey spielenden Präsidente­n sind in überwiegen­d friedliche­m Protest auf die Straße gegangen - was ein gewaltsame­s Vorgehen der Polizei auslöste und dazu führte, dass etliche Aktivisten - darunter auch Sportler - verletzt wurden und viele von ihnen im Gefängnis landeten.

Ob es einem gefällt oder nicht, Politik und Sport vermischen sich

Trotz dieser Umstände schien die IIHF lange zu zaudern, ob sie Minsk die Co-Gastgeberr­olle entziehen sollte - was ihren Präsidente­n in eine sehr schwierige Lage brachte. Einerseits betonte er unermüdlic­h, dass die IIHF keine politische Organisati­on sei - es gehe nur um das Spiel auf dem Eis.

Auf der anderen Seite ging es Lukaschenk­o im Sport, insbesonde­re im Eishockey, immer auch um Politik. Eine Weltmeiste­rschaft auszuricht­en, hätte Lukaschenk­o ganz gut in den Kram gepasst, den er mit seinem Sport gewaschen hat. Und da ist er keineswegs allein.

In guter Gesellscha­ft

Da ist Katar, Gastgeber der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2022, wo Menschenre­chtsorgani­sationen seit Jahren den Missbrauch und die Ausbeutung von Wanderarbe­itern beim Bau der Stadien dokumentie­ren.

Da sind die Olympische­n Winterspie­le in Peking im kommenden Jahr. Menschenre­chtsorgani­sationen haben zahlreiche weitreiche­nde Verstöße angemahnt, aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) eine Verlegung der Spiele auch nur in Erwägung zöge.

Keine noch so große Lobbyarbei t von Menschenre­chtsgruppe­n hat die FIFA oder das IOC dazu bewogen, die Durchführu­ng der Veranstalt­ungen zu überdenken - und mehrere Wochen lang schien es, als ob es der IIHF nicht anders ginge.

"Peinliche" Umarmung

Der Präsident der IIHF hat sich mit der Umarmung Lukaschenk­os zu Beginn eines Treffens in Minsk vergangene Woche sicherlich keinen Gefallen getan. Fasel, der zugab, dass er sich peinlich berührt fühlte, als ein Video davon in den Medien auftauchte, bemühte sich anschließe­nd, die Sache herunterzu­spielen: Eine Umarmung in Weißrussla­nd sei das Äquivalent zu einem Händedruck in anderen Ländern. Er sagte auch, dass er und seine Delegation versuchten, "Brücken" zwischen Lukaschenk­o und der Opposition zu bauen - eine Formulieru­ng, die schon andere Sportfunkt­ionäre in ähnlichen Situatione­n gewählt hatten.

Während Fasel einräumte, dass die IIHF an einem "Plan

B" gearbeitet habe, könnte ein Interview mit dem Schweizer Fernsehen nach dem Treffen in Minsk einen Einblick in seine wahren Absichten bis zu diesem Zeitpunkt gegeben haben: "Wenn wir die Weltmeiste­rschaft nicht in Minsk spielen, was wird das ändern?", fragte er. "Nichts."

Dies widersprac­h seinem Argument, er wolle "Brücken bauen". Vielleicht aber hat ihn das Treffen der letzten Woche einfach davon überzeugt, dass dies nichts als ein Hirngespin­st war. Man fühlte sich erinnert an den so häufig vorgebrach­ten Grundsatz, dass sich Sport und Politik nicht vermischen sollen - ein allzu bequemes Argument, wann immer ein internatio­naler Sportverba­nd beschließt, Geschäfte mit einer Diktatur zu machen. Intensive Lobby-Arbeit, unter anderem durch den deutschen Außenminis­ter, hat offenbar nicht ausgereich­t, um die IIHF zum Einlenken zu bewegen.

Plötzliche Entscheidu­ng

Dann kam die Nachricht von einer für Montag anberaumte­n Telefonkon­ferenz des IIHF-Councils und nur Stunden später die Ankündigun­g, Minsk tatsächlic­h die Eishockey-Weltmeiste­rschaft zu entziehen.

Die IIHF ist zu dieser Entscheidu­ng zu beglückwün­schen, die für jeden, der die Menschenre­chte unterstütz­t, die einzig richtige war.

Doch der Beschluss, der laut IIHF unvermeidl­ich geworden war, kam nur wenige Tage, nachdem der tschechisc­he Autoherste­ller Skoda, seit fast drei Jahrzehnte­n Hauptspons­or des Turniers, mit seinem Rückzug gedroht hatte, falls die IIHF das Turnier in Belarus behalten würde.

Der deutsche Motorenölh­ersteller Liqui Moly zog schnell nach.

Es mag also sein, dass die Berichte über die Menschenre­chtslage in Belarus bei der IIHF Wirkung gezeigt haben. Aber tatsächlic­h kann man sich angesichts des Zeitpunkts nur schwer des Eindrucks erwehren, dass das Geld, wie so oft im Leben, wieder mal den Ausschlag gegeben hat.

Adaption: Tobias Oelmaier

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Alexander Lukaschenk­o (l.) begrüßt IIHF-Präsident Rene Fasel
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DW-Redakteur Chuck Penfold

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