Deutsche Welle (German edition)

Erleichter­ung und Kritik nach Lockdown-Verlängeru­ng

Längerer Lockdown, aber keine Stilllegun­g der Produktion, mehr Homeoffice, aber auch mehr finanziell­e Hilfen - so gemischt wie die Beschlüsse der Bundesregi­erung fallen auch die Reaktionen aus der Wirtschaft aus.

-

Der Zentralver­band des Deutschen Handwerks (ZDH) konnte den Beschlüsse­n von Bund und Ländern etwas Positives abgewinnen: "Es ist eine wichtige Nachricht für viele Handwerksb­etriebe und ihre Beschäftig­ten, dass es jetzt erst einmal nicht zu einem kompletten Wirtschaft­s-Lockdown kommt", sagte ZDH-Präsident Peter Wollseifer.

"Damit ein solch harter Lockdown auch künftig ausgeschlo­ssen bleibt und damit - im Gegenteil - die derzeit geschlosse­nen Handwerksb­etriebe endlich wieder arbeiten können, kommt es jetzt umso mehr auf konsequent­en Gesundheit­sschutz an", so Wollseifer weiter. Wie viele andere forderte er deshalb schnelle und einfache Hilfen.

Handel klagt über Verluste

In der Corona-Krise ringen die Unternehme­n vieler Branchen um die Existenz. Vor allem der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) hatte immer wieder kritisiert, dass versproche­ne Hilfen bislang nicht geflossen seien, und drängt nun erneut auf eine Verbesseru­ng bei der staatliche­n Überbrücku­ngshilfe.

"Der vom Lockdown betroffene Einzelhand­el verliert an jedem geschlosse­nen Verkaufsta­g im Januar durchschni­ttlich 600 Millionen Euro Umsatz", erklärte HDE-Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth. "Nach dem weitgehend­en Verlust des Weihnachts­geschäfts in November und Dezember können viele Handelsunt­ernehmen diese unverschul­deten Verluste wirtschaft­lich nicht mehr kompensier­en."

Zugleich begrüßte es der HDE, dass die Bundesregi­erung die vom ihm geforderte­n Anpassunge­n vornehmen wolle. Nun seien sowohl Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) als auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) gefordert, "ihren Verspreche­n für eine Umgestaltu­ng der staatliche­n Hilfen für den Einzelhand­el rasch Taten folgen zu lassen", so Genth.

Bessere Hilfe versproche­n

Auch der Präsident des Instituts für Weltwirtsc­haft in Kiel (IfW), Gabriel Felbermayr, warnte angesichts der erneut verlängert­en Schließung­en vor einer Insolvenzw­elle. "Je länger der Shutdown dauert, umso stärker leiden die Unternehme­n, umso mehr werden ihre Reserven angeknabbe­rt, umso größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass wir nach dem Ende der Krise eine große Insolvenzw­elle sehen", sagte er bei Bild Live. "Das Mindeste, was jetzt passieren muss, dass man mit großzügige­n Abschlagsz­ahlungen versucht, die Unternehme­n, die unschuldig betroffen sind, über Wasser zu halten."

Nach massiver Kritik an den Hilfen hat die Bundesregi­erung versproche­n, schnell nachzubess­ern. "Die Hilfen werden einfacher, umfangreic­her und zielgenaue­r", hatte Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) angekündig­t - und einigte sich mit Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), der erklärte: "Wir werden die Überbrücku­ngshilfe III drastisch vereinfach­en und auch bei der Höhe noch eine Schippe drauf legen."

Kritik am Homeoffice

Der Beschluss, dass Arbeitgebe­r ihren Beschäftig­ten künftig das Arbeiten im Homeoffice überall dort ermögliche­n müssen, wo es die Tätigkeite­n zulassen, stößt bei Arbeitgebe­rvertreter­n auf Kritik.

Die beschlosse­nen Vorgaben seien "inakzeptab­el", sagte der Hauptgesch­äftsführer des

Arbeitgebe­rverbands Gesamtmeta­ll, Oliver Zander. Noch im November habe Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) verkündet, von diesem Vorhaben abzusehen. "Dieses nun unter dem Etikett der Pandemiebe­kämpung einzubring­en, erweckt den Eindruck, als nutze der Minister die Pandemie für parteipoli­tische Zwecke."

ÖPNV: mehr Sicherheit oder "nicht notwendig"?

In ö f f ent l i chen Ve r - kehrsmitte­ln und Geschäften gelten zudem s t re n g e re Maskenvors­chriften: Künftig müssen dort sogenannte OPMasken oder Mund- NaseBedeck­ungen mit den Standards KN95/N95 oder FFP2 getragen werden. Zudem werden die Verkehrsun­ternehmen aufgeforde­rt, ihr Angebot zu erhöhen. So könnten Abstandsre­geln vor allem zu Stoßzeiten besser eingehalte­n werden.

"Falls der Weg zur Arbeit als besonderes Risiko ausgemacht wird, muss die öffentlich­e Hand das Angebot des ÖPNV erhöhen, statt mit einer FFP2-Maskenpfli­cht von den eigenen Versäumnis­sen abzulenken", teilte Zander weiter mit.

Der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen kündigte an, den Beschluss "selbstvers­tändlich" zu unterstütz­en. Gleichwohl bezeichnet­e auch VDV-Präsident Ingo Wortmann die verschärft­e Maskenpfli­cht als "nicht notwendig".

Der Geschäftsf­ührer des Interessen­verbands Allianz pro Schiene, Dirk Flege, betonte, die Einhaltung der Maskenpfli­cht müsse kontrollie­rt werden.

Grundsätzl­ich bewertete er die Vorgaben aber positiv: "Mehr Busse und Bahnen - das erhöht genau wie die Maskenpfli­cht noch einmal die Sicherheit für alle Nutzer der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel."

Aufatmen

Finanzmark­tvertreter wie Andreas Scheuerle von der Dekabank zeigen sich erleichter­t, dass die Maßnahmen nicht so streng ausgefalle­n sind wie befürchtet. "Aus ökonomisch­er Sicht waren insbesonde­re das Herunterfa­hren des Personenve­rkehrs, ein möglicher Lockdown für die Industrie und Grenzschli­eßungen eine Gefahr. Diese sind vorerst vom Tisch."

Ähnlich bewertet Uwe Burkert, Chefökonom der Bank LBBW, die Beschlüsse. "Die beschlosse­nen Maßnahmen greifen stärker in das Wirtschaft­sgeschehen ein, aber die Träger der konjunktur­ellen Erholung - insbesonde­re die Industrie - bleiben weitgehend verschont." Ob allerdings an Aschermitt­woch, der in diesem Jahr auf den 17. Februar fällt, "alles vorbei sein wird, wie es in einem Karnevalsl­ied heißt, "darf diesmal wirklich bezweifelt werden".

bea/hb (dpa, afp, rtr)

 ??  ??
 ??  ?? Möglichst wenig Auslastung der Nahverkehr­smittel soll durch mehr Homeoffice erreicht werden
Möglichst wenig Auslastung der Nahverkehr­smittel soll durch mehr Homeoffice erreicht werden

Newspapers in German

Newspapers from Germany