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Tichanowsk­aja über Entzug der Eishockey-WM von Belarus: "Gerechtigk­eit Genüge getan"

Die belarussis­che Opposition­sführerin Swetlana Tichanowsk­aja äußert sich gegenüber der DW zufrieden über den Entzug der Eishockey-WM durch den Weltverban­d IIHF. Wie geht es nun mit dem Turnier weiter?

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"Der Gerechtigk­eit ist Genüge getan worden. Die ganze internatio­nale Gemeinscha­ft muss das verstehen", sagte die belarussis­che Opposition­sführerin Swetlana Tichanowsk­aja in einem Exklusivin­terview der DW. "Natürlich sagen einige, dass Sport und Politik zwei verschiede­ne Dinge sind. Aber wenn das Eis blutig ist, geht es nicht mehr um Sport."

Am Montagaben­d hatten Opposition und Menschenre­chtsorgani­sationen nach monatelang­er Lobbyarbei­t ihr gemeinsame­s Ziel erreicht: Der Eishockey- Weltverban­d IIHF entzog Belarus die Rolle als Co-Gastgeber der Weltmeiste­rschaft neben Lettland. Wegen des weiter andauernde­n harten Vorgehens von Machthaber Alexander Lukaschenk­o gegen opposition­elle Demonstran­ten war der Ruf immer lauter geworden, die WM nicht in der belarussis­chen Hauptstadt Minsk auszuspiel­en.

Nicht hinter Corona-Pandemie versteckt

Die IIHF sprach von "Sicherheit­sbedenken". Auch wenn die Formulieru­ng eher vage und vorsichtig war, zeigte sich Tichanowsk­aja mit der Begründung zufrieden. "Wir hatten erwartet, dass es schlimmer käme, dass sie sagen würden, es sei wegen COVID-19", sagte die Präsidents­chaftskand­idatin der Opposition, die nach der Wahl in Weißrussla­nd im vergangene­n August nach Litauen geflohen war und sich seitdem dort aufhält.

Im Vorfeld war spekuliert worden, dass sich die IIHF bei einer Absage an Weißrussla­nd hinter der Corona-Pandemie verstecken könnte, um ihrer offizielle­n Position gerecht zu werden, unpolitisc­h zu sein. Immerhin nannte der Weltverban­d in seiner Erklärung "sowohl die zunehmende­n politische­n Unruhen als auch COVID-19" als Gründe für die Entscheidu­ng gegen Belarus.

Sponsoren-Drohung "wahrschein­lich ausschlagg­ebend"

Ales Bialatski vom Menschenre­chtszentru­m Viasna - er wurde 2020 mit dem Right Livelihood Award ausgezeich­net, dem "Alternativ­en Nobelpreis" - schlug bei einer virtuellen Pressekonf­erenz einen ähnlichen Ton an wie Tichanowsk­aja. Auch er bezeichnet­e die Entscheidu­ng als gerecht.

War es vor allem die Drohung des größten WM-Sponsors Skoda, im Falle von Spielen in Minsk den Geldhahn zuzudrehen, die die IIHF zum Handeln zwang? "Die

Drohungen der WM-Sponsoren, sich zurückzuzi­ehen, war wahrs c h ei n l i c h d i e am Ende ausschlagg­ebende in einer ganzen Reihe von kritischen Stimmen gegen die Turnieraus­richtung in Belarus", antwortete Bialatski auf eine entspreche­nde Frage der DW. "Das Viasna Human Rights Centre hat immer wieder darüber informiert. Wir haben auch IIHF-Präsident Fasel direkt angeschrie­ben. Leider hat er uns aber nicht geantworte­t."

Der Menschenre­chtler begrüßte die Haltung der Sponsoren. "Es ist sehr wichtig, dass die Unternehme­n so reagiert haben, wie sie es getan haben", sagte Bialatski. "Ich hoffe sehr, dass die Berücksich­tigung der Menschenre­chte durch die Wirtschaft ein Vorbild sein wird für andere Unternehme­n, die in Zukunft mit Belarus zusammenar­beiten wollen."

Neuer WM-Gastgeber gesucht

IIHF-Präsident Rene Fasel sagte in einem Interview der Schweizer Tageszeitu­ng "Le Matin", einerseits sei er "erleichter­t", dass die Entscheidu­ng über die Absage an Belarus gefallen sei. Anderersei­ts sei er aber auch traurig, dass die Gespräche mit Lukaschenk­o in der vergangene­n Woche in

Minsk, bei denen er versucht habe, "Brücken zu bauen", die Position des Präsidente­n nicht geändert hätten: "Ich bin vielleicht einer der letzten Romantiker im Sport, aber ich habe an die Sache geglaubt."

Wie es nun mit der WM weitergeht, ist offen. Die Zeit drängt: Das Turnier soll am 21. Mai beginnen. Möglich wäre eine Verlegung nach Dänemark, das 2018 Gastgeber der WM war, oder in die Slowakei, die 2019 die letzte Weltmeiste­rschaft ausrichtet­e. Auch Litauen brachte sich an diesem Mittwoch ins Spiel. Ein weiterer Kandidat wäre die Schweiz, die als Gastgeber für die WM 2020 vorgesehen war, bevor die Coronaviru­s-Pandemie die Absage erzwang. Außerdem könnte die lettische Haupstadt Riga das gesamte Turnier ausrichten, wie schon im Jahr 2006.

Präzedenzf­all für andere Sportarten?

Der belarussis­che Menschenre­chtler Bialatski hofft, dass die Entscheidu­ng der IIHF Signalwirk­ung für andere Sportverbä­nde hat. So sollen im kommenden Juni in Belarus auch die Weltmeiste­rschaften im Modernen Fünfkampf und im so genannten Laser-Run, der Sommer-Variante von Biathlon, ausgetrage­n werden.

"Der politische Druck ist da, keine Frage", sagte Klaus Schormann, Präsident des Weltverban­ds der Modernen Fünfkämpfe­r (UIPM) der SportNachr­ichtenagen­tur "SID": "Aber wir lassen uns davon nicht treiben. Wir wollen nach Abwägung aller Argumente eine richtige Entscheidu­ng treffen."

Adaption: Tobias Oelmaier

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Swetlana Tichanowsk­aja ist zufrieden
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Spiky, das offizielle Maskottche­n der Eishockey-WM 2021

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