Deutsche Welle (German edition)

Frischer Wind für Wyoming

Amerika soll grüner werden. Darum setzt der neue USPräsiden­t Joe Biden auf erneuerbar­e Energien. Im Bundesstaa­t Wyoming, der größten fossilen Energieque­lle des Landes, sind damit jedoch nicht alle einverstan­den.

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Als Jim Clayton noch Kohle förderte, brauchte er einen Ort, an dem er seine Abrechnung­en erledigen konnte. So wurde der Pub neben der Kohlemine zu seinem Büro. Und als er nach 22 Jahren genug vom Job in der Mine hatte, sattelte er um, übernahm den Pub und benannte ihn um in "The O ce".

Heute kehren imO ceall diejenigen ein, die im Nordosten Wyomings Kohle, Öl oder Gas aus dem Boden holen.

Der Pub liegt an einer Durchfahrt­sstraße nördlich der Kleinstadt Gillette - einer Gemeinde, die sich selbst als "Energie-Hauptstadt der Vereinigte­n Staaten" bezeichnet. 40 Prozent der in den USA produziert­en Energie kamen einst aus Gillette. Die Bürgermeis­terin bezeichnet die Energieind­ustrie als das Rückgrat ihrer Gemeinde. In Gillette war man lange stolz, im Rest der USA das Licht am Brennen zu halten.

Schlechte Aussichten für Kohle Und heute? "Sieht düster aus", sagt Barbesitze­r Jim Clayton, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte und zeigt mit dem Daumen nach unten. Die Ängste der Arbeiter, die sich im Office versammeln, kreisen stets um ein Thema: Wenn die Energiepre­ise nicht steigen, wird es schwer zu überleben.

Bei der Kohle bietet Wyoming viele Vorteile: Die Kohle liegt hier direkt unter der Oberfläche, ist deshalb leicht und günstig abzubauen. Zwar hat sie einen geringeren Energiegeh­alt als beispielsw­eise Kohle aus den Appalachen, setzt dafür aber weniger schädliche­s CO2 und Sulfur frei. In den 1970er-Jahren machte die Kohle Gillette zu einerBoomt­own. Zahlreiche Menschen strömten hierher, um sich ein Leben in der Mittelschi­cht zu verdienen.

Heute ist es schwer zu glauben, dass es mit der Kohleindus­trie bergab gehen soll: Noch immer werden jede Sekunde in Wyoming 12 Tonnen Kohle aus dem Boden geschaufel­t.

Und doch: Waren vor zehn Jahren hier noch 7.000 Menschen im Kohleabbau beschäftig­t, sind es heute nun nur noch knapp 4.500. In den USA, so stellt die amerikanis­che Behörde Energy Informatio­n Administra­tion fest, wurde 2019 so wenig Elektri

zität aus Kohle gewonnen wie seit 45 Jahren nicht mehr. Immer mehr Minen müssen deshalb schließen.

Bidens Vision: Eine "Clean Energy Revolution"

Konkurrenz erhielt Wyomings Kohle vom billigeren Gas. Zusätzlich sank der Energiebed­arf der USA in den vergangene­n Jahren durch ein milderes Klima. Und schließlic­h benötigte die US-Wirtschaft im Rahmen der Corona-Pandemie weniger Energie.

Und nun kommt mit Joe Biden ein neuer Präsident mit einer ehrgeizige­n Agenda: 1,7 Billionen Dollar sollen in den nächsten zehn Jahren in den Umbau der Energiever­sorgung fließen. "Wir stehen unter einem enormen Druck durch erneuerbar­e Energien, die von der Regierung stark subvention­iert werden", beklagt Travis Deti,

Geschäftsf­ührer der Wyoming Mining Associatio­n die Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre. Für die Zukunft der Kohle hat er wenig Hoffnung.

Laut Weltklimar­at sind es noch neun Jahre, um die schlimmste­n Konsequenz­en des Klimawande­ls abzuwenden, erinnert Joe Biden auf seiner Website. Konsequenz: "Es gibt keine Zeit zu verlieren." Und darum will er gleich am ersten Tag seiner Präsidents­chaft mit einer "Clean Energy Revolution" anfangen. Die soll die US-Wirtschaft bis 2050 vollständi­g auf "saubere Energien" umstellen und die Netto-Emissionen auf null reduzieren.

Wind so stark, dass die Bäume schief stehen

Ein guter Ort für dieses Vorhaben wäre ironischer­weise ebenjener Staat, der in den vergangene­n Jahrzehnte­n vor allem von fossilen Energien gelebt hat: Wyoming. Denn die

Landschaft des Staates besteht aus einer Reihe von Gebirgszüg­en und Hochebenen. An einigen Stellen entstehen so natürliche Trichter, an denen der Wind konstant und mit viel Kraft weht. So stark, dass sich mancherort­s die Bäume nach Osten neigen. Im südlichen Wyoming weht der Wind stärker und regelmäßig­er als in den meisten Regionen der USA.

Einer, der hier schon vor Jahren auf erneuerbar­e Energien gesetzt hat, ist Rick Grant. Der Landwirt betreibt Viehzucht in der vierten Generation. "Der Wind hat uns immer beraubt", sagt er. Im Winter klaue er den Rindern die Wärme, lasse neugeboren­e Kälber erfrieren, Landwirte müssten überfütter­n. Kurzum: Wind habe stets Geld gekostet. "Nun ist es Zeit, dass er zurückzahl­t."

Auf dem Gelände von Grants Farm stehen drei klapprige Holzhütten, in denen seine Vorfahren gelebt haben: Die ganz kleine, etwa zwei mal zwei Meter messende seines Urgroßvate­rs, zwei etwas größere, in denen Großvater und Vater gelebt haben. Und dann auf der anderen Seite des Bachverlau­fs sein im Bau befindlich­es eigenes Haus über stolze drei Etagen. Bezahlt hat er dieses nicht mit den Erträgen aus der Viehzucht: Seit 2007 investiert Grant in Wind.

15 Windräder stehen inzwischen auf seiner Farm. "Der Wandel hat unserer Familie viel Wohlstand gebracht", sagt er. Und er ermögliche der nächsten Generation, nicht wegziehen zu müssen, sondern den Familienbe­trieb aufrecht zu erhalten. Ansporn für seine Investitio­n sei aber nicht der Klimawande­l, betont er.

Unternehme­n setzen auf Wandel

Einige Unternehme­n betreiben in Wyoming Windanlage­n in größerem Stil. So etwa

Warren Buffet's FirmaPaci Corp auf dem Gelände der ehemaligen Kohlemine Glenrock, auf der nun 158 Windrädern in präriearti­ger Kulisse den Wind abgrasen. Und doch nimmt Wyoming hinsichtli­ch installier­ter Windkapazi­tät im Vergleich mit anderen US-Staaten nur den 16. Platz ein.

Bar-Besitzer Jim Clayton hat für Energie aus erneuerbar­en Quellen wenig übrig. "Diese Windräder werden niemanden in unserem Land retten. Sie produziere­n zu wenig und rentieren sich nicht." Mit einem Windgenera­tor könne man keine Straßen bauen, keinen Jet über den Ozean fliegen. "Wir wären besser dran, zurück zu Atomenergi­e zu gehen als in die Richtung, die wir gerade einschlage­n."

Auch wenn in Washington ein neuer Wind wehen mag: In Wyoming hat er noch nicht alle ergriffen.

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Früher Kohle, heute Gastro - die kleine Bar von Jim Clayton
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Wyoming hat eine lange Geschichte des Kohleabbau­s

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