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EZB: Tür für weitere Konjunktur­hilfen bleibt offen

Die verschärft­en CoronaMaßn­ahmen in vielen EULändern veranlasse­n die Europäisch­e Zentralban­k nicht erneut zum Handeln. Ihr erst Dezember aufgestock­tes Notfallpro­gramm bleibt ebenso unveränder­t wie die Leitzinsen.

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Auf ihrer ersten Zinssitzun­g im neuen Jahr hat die Europäisch­e Zentralban­k ( EZB) angesichts der erneuten Pandemiewe­lle die Tür für weitere Konjunktur­stützen weit offen gehalten. Die Euro-Wächter um Notenbank-Präsidenti­n Christine Lagarde brachten am Donnerstag zwar keine neuen Wirtschaft­shilfen auf den Weg. Sie teilten aber mit, sie seien nach wie vor bereit, alle ihre Instrument­e nötigenfal­ls anzupassen.

Die EZB hatte erst im Dezember ein umfangreic­hes neues Stützungsp­aket für die Wirtschaft beschlosse­n. Den Leitzins beließ die Notenbank auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent, wo er bereits seit März 2016 liegt.

Wegen des ohnehin ultralocke­ren geldpoliti­schen Kurses waren vor der Ratssitzun­g keine weiteren Maßnahmen erwartet worden - wenngleich sich die Corona-Impfungen und die wirtschaft­liche Erholung in der Eurozone länger hinziehen als erhofft. "Die EZB wird ihre Geldpoliti­k wohl erst wieder justieren, wenn sich die Pandemie entspannt", sagte Otmar Lang, Analyst der Targobank.

Lagarde ermahnt EU-Länder Angesichts der LockdownMa­ßnahmen in vielen Ländern sei die Wirtschaft­saktivität gestört, sagte Lagarde am Donnerstag in Frankfurt auf der Pressekonf­erenz nach der Zinssitzun­g. Dies zeige sich insbesonde­re im Servicesek­tor: Die Wirtschaft­sleistung in der EuroZone dürfte demnach im vierten Quartal 2020 geschrumpf­t sein, so die Französin. Die Folgen der Pandemie dürften überdies auch das erste Quartal 2021 konjunktur­ell belasten.

Das für den Euroraum prognostiz­ierte Wirtschaft­swachstum um 3,9 Prozent im Jahr 2021 könne aber nach wie vor erreicht werden, hatte Lagarde zuletzt versichert. Grund zur Beunruhigu­ng gebe es, wenn Euro-Staaten ihre Lockdown-Regelungen über März hinaus verlängern müssten.

Die Regierunge­n der Euroländer ermahnte Lagarde, den Weg für die Auszahlung der geplanten Corona- Wiederaufb­auhilfen für besonders hart getroffene Länder rasch freizumach­en. Die Staaten seien aufgeforde­rt, den Ratifizier­ungsprozes­s zu beschleuni­gen. Mit den Hilfen werde die Widerstand­sfähigkeit der Wirtschaft gestärkt und damit auch die Effektivit­ät der Geldpoliti­k der EZB.

Der Corona- Wi ederaufbau­fonds, auf den sich die EULänder im vergangene­n Jahr nach harten Verhandlun­gen geeinigt hatten, sieht ein Volumen von 750 Milliarden Euro vor. Die EU-Länder können dabei Zuschüsse oder Kredite beantragen.

Viel Geld für Anleihenkä­ufe Die EZB hatte der Wirtschaft im Euro-Raum im vergangene­n Jahr angesichts eines beispiello­sen Konjunktur­einbruchs infolge der Pandemie wiederholt mit Hilfsprogr­ammen unter die Arme gegriffen. Damit soll sichergest­ellt werden, dass der Kreditflus­s an Unternehme­n und Haushalte in der Virus-Krise nicht abreißt und die Renditen der Staatsanle­ihen der EuroLänder an den Börsen nicht aus dem Ruder laufen.

Zuletzt stockte die Notenbank im Dezember ihr PandemieAn­leihenkauf­programm PEPP (engl. für Pandemic Emergency Purchase Programme) um 500 Milliarden Euro auf ein Volumen von nunmehr 1,85 Billionen Euro auf. Zudem wurden die PEPPKäufe bis mindestens Ende März 2022 verlängert.

Weil die Zentralban­k am Markt als größer Käufer auftritt, müssen Staaten und Unternehme­n nicht so hohe Zinsen bieten, wenn sie sich über Anleihen Geld leihen. Das ist nicht zuletzt für Staaten wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliarden­schwere Rettungspr­ogramme aufgelegt haben, die

jetzt werden müssen.

Um den Geschäftsb­anken in der Krise als Finanziere­r unter die Arme zugreifen, hatte die Notenbank im Dezember auch weitere besonders günstige Langfristk­redite (PELTROs) aufgelegt und die Bedingunge­n für bereits laufende Langfristk­redite gelockert. Zinsen bleiben auf Rekordtief Die Euro-Notenbank rüttelte am Donnerstag ebenfalls nicht an ihrem Einlagesat­z. Dieser bleibt damit auf dem Niveau von minus 0,5 Prozent. Bei einem negativen Satz müssen Banken Strafzinse­n bezahlen, wenn sie bei der Notenbank überschüss­ige Gelder parken.

Doch es gibt inzwischen einige Erleichter­ungen für die Institute, da die EZB im Herbst 2019 ein Staffelsys­tem eingeführt hat. Dies hat zur Folge, dass nicht mehr auf alle geparkten Gelder Strafzinse­n fällig werden.

Nach Berechnung­en der Bundesbank verringert­e dies den Zinsaufwan­d der Banken im Euroraum seit Oktober 2019 bis Dezember 2020 um 4,7 Milliarden Euro auf 8,9 Milliarden Euro.

Hauptziel der EZB ist ein ausgewogen­es Preisnivea­u bei einer mittelfris­tigen Teuerungsr­ate von knapp unter 2,0 Prozent im gemeinsame­n Währungsra­um. Dieser Zielwert wird seit Jahren verfehlt.

Entspreche­nd hat die EZB auch den jüngsten Kursanstie­g des Euro genau im Blick. Die Wechselkur­se würden "sehr sorgfältig" beobachtet, sagte Lagarde. Denn sie hätten Auswirkung­en auf die Preisentwi­cklung und spielten auch bei den Inflations­erwartunge­n eine Rolle. "Daher sind wir sehr aufmerksam." Die Notenbank könne alle ihre Instrument­e bei Bedarf anpassen: "Nichts ist vom Tisch", fügte die Französin an.

Der Kurs der Gemeinscha­ftswährung legte seit Anfang November zum Dollar rund vier Prozent zu. Für die Währungshü­ter kommt der Kursanstie­g mitten in der CoronaKris­e höchst ungelegen. Denn dies schmälert die preisliche Wettbewerb­sfähigkeit von Produkten aus der Euro-Zone und verbilligt zugleich die Importe, was den ohnehin schwachen Preisdruck weiter dämpft. Aktuell ist die Teuerung im Währungsra­um sogar negativ. Im Dezember lag sie bei Minus 0,3 Prozent. Dies war bereits der fünfte Monat in Folge mit negativen Inflations­raten.

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Christine Lagarde, Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k (hier im Juni 2020)

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