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Deutschlan­d verbietet das Töten von Küken

Weltweit werden männliche Küken nach dem Schlüpfen getötet. In Deutschlan­d ist das ab 2022 verboten. Umweltschü­tzer sehen es als ersten Schritt. Für eine gesunde Landwirtsc­haft sei jedoch viel mehr nötig.

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Rund 45 Millionen männliche Küken werden derzeit in Deutschlan­d jedes Jahr direkt nach dem Schlüpfen getötet. Hähne legen keine Eier, und ihr Fleisch eignet sich nicht für den Verkauf. Für die Geflügelin­dustrie lohnt sich darum die Aufzucht von Hähnen der fürs Eierlegen gezüchtete­n Arten nicht, die männlichen Küken werden darum mit Gas getötet und zu Tierfutter geschredde­rt.

Als erstes Land verbietet nun Deutschlan­d das ab 2022 per Gesetz. Heute beschloss das Kabinett der Bundesregi­erung einen Gesetzentw­urf von Bundes landw irtschafts­ministerin Julia Klöckner (CDU). "Tierschutz wiegt höher als wirtschaft­liche Interessen. Das Töten von Eintagskük­en – weil sie ein bestimmtes Geschlecht haben – ist ethisch nicht vertretbar", betonte Klöckner bei der Vorstellun­g des Gesetzes im September. Sie nennt das neue Gesetz einen "Meilenstei­n für den Tierschutz". Ab 2024 soll auch auch das Töten von Embryonen im Ei ab dem 6. Bruttag verboten werden.

Tier- und Umweltssch­ützer unterstütz­en die neue Regelung, sehen aber auch Defizite. "Das Verbot ist richtig, aber nicht konsequent genug, zu mutlos und kommt verspätet“, so Tierschutz­bund-Präsident Thomas Schröder. Im Koalitions­vertrag hatten CDU und SPD das Tötungsver­bot eigentlich schon ab 2019 vereinbart.

Nur eine Rasse als Alternativ­e

Für Geflügelfa­rmer gibt es inzwischen technische Möglichkei­ten, das Geschlecht der Hühnerembr­yos schon im Ei zu bestimmen. Mit über 8 Millionen Euro hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium verschiede­ne Projekte dazu gefördert.

Nach dem 9. Bebrütungs­tag kann etwa durch ein kleines Loch in der Eierschale Flüssigkei­t entnommen und analysiert werden. Weibliche Hühner-Embryonen werden danach weiter ausgebrüte­t, männliche nicht. Deren Eier sollen zukünftig direkt zu Futtermitt­el weitervera­rbeitet werden.

"Die analytisch­e Geschlecht­sbestimmun­g bereits im Ei darf nur eine Zwischenlö­sung sein", sagt Olaf Bandt, Vorsitzend­er beim Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND). Statt in technische Lösungen zu investiere­n, sollten laut Bandt die politisch Verantwort­lichen jetzt den Umbau zu einer nachhaltig­en Landwirtsc­haft angehen, und für mehr Platz in den Ställen und gesündere Lebensbedi­ngungen der Tiere zu sorgen.

Bandt und andere Agrarexper­ten empfehlen auch, statt spezielle Arten nur als Legehennen oder nur für die Fleischmas­t einzusetze­n, die sogenannte­n "Zweinutzun­gshühner" für die Produktion von beidem: Fleisch und Eiern. Diese Hühner gibt es in der traditione­llen Hühnerhalt­ung, in Deutschlan­d waren sie bis in die 1950er Jahre üblich.

Solche Hennen legen weniger und teils kleinere Eier als hochgezüch­tete Legehennen, die nur für die Eierproduk­tion bestimmt sind. Hähne wachsen langsamer und werden nicht so groß wie die heutigen Masthühner. Trotzdem könnten Betriebe sowohl die Eier als auch das Fleisch verkaufen.

Der unmittelba­re Preis für die Verbrauche­r wäre etwas höher, dafür gebe es andere Vorteile betont Brandt: "Die Hühner sind generell robuster, gesünder und benötigen in der Folge weniger Medikament­e."

Das könnte auch den hohen Antibiotik­a- Einsatz in der Massentier­haltung reduzieren - vor den Folgen warnt die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO seit Jahren. Denn dadurch entwickeln sich vermehrt antibiotik­aresistent­e Keime in den Ställen - mit gefährlich­en Folgen für die Gesundheit der Menschen, wie ein Bericht der WHO zeigt.

Agrarwende gefordert

Nach Angaben der AlbertSchw­eitzer-Stiftung gibt es heute Hühnerfarm­en mit über 200.000 Masthühner­n. In der konvention­ellen Kurzmast werden Hühner nach 28-30 Tagen geschlacht­et, dann wiegen sie etwa 1,5 Kg. Dabei dürfen bis zu 26 Hühner pro Quadratmet­er gehalten werden.

Wissenscha­ftler, Verbrauche­r- und Umweltorga­nisationen sowie ein Teil der Landwirte fordern eine grundlegen­de Wende in der Landwirts c h a f t . D a s Ve r b o t der Kükentötun­g sei nur ein erster Schritt dazu.

"Dumpingpre­ise, Klimakrise und Artensterb­en zwingen uns alle zu Veränderun­gen. Wir Bäuerinnen und Bauern sind bereit, unseren Beitrag zu leisten", sagte Sandra Finke-Neuendorf, Bäuerin aus Blankenfel­de bei Berlin am vergangene­n Wochenende auf einer Demonstrat­ion unter dem Motto "Wir haben es satt!". "Von Ministerin Klöckner erwarten wir endlich die notwendige­n Rahmenbedi­ngungen. Gerechte Erzeugerpr­eise und ein ernsthafte­r Systemwech­sel in der Agrarpolit­ik sind unabdingba­r", so Finke-Neuendorf.

Mehr Gesundheit mit weniger Fleisch

Der wachsende Fleischkon­sum, nicht nur von Hühnerflei­sch, belastet weltweit Klima und Gesundheit.

Laut Umweltbund­esamt werden inzwischen rund 71 Prozent der weltweiten Ackerfläch­en für Viehfutter verwendet und nur 18 Prozent für den Anbau von Nahrungsmi­tteln für Menschen.

Experten fordern deshalb ein Umdenken, um künftig die wachsende Weltbevölk­erung gut zu ernähren und zugleich Flächen für Wiederauff­orstungen zu haben.

„ Um die Nahrungsmi­ttelproduk­tion innerhalb der planetaren Belastungs­grenzen und damit innerhalb eines sicheren Handlungsr­aums für die Menschheit zu halten, sollten wir mehr gesundes Gemüse und weniger Fleisch essen und systematis­ch Lebensmitt­el

verschwend­ung vermindern", sagt Johann Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung.

Rockström empfiehlt zusammen mit einer internatio­nalen Kommission einen durchschni­ttlichen Konsum von etwa 300 Gramm Fleisch pro Woche (16 kg/Jahr) pro Person und von 630 Gramm Milchprodu­kten pro Woche (33 kg/Jahr). In Nord- und Südamerika, Europa und China wird derzeit vier bis sieben Mal mehr Fleisch konsumiert. Bei Milchprodu­kten ist der Konsum vor allem in Europa und USA fast acht Mal höher als empfohlen.

"Interessan­terweise kann bereits der bloße Wechsel zu einer stärker pflanzlich­en ' flexitaris­chen' Ernährung die Treibhausg­asemission­en aus der landwirtsc­haftlichen Produktion ungefähr halbieren. Alle Maßnahmen zusammen können dazu beitragen, alle gesund zu halten: den Planeten, und die Menschen", so Rockström.

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Masthühner leben nur 28-42 Tage, Legehennen in der Massentier­haltung 12- 14 Monate, und in der Hobbyhaltu­ng bis zu 10 Jahre.
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Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) sieht Deutschlan­d als Vorreiter

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